So intensiv haben die Schweizerinnen und Schweizer die Skisaison schon lange nicht mehr genossen – und können sie immer noch geniessen. Perfekter Schnee und das Freiheitsgefühl auf der Piste nach den vielen Einschränkungen im Alltag: Grandios!
Bevor die Wintersaison allerdings richtig Fahrt nahm, hagelte es massive Kritik aus Frankreich, Deutschland und Italien auf die Schweiz – wegen ihres Sonderwegs. Offene Pisten den ganzen Winter durch, trotz Corona? Das brachte auch Emmanuel Macron (43) in Rage. Der französische Präsident drohte seinen Landsleuten mit Massnahmen, um sie vom Skifahren in der Schweiz abzuhalten. Das deutsche Bundesland Bayern rief auf: «Verzichten Sie auf Skiurlaub in der Schweiz!» Und Italiens Regierung war «enttäuscht» über den Schweizer Sonderweg.
Skizoff löste sich auf
Harte Quarantäne- und Test-Auflagen für die Rückkehrer aus der Schweiz sorgen dann dafür, das in helvetischen Bergbahnen, auf Pisten und Loipen deutlich weniger Auslandstouristen unterwegs waren.
Heute, zum nahenden Saisonende, ist der internationale Skizoff Schnee von gestern. Auffallend: Die Pandemielage der Schweiz ist trotz Wintersportfreuden und offener Pisten nicht schlechter als in den Nachbarländern. Ein zweites Ischgl gab es nirgends.
Im Gegenteil: In den letzten zwei Wochen wurden in der Schweiz pro 100'000 Einwohner 274 Coronavirus-Infektionen gemeldet. In Frankreich sind es 737, in Österreich 484, in Italien 447 und in Deutschland 264 Fälle.
Zwar erlitten auch Schweizer Bergbahnen und Hotels happige finanzielle Einbussen, doch die Konkurrenz im Ausland musste mitunter Totaleinbrüche hinnehmen. In Österreich waren Hotellerie und Gastronomie de facto durchgehend zu – Auslandsgäste blieben weg. Da nützte es auch nichts, dass die Bergbahnen an Weihnachten wieder öffneten. «Für die Wintersportnation Österreich war das eine mehr als schmerzhafte Erfahrung», sagt Carmen Breuss von Österreich Tourismus.
Österreicher rechneten sowieso mit Desaster-Saison
Manche österreichische Wintersportorte schauten neidisch in die Schweiz. Doch ein direkter Vergleich bringt laut Breuss nichts. In Österreich machten ausländische Gäste im Winter mehr als drei Viertel der Übernachtungen aus. Wegen der Reisewarnungen von wichtigen Herkunftsmärkten wäre ein «normaler» Winter sowieso unmöglich gewesen.
Kein Wunder sind Schweizer Touristiker dankbar darüber, dass eine passable Saison dank offener Pisten und inländischen Touristen möglich war. Pascal Jenny (46), Kurdirektor Arosa, sagt, er habe grössten Respekt vor dem Schweizer Weg, die Winter-Betriebsbewilligungen der Bergbahnen den Kantonen zu delegieren und dann auf Selbstverantwortung und Schutzkonzepte zu setzen.
Ein Kränzchen für Alain Berset
«Man muss dem Bundesrat und Herrn Alain Berset, und in unserem Fall auch der Bündner Regierung um Regierungsrat Marcus Caduff, ein Kränzchen winden», lobt Jenny. Er ist überzeugt: «Der Mut im Dezember, nicht einzuknicken – trotz des Drucks gerade von den Mitbewerbern im nahen Ausland –, zahlt sich aus.»
Schutzkonzepte der Bergbahnen und Destinationen haben sich bewährt, sagt auch Schweiz Tourismus. Die Vermarktungsorganisation will den Schweizer Weg nicht mit dem Ausland vergleichen. Sprecher André Aschwanden: «Wichtig ist, dass die offenen Bergbahnen und Skigebiete die Covid-19-Verbreitung sicherlich nicht gefördert haben.» Das sei eine gute Basis für die Planung künftiger Saisons und die Vorbereitung auf mögliche weitere Pandemien.
Schröcksnadel: Österreichs Politik fehlte der Mut
Der Österreicher Markus Schröcksnadel (56) kennt als einer der wichtigsten Ski-Tourismus-Unternehmer im Alpenraum die Situation in der Schweiz und in Österreich. «Der Schweizer Weg war wohl der richtige, zumal der Wintertourismus im Vergleich zu Österreich in der Schweiz einen weit höheren Anteil an Inlandsgästen aufweist», sagt er zu Blick.
Und: «In Österreich hat der Politik der Mut gefehlt, derartige Schritte zu setzen, und es liegen andere Voraussetzungen vor, was den Gästemix angeht.» Schröcksnadel ist unter anderem in den Bergbahnen Saas-Fee VS und Savognin GR investiert.
Ernüchternd nach der EU-Kritik an «Skischmarotzer» Schweiz: Nicht mal unter sich haben sich die EU-Länder auf ein gemeinsames Vorgehen beim Wintersport einigen können. Am Ende schauten alle für sich selber – wie die Schweiz.