Auf einen Blick
Die neue Eskalation im Nahen Osten verunsichert Anlegerinnen und Anleger. Doch insgesamt hielt sich die Reaktion nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel in Grenzen. Vieles hängt nun davon ab, wie die angedrohte Vergeltung Israels aussehen wird.
Die Besorgnis vor einer Eskalation sei real, sagt Ökonom Klaus Wellershoff (60). Doch für den Gründer des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partners ist klar: «Weder der Iran noch Israel haben ein Interesse an einem offenen Krieg.»
«Die Finanzmärkte haben sich an den Konflikt gewöhnt und rechnen damit, dass er begrenzt bleibt», so Wellershoff. Denn es ist klar: Ein offener Krieg zwischen der Atommacht Israel und dem ebenfalls hochgerüsteten Iran, könnte drastische Folgen für die beiden Länder haben.
Doch wie wirkt sich der Konflikt im Detail auf die Weltwirtschaft aus? Blick zeigt die wichtigsten Folgen für den Ölpreis, die Aktienmärkte, den Franken und den Goldpreis.
Ölpreis
Der Ölpreis ist immer besonders betroffen, wenn im Nahen Osten gekämpft wird. Schliesslich kommt ein Grossteil des schwarzen Rohstoffs aus diesem Gebiet. Auch gestern legte der Preis für Rohöl nach dem iranischen Angriff wieder um gut 1 Prozent zu.
Damit liege der Ölpreis aber immer noch nahe am Jahrestiefstand, sagt Wellershoff. Doch was ist, wenn Israel die iranische Ölproduktion lahmlegt oder der Iran die Strasse von Hormus sperrt, durch die ein Fünftel der weltweiten Öltransporte gehen? «Das würde den Preis zwar in die Höhe treiben, aber gleichzeitig ginge die Nachfrage zurück, weil eine derartige Eskalation die Weltwirtschaft schwächen würde», so Wellershoff. Der Preiseffekt könnte am Ende deshalb gar nicht so gross sein.
Klar ist: Ein höherer Ölpreis wirkt sich auch direkt aufs Portemonnaie der Menschen in der Schweiz aus. So machen die Beschaffungskosten (Rohölpreis, Raffinerie und Transport) etwa ein Drittel des Benzinpreises aus.
Aktien
Nach dem iranischen Angriff sank der US-Leitindex Dow Jones am Dienstag um 0,4 Prozent. Während Öl- und Rüstungsaktien in den USA stiegen, verloren die grossen Technologietitel wie Apple, Intel und Microsoft. Der Schweizer SMI zeigt sich am Mittwoch wenig verändert.
Zwar sei Unsicherheit immer schlecht für den Aktienmarkt, so Wellershoff. «Aber die Unsicherheit ist schon seit einigen Jahren hoch.» Angesichts der zahlreichen Konflikte in der Welt relativiere sich die Bedeutung des Nahostkonfliktes. «Die Märkte haben sich an die Realität einer konfliktreichen und unsicheren Welt gewöhnt.»
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Natürlich müsse man die Situation sehr ernst nehmen, sagt der Ökonom weiter. «Nach einem Nuklearwaffeneinsatz könnte die Welt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Doch danach sehe es im Moment nicht aus: «Beide Seiten setzen auf relativ gezielte Angriffe.»
Franken
Immer wenn Unsicherheit herrscht, fliehen Anleger in «sichere Häfen». Und der Schweizer Franken ist genau ein solcher. Auch dieses Mal hat der Franken über Nacht im Vergleich zum Euro und zum Dollar leicht zugelegt, wie die Analysten der Raiffeisen schreiben. Wenn sich dieser Trend verschärft, könnte die Nationalbank erneut am Devisenmarkt intervenieren und Fremdwährungen kaufen, um den Franken zu schwächen.
Doch insgesamt sei der Franken nicht wegen der Krisen in der Welt so stark, gibt Wellershoff zu bedenken. «Der Franken ist attraktiv, weil die Teuerung in der Schweiz niedriger ist als im Rest Europas und in den USA.» Der Krieg im Nahen Osten habe hier nur einen kleinen Einfluss.
Gold
Auch Gold gilt als «sicherer Hafen» und profitiert von unruhigen Zeiten. Am Dienstag bescherte die Krise im Nahen Osten dem Edelmetall sogar ein Rekordhoch. Der Kurs für eine Unze Gold liegt derzeit bei rund 2650 Franken.
Aber wie beim Franken sind laut Wellershoff andere Gründe wichtiger für die Rekordjagd des Edelmetalls in diesem Jahr: «Aus Angst vor Sanktionen kaufen verschiedene Zentralbanken massiv Gold ein.» Das hat zwar viel mit einer unsicheren Welt zu tun, in der wir nun leben. Doch der Nahostkonflikt ist dabei nur ein Puzzlestück unter vielen.