Ökonomin Roxane Spitznagel schätzt ein
Wird 2024 alles teurer?

Die Schweiz stehe deutlich besser da als Deutschland. Doch die vielen Konflikte weltweit machten der Wirtschaft Sorgen, sagt die Ökonomin Roxane Spitznagel.
Publiziert: 31.12.2023 um 18:23 Uhr
|
Aktualisiert: 31.12.2023 um 18:24 Uhr
1/6
Roxane Spitznagel forscht an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Raphael_Rauch (1).jpg
Raphael RauchBundeshausredaktor

Frau Spitznagel, droht uns eine Rezession?
Roxane Spitznagel: Nein. Die Schweiz wird trotz der internationalen Konjunkturschwäche wahrscheinlich von einer Rezession verschont bleiben.

Was sagen Sie für die Schweizer Wirtschaft 2024 voraus?
Wir erwarten, dass das sportbereinigte Bruttoinlandprodukt 2024 um 1,3 Prozent wachsen wird. Inklusive grosser Sportereignisse – im nächsten Jahr stehen die Olympischen Spiele in Paris und die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland an – wird die Schweizer Wirtschaft sogar um 1,7 Prozent wachsen.

Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Welche Auswirkungen hat das für die Schweiz?
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Die Schwäche der deutschen Automobilhersteller trifft zum Beispiel unmittelbar die Schweizer Autozulieferer. Auch in anderen Industriezweigen sind die Verflechtungen eng. Trotzdem bleibt die Schweiz durch starke Binnenwirtschaft relativ resilient.

Warum steht die Schweiz im europäischen Vergleich gut da?
Die Schweiz hat mehrere Standortvorteile gegenüber vielen EU-Ländern. Sie strahlt politische und finanzielle Stabilität aus, verfügt über eine stabile und diversifizierte Wirtschaft wie auch aufgrund ihrer Attraktivität als Einwanderungsland über eine sehr gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft. Das macht Schweizer Unternehmen überdurchschnittlich innovativ. Konjunkturell ist die Schweiz besser als fast alle EU-Länder durch Corona- und Inflationskrise gekommen. In Letzterer hat die Schweiz vor allem vom starken Franken-Wechselkurs profitiert, da so eine importierte Inflation weitgehend klein gehalten werden konnte.

Sollte die Politik die Schuldenbremse etwas flexibler gestalten, um mehr Raum für Investitionen zu schaffen?
Einerseits kann eine flexible Schuldenbremse der Regierung ermöglichen, die Nachfrage während wirtschaftlicher Abschwünge zu stimulieren oder langfristige Investitionen zu tätigen. Jedoch könnte eine lockere Handhabung der Schuldenbremse auch zu finanziellen Risiken und Instabilität führen. Die Schuldenbremse hat sich in der jetzigen Form bewährt. Die Schweiz ist deutlich weniger stark verschuldet als Nachbarländer wie Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich.

Wie fällt die Inflation aus?
Wir gehen davon aus, dass die Inflation 2024 auf 1,7 Prozent zurückgehen wird. Damit läge die Teuerung wieder im Zielband der Schweizerische Nationalbank (SNB).

Ausser steigenden Mieten, steigenden Prämien und steigenden Energiepreisen: Was wird uns 2024 noch belasten?
2024 drohen uns mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten weiterhin geopolitische Risiken. Eine Eskalation des Krieges im Nahen Osten auf weitere Länder könnte den Welthandel schwächen und Rohstoff- oder Energiepreiserhöhungen auslösen, die die Weltkonjunktur erheblich bremsen würden. Auch der Konflikt zwischen China und Taiwan könnte zu einem Konjunkturrisiko werden, wenn er eskaliert. Mit Blick auf die Binnenwirtschaft werden sich strukturelle Probleme wie der demografische Wandel in den nächsten Jahren verschärfen. Immer mehr Babyboomer werden in den nächsten Jahren den Arbeitsmarkt verlassen, wodurch sich der Fachkräftemangel verschärfen wird.

Persönlich: Roxane Spitznagel

Die Ökonomin Roxane Spitznagel (29) forscht an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.

Die Ökonomin Roxane Spitznagel (29) forscht an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.

Hat die Schweizer Wirtschaft die CS-Pleite wirklich unbeschadet überstanden, wie die Politik behauptet?
Die Schweizer Wirtschaft hat die CS-Pleite gut überstanden. Die Übernahme der CS durch die UBS hat einen Dominoeffekt und damit eine Bankenkrise verhindert. Die positive Entwicklung des Aktienkurses der UBS ist ein erster Indikator dafür, dass die Übernahme der CS im Grossen und Ganzen gut geklappt hat, auch wenn dadurch ein Stück Schweizer Bankengeschichte verschwunden ist.

Welche Konsequenzen hätte eine Wahl von Donald Trump für die Schweizer Volkswirtschaft?
Die Schweiz ist als kleine offene Volkswirtschaft auf den Handel mit anderen Ländern angewiesen und die USA ist nach Deutschland der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Zudem sind die USA die Konjunkturlokomotive der Welt. Die Wahl eines protektionistisch eingestellten Politikers wie Donald Trump könnte den Welthandel und damit auch die Schweizer Konjunktur beeinträchtigen. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.