Auf einen Blick
- Konsum bleibt trotz Krisen stabil
- Black Friday ist ein reines Marketinginstrument
- 3 für 2 Aktionen führen zu mehr Ausgaben
Herr Binswanger, die Wahl von Donald Trump drückt vielen auf die Stimmung. Auch auf die Kaufstimmung?
Mathias Binswanger: Überhaupt nicht, wir werden einkaufen wie bisher. Unser Konsum steigt sogar von Jahr zu Jahr leicht an. Natürlich tut er das nicht einfach so, da stehen erhebliche Anstrengungen dahinter.
Von wem?
Von jenen, die uns etwas verkaufen wollen. Das Problem ist, dass wir ein ziemlich reiches Land sind. Das macht es für den Handel nicht einfacher, den Leuten immer mehr zu verkaufen. Wir haben ja bereits alles, was wir benötigen. Verkaufen ist kein Selbstläufer, man muss die Menschen dazu bringen, jedes Jahr mehr zu kaufen.
Wie gelingt das den Händlern?
Indem sie Gütern zum Beispiel einen Status-Charakter verleihen. Bei Autos sieht man das gut. Ginge es nur um Mobilität, wäre der Automarkt gesättigt. Alle, die eins brauchen, haben eins. Schaffe ich es hingegen, aus dem Auto ein Prestigeobjekt zu machen, dass Kunden ein schöneres, leistungsstärkeres Gefährt wollen, dann ist der Markt nie gesättigt: Es gibt immer ein besseres.
Eine Theorie besagt, dass Krisenzeiten oder Zeiten grosser Verunsicherung Konsumkiller seien.
Nehmen Sie die Corona-Krise. Damals ging der Konsum zurück, doch das war erzwungen. Während eines Lockdowns können Sie nicht ins Shoppingcenter oder ins Kino. Nachdem die Massnahmen aufgehoben worden waren, glich sich das sofort wieder aus. Denken Sie nur an den Flugverkehr! Ich bleibe dabei: In den letzten Jahrzehnten waren Schweizer Konsumenten nie ernsthaft von einer Krise betroffen.
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Zurück in die USA: Halloween haben wir importiert, den Black Friday auch. Welcher Trend ist überflüssiger?
Black Friday finde ich schlimmer. Halloween hat immerhin eine gewisse Tradition, wenn auch nicht bei uns. Black Friday hingegen ist ein reines Marketinginstrument, bei dem es ausschliesslich darum geht, den Verkauf anzukurbeln.
Gönnen Sie den Läden den Kundenansturm nicht?
Doch, schon. Bloss ist der Onlinehandel ebenfalls längst auf diesen Zug aufgesprungen, der Vorteil für den stationären Handel ist verpufft. Die Konsumentinnen und Konsumenten fühlen sich auch zunehmend für dumm verkauft. Sie merken, dass im normalen Handel zu hohe Preise angesetzt werden. Mit den inzwischen fast permanenten Aktionstagen und -wochen wollen die Händler einfach den Verkauf ankurbeln. Das wirkt auf immer mehr Kundinnen und Kunden unsympathisch.
Machen Sie persönlich in diesem Jahr dennoch ein Schnäppchen?
Nein, das habe ich noch nie gemacht. Das interessiert mich nicht.
Sie greifen nie zu bei herabgesetzten Produkten?
Ich achte mich nicht so darauf, Aktionen kümmern mich nicht. Mit einem Produkt befasse ich mich erst dann, wenn ich es tatsächlich kaufen muss.
Ist es nicht vernünftig, mit dem Kauf eines neuen Fernsehers zuzuwarten, wenn ich weiss, dass in zwei Wochen Black Friday ist?
Eher unvernünftig, wenn Sie das Big Picture betrachten. Für die meisten Menschen ist es irrelevant, ob sie für ein Produkt ein bisschen weniger bezahlen oder nicht. Wir unterliegen hier einem Phänomen, das sich «Mental Accounting» nennt. Rational betrachtet ist ein Franken ein Franken, egal wofür wir ihn ausgeben. Tatsächlich ist es aber so, dass wir im Geist ein Schubladensystem besitzen, in dem wir unser Geld aufbewahren. In einer Schublade hat der Franken einen viel höheren Stellenwert als in einer anderen. Ist das Joghurt 10 Rappen teurer, ärgern wir uns darüber. Abends im Restaurant geben wir dann 200 Franken aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Weil der Handel Werbung mit Tiefstpreisen betreibt, sind wir übersensibilisiert worden für Schnäppchen.
Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Binswanger ist Autor von zahlreichen Büchern und Artikeln in Fachzeitschriften und in der Presse. Zuletzt erschien sein Buch «Die Verselbstständigung des Kapitalismus», in dem es um künstliche Intelligenz geht.
Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Binswanger ist Autor von zahlreichen Büchern und Artikeln in Fachzeitschriften und in der Presse. Zuletzt erschien sein Buch «Die Verselbstständigung des Kapitalismus», in dem es um künstliche Intelligenz geht.
Ein knalliges Preisschild reicht also, um uns zu willenlosen Kaufrobotern zu machen?
Das ist eine uralte Erkenntnis: Konsum ist lenkbar. Im Detailhandel ist das Hauptargument der Preis. Wir werden ständig bombardiert mit Aktionen und Preisschildern. Typisches Beispiel dafür sind Tankstellen. Man sieht sofort, wo der Most 2 Rappen billiger ist. Das Benzin ist überall das gleiche, also muss ein Betreiber mit dem Preis überzeugen.
Welche Rolle spielt das Fomo-Phänomen, die Angst, eine günstige Gelegenheit zu verpassen, wenn man nicht zuschlägt?
Diese irrationale Furcht wird genährt durch Slogans, wie «Jetzt sofort zuschlagen!» oder «Nur noch kurze Zeit!» – dabei steht in ein paar Wochen schon der nächste Aktionstag an. Ganz offensichtlich werden wir angelogen. Die Läden kreieren einen Hype, der dazu führt, dass wir uns Dinge besorgen, die dann oft unbenutzt herumliegen. Kleider zum Beispiel, da gehen Unmengen über Ladentische, die schliesslich niemand trägt.
Machen sich Marktschreier, die uns anlügen, nicht strafbar?
Wo kein Kläger, da kein Richter. Konsumentenschutzorganisationen weisen ja immer mal wieder darauf hin, wenn bei Werbungen für Aktionen geflunkert wird. Das kann durchaus zu Bussen führen. Ein seltenes Risiko, das bestens einkalkuliert werden kann.
Wie lautet Ihr Rezept gegen Impulskäufe, die man später vielleicht bereut?
Nachdenken! Benötige ich das Teil, was will ich damit überhaupt? Das bedingt eine längerfristige Perspektive bei Konsumangelegenheiten. Dass ich mir grundsätzlich vornehme, nur Dinge zu kaufen, die ich tatsächlich brauche. Und die Finger von Produkten lasse, für die ich ehrlicherweise keine Verwendung habe.
Weshalb gelingt uns das so selten?
Weil es für die meisten Menschen eben keine Rolle spielt. Sie haben so viel Geld, dass es egal ist, ob sie dieses oder jenes auch noch kaufen.
Was raten Sie? Bei Ausverkauf das Haus nicht verlassen?
Das ist eine Frage der Einstellung, ein persönlicher Entscheid: Ich beteilige mich nicht am Black Friday. Es ist mir zu blöd, mit hundert anderen in einer Auslage herumzuwühlen.
Menschen fliegen nur fürs Shopping nach New York, es macht sie happy!
Höchstens sehr kurzfristig. Es kann Glücksgefühle auslösen, wenn ich etwas günstig bekomme, was sonst teuer angeboten wird, seien das Hotelzimmer, Flüge oder Waschmaschinen. Es fühlt sich wie ein Sieg an: Man hat nicht das bezahlt, was man im Normalfall dafür bezahlen müsste. Weil die Menschen kleine Triumphe mögen, werden sie von der Branche mit Black Fridays und anderen Aktionen so extrem gefördert.
Bizarr ist ja: Man spart gar nicht, man gibt Geld aus …
Ein typisches Beispiel dafür ist «3 für 2». Ich bekomme drei Toaster, bezahle aber nur für zwei. Habe ich nun das Geld für einen Toaster gespart? Im subjektiven Empfinden vielleicht schon. Tatsache ist, dass Sie danach weniger Geld auf dem Konto haben.
Trotzdem bleibt mehr Geld im Portemonnaie, wenn ich von Aktionen profitiere.
Das stimmt eben meistens gar nicht. Viele kaufen mehr, als sie sich vorgenommen haben. Wenn man einen Laden mit billigen Produkten betritt, ist bei der Kasse das Körbchen randvoll. Ein Samstagnachmittag bei Ikea zeigt: Die wenigsten Menschen können gezielt einkaufen.
Ist Konsum demnach ein Trieb?
Würden wir nur das kaufen, was wir effektiv benötigen, gäbe es den Black Friday nicht. Denn er hätte keinen Einfluss auf die Umsätze. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Läden verkaufen erheblich mehr als sonst. Es funktioniert also!
Wie behält man da als Konsument seine Würde?
Indem man sich strikt an eine Einkaufsliste hält – und Tage wie den Black Friday mit seinen langen Schlangen und Rabattschlachten meidet.
Sie kaufen nur online ein?
Nicht sehr fleissig. Ich shoppe grundsätzlich nicht gerne. Für mich ist das ein Müssen. Wenn es nur Leute wie mich gäbe, stünde die Wirtschaft längst am Abgrund.
Kein Geschenkestress diese Weihnachten also …
Was für eine unglaubliche Befreiung! Wenn ich mir ständig Gedanken machen muss, wem ich was schenken soll, löst das Stress in mir aus. Habe ich den nicht, wird alles plötzlich leichter. Natürlich gilt das nicht für Kinder. Kindern bereiten Geschenke echte Freude.