Die Hausärzte spielten bislang eine wichtige Rolle beim Impfen. Sie kannten ihre Patienten, wussten um Vorerkrankungen, waren entscheidend beim Abbau von Ängsten. Sie waren Wegbereiter der grössten Impfaktion in der Geschichte der Schweiz.
Jetzt ist aber Schluss bei den meisten Hausärzten. Schluss mit dem Impfen. Zumindest im Kanton Zürich. Neun von zehn Praxen setzen keine Spritze mehr. Denn die Kantonsapotheke hat die Mindestbestellmenge des Corona-Vakzins erhöht. Diese liegt neu bei 400 Dosen. Das sind acht Packungen à 50 Dosen. Früher waren es 100.
Der Kanton will so das Impftempo erhöhen. Aber er sorgt auch dafür, dass die Hausärzte aussteigen. Josef Widler (67), Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, und Hausarzt, spricht Klartext: «Es geht darum, die Ärzte aus der Impfkampagne rauszuschmeissen.»
Eine Woche nur am Impfen
Widlers Worte haben Gewicht. Er ist Kantonsrat, Allgemeinmediziner, politisiert für die CVP. Ein medizinisches und politisches Schlachtross mit jahrzehntelanger Erfahrung. Er war auf dem Podium, als der Kanton im Januar den Startschuss für das grosse Impfen gab. Braunes Jackett, gestreifte Krawatte, graue Haare, die Züri-Maske vor dem Mund. Er stützte die Gesundheitsdirektion ohne Wenn und Aber.
Jetzt ist das Tuch zerrissen. «Für eine Hausarztpraxis ist der Aufwand zu gross, neben den Impfungen gibt es auch einen normalen Praxisbetrieb», sagt Widler.
Er erklärt, was es für seinen Betrieb bedeutet, wenn er die Mindestbestellmenge verimpfen möchte. «An einem Tag haben wir 88 Dosen verimpft. Daneben blieb nur noch Zeit für ein halbes Dutzend Notfälle.» Will er 400 Dosen abgeben, sind seine Kapazitäten eine ganze Woche blockiert. Die normalen Patienten bleiben auf der Strecke. Und finanziell lohnt es sich auch nicht.
Bürokratisches Umpacken
Unverständnis macht sich breit. Widler findet es zwar richtig, dass die Bevölkerung nun «wie am Fliessband» versorgt werde. Aber: «Wenn es im Herbst vielleicht Nachimpfungen braucht, dann bin ich gespannt, wie das die Behörden organisieren wollen. Dann braucht es wieder die Mithilfe der Hausärzte, gerade für die Impfung älterer oder betagter Patienten.»
«Impfstoff in kleineren Mengen, das wäre ein Dienst am Kunden», sagt er. «Die Lieferung könnte auch über die üblichen Pharmalogistiker erfolgen.» Galenica etwa. Oder Zur Rose. «Die verfügen über die notwendigen Kühlketten.»
Die Gesundheitsdirektion kontert. Eine Verteilung des Impfstoffs über die Pharmagrossisten sei nicht zielführend. «Insbesondere aufgrund der dafür ungeeigneten Verpackungsgrösse», sagt Sprecherin Lina Lanz. Der Impfstoff müsse umgepackt werden, wofür es eine Bewilligung von der Zulassungsbehörde Swissmedic brauche.
Neun von zehn Praxen sind raus
«Es geht in der jetzigen Phase darum, in kurzer Zeit grosse Mengen zu verimpfen», so die Sprecherin. «Dafür eignen sich die elf Impfzentren am besten. Hinzu kommen rund 160 Impfapotheken und derzeit noch rund 100 Arztpraxen.»
Einst waren es deutlich mehr. 1000 Zürcher Hausarztpraxen waren bis April in die Impf-Kampagne eingebunden. Das bestätigt auch Lanz. Ein grosser Teil des Impfstoffs sei an die Allgemeinmediziner abgegeben worden, so die Sprecherin der Gesundheitsdirektion. «Damit sich Risikopatienten und ältere Menschen in ihrer gewohnten Umgebung impfen lassen konnten.»
Über 230'000 Corona-Impfungen machten die Hausärzte. Jetzt müssen es andere richten. Es gehe um Geschwindigkeit, so Lanz. «Darum, die gesunde und mobile Bevölkerung möglichst rasch und effizient zu impfen.» Über die weitere Zusammenarbeit mit den Hausärzten und deren Rolle bei der Covid-Impfung sei die Behörde mit Widler und der kantonalen Ärztegesellschaft in Kontakt.