Die Notenbanken stecken in einem Dilemma: Sollen sie das Bankensystem stabilisieren – oder den Preisanstieg wirkungsvoll bekämpfen? Beides gleichzeitig geht nur schlecht, wie sich gerade in den USA zeigt. Dort hat die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und die Schieflage einiger anderer Institute ein globales Bankenbeben verursacht, welches besonders für die Credit Suisse zur Unzeit kommt.
Der Auslöser: Der energische Kampf gegen die Inflation. Denn viele US-Banken haben das Geld ihrer Kunden in US-Staatsanleihen angelegt. Normalerweise eine sichere Sache. Doch aufgrund der steigenden Zinsen im Kampf haben diese Anleihen an Wert verloren. Muss nun eine Bank wie die SVB plötzlich viele dieser Anleihen verkaufen, weil die Kunden an ihr Geld wollen, ist das Debakel perfekt.
Anleihen in Bankbilanzen sind tickende Zeitbombe
In den USA schlummern über 600 Milliarden Franken an nicht realisierten Verlusten auf Anleihen in den Bankbilanzen – eine tickende Zeitbombe. Denn wenn es die US-Notenbank Fed weiterhin ernst mit der Inflationsbekämpfung meint, muss sie den Leitzins weiter anheben. Womit die Anleihen weiter an Wert verlieren, die nicht realisierten Verluste weiter anwachsen – ein Teufelskreis.
Trotzdem muss die Notenbank etwas tun. «Es gibt keine Finanzstabilität bei negativen Realzinsen», warnt der Ökonom Klaus Wellershoff (59). Solange der Leitzins tiefer ist als die Inflation, bleiben die Realzinsen negativ. Das führt dazu, dass Kredite zu günstig sind, die Wirtschaft heiss läuft und die Preise weiter ansteigen – ein weiterer Teufelskreis.
An der Wall Street keimt die Hoffnung, dass die Fed nun erst mal abwartet und nächste Woche vorerst auf einen weiteren Zinsschritt verzichten könnte, selbst auf einen kleinen von einem viertel Prozentpunkt. «Keine gute Idee», meint Wellershoff. «Denn damit würde die Notenbank signalisieren, dass die Probleme grösser sind als bisher angenommen.»
Preisstabilität wichtiger als Bankenschieflage
Noch einen Schritt weiter geht Adriel Jost (37), ebenfalls Ökonom: «Es wäre für die Glaubwürdigkeit der Fed fatal, wenn sie die Zinsen nicht um einen halben Prozentpunkt anhebt». Und damit ein klares Zeichen setzt, dass ihr die Preisstabilität wichtiger ist als die Schieflage von ein paar Regionalbanken. Oder eine Abschwächung der Konjunktur: «Am liebsten wäre den Notenbankern eine milde Rezession, das würde den Preisauftrieb nachhaltig dämpfen», glaubt Wellershoff.
Was heisst das für die Geldpolitik in Europa und der Schweiz? Als Nächstes ist die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag an der Reihe. Für beide Experten ist klar: «Die EZB wird die Zinsen um einen halben Prozentpunkt anheben müssen.» Denn die Europäer haben die Inflation zu lange ignoriert, hinken den Amerikanern bei den Zinsschritten deutlich hinterher.
Holt die EZB den Zinshammer raus?
Mit Blick auf den Bankensektor kann sich das Europa leisten, denn die meisten grossen Geldhäuser haben eine dickere Kapitaldecke als die US-Regionalbanken. Das gilt selbst für die krisengeschüttelte Schweizer Grossbank Credit Suisse, wie das Management nicht müde wird zu betonen.
Macht die EZB tatsächlich einen grösseren Zinsschritt, schafft das Spielraum für die Schweizerische Nationalbank (SNB). Denn gerade die jüngsten Inflationszahlen brachten für die SNB eine unliebsame Überraschung. Die Preise steigen in der Schweiz stärker, als den Währungshütern lieb sein kann. «Die Nationalbank wird den Leitzins um mindestens einen halben Prozentpunkt anheben», ist Jost überzeugt.
In der Schweiz sind nicht die Banken das Problem, sondern die private Verschuldung. Doch bis private Haushalte ihre Hypothekarzinsen nicht mehr bedienen können oder gar die Immobilienpreise stärker ins Rutschen geraten, könne das noch Jahre dauern, glaubt Jost.