Noch krassere Beispiele als Schilthorn-Beiz
Blick-Leser zahlten sogar 10 Franken pro Liter Hahnenwasser

Die Blick-Leserschaft scheint bereit zu sein, für etwas Leitungswasser im Restaurant einen Unkostenbeitrag zu leisten. Bei der Höhe des Beitrags gehen Anspruch und Realität aber oft weit auseinander.
Publiziert: 28.06.2023 um 16:29 Uhr
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Zwei Drittel der Schweizer Restaurants bieten Leitungswasser gratis an. Bei den anderen variiert der Preis stark.
Foto: Clint McKoy / Unsplash
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Für einen Liter «Mürrenwasser» – das ist letztlich Leitungswasser, das sich aus der Mürrenquelle speist – verlangen die Restaurants der Schilthornbahn AG 8 Franken. Das sorgt für Gesprächsstoff in der Blick-Community. Wie viel darf Leitungswasser im Restaurant kosten?

«10 Franken pro Liter zieht sich durch die Karten», meint eine Leserin. Damit liegt sie nicht ganz falsch: Ein Leserreporter berichtet vom Zürcher Restaurant Bauschänzli, wo ein 3-Deziliter-Glas «Tafelwasser» mit 5 Franken zu Buche steht, der Liter mit zehn Franken. «Tafelwasser» ist in der Regel selbst gezapftes Hahnenwasser, welches im Idealfall noch gefiltert und vielleicht mit Kohlensäure angereichert wird.

Die Qualität unseres Wassers nimmt ab

Ein weiterer Leser hat in der Buschenschenke Chressibuch in Hefenhofen TG zehn Franken für Hahnenwasser bezahlt. Als Blick dies verifizieren will, wird aufgelegt. Ein Leser will im Restaurant Ustria Alpsu auf dem Oberalppass 7.50 für einen Halbliter Hahnenwasser bezahlt haben. Hier kontert die Wirtin, dass der Preis nur 4 Franken betrage und das Hahnenwasser beim Konsum von Speisen, Wein oder Kaffee gratis abgegeben werde.

4000 Prozent Marge?

Letzteres ist eine Praxis, die für viele Blick-Leser akzeptabel ist. Das Problem liegt nicht darin, dass für dargereichtes Leitungswasser etwas verlangt wird. Die Blick-Leserschaft ist sich grösstenteils einig, dass eine Dienstleistung einen Preis haben darf.

Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) empfiehlt, dass zu einem Essen, zu Kaffee oder einem Glas Wein «unaufgefordert kostenlos Trinkwasser serviert» werden soll. Auch die Wasserversorgung Zürich «begrüsst eine kostenlose Abgabe von unserem ausgezeichneten Zürcher Trinkwasser in Restaurants». Dazu liefern sie Zahlen: 1 Liter Trinkwasser aus dem Hahnen kostet demnach nur gerade 0,2 Rappen.

Würde heissen, dass bei einem Preis von 8 Franken für einen Liter eine Marge von fast 4000 Prozent einkalkuliert wird!

Hohe Personalkosten als Grund

Natürlich berechnet ein Restaurant die Kosten für Leitungswasser nicht allein aus dem tiefen Selbstkostenpreis des Wassers. Es kommen Infrastruktur, Personal, Reinigung, Strom- und Heizkosten dazu. Der Branchenverband Gastrosuisse überlässt es den Betrieben, diese Aufwände an den Gast zu verrechnen oder den Service im Sinne der Gästekulanz gratis anzubieten.

Laut Gastrosuisse-Sprecher Patrick Hasler bieten über 90 Prozent der von Gastrosuisse befragten Betriebe Leitungswasser an. 62 Prozent der Betriebe, die Leitungswasser anbieten, verrechnen laut Dachverband nichts dafür. Je rund 8 Prozent stellen den Kunden für Leitungswasser 1 bis 2 respektive 2 bis 3 Franken pro Liter in Rechnung. Höhere Preise pro Liter seien kaum verbreitet – kommen aber doch vor. Vor diesem Kontext scheinen 8 bis 10 Franken sehr teuer zu sein.

Spezielle Bezeichnung als Trick?

Bei knapp einem Viertel der Unternehmen sei das Leitungswasser-Angebot auf der Karte ersichtlich, führt Hasler von Gastrosuisse aus.

Manchmal wird aber auch mit Begriffen operiert, welche die Unterscheidung verwässern. Das Beispiel «Mürrenwasser» bezeichnet eben keine Marke, sondern einen geografischen Begriff für schnödes Leitungswasser. Da Gäste zuerst nicht merken, dass es sich um Leitungswasser handelt, fühlen sie sich später veräppelt.

Eine besonders interessante Lösung gibt es in der Stadt Zürich: das sogenannte «Züriwasser». Wird dieses Leitungswasser in Restaurants serviert, geht ein Franken pro Liter an die Organisation «Drink & Donate». Diese reicht die Erlöse als Spenden weiter für Projekte zur Gewinnung von sauberem Trinkwasser. In Ländern, wo gar kein trinkbares Wasser aus den Hähnen tropft.

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