Blick-Leserreporterin Beatrice T.* (38) ist verärgert. Sie bestellte am Wochenende im Restaurant Allmendhubel in Mürren BE für sich und ihre Familie Leitungswasser zum Essen. Der Preis für die Karaffe: Stolze 8 Franken. «Mürrenwasser» hiess das Hahnenwasser auf der Rechnung.
«Dieser Preis wurde nicht deklariert und ist viel zu hoch», empört sich die Zürcher Oberländerin. Sie wäre bereit gewesen, etwas für Leitungswasser zu bezahlen, wie das anderswo üblich ist. «Hätten wir aber über die 8 Franken Bescheid gewusst, hätten wir etwas anderes bestellt.»
Investitionen treiben den Preis
Christoph Egger (53), Direktor der Schilthornbahn AG, die das Allmendhubel wie auch andere Restaurants vor Ort betreiben, bestätigt auf Nachfrage von Blick den Preis. Dieser werde in allen Restaurants des Unternehmens verlangt.
Egger erklärt: «Das Hahnenwasser kommt nicht einfach so zum Hahnen heraus. Die kommunale Wasserversorgung versorgt nur das Dorf Mürren.» Die Betriebe auf fast 3000 Meter über Meer müssen jeden Liter Trinkwasser in Tanks via Luftseilbahn von Mürren hinauf transportieren. «Dies dauert in der Saison täglich bis zu zwei Stunden», führt Egger aus. Angesichts dieses grossen Aufwands erachtet er es als selbstverständlich, dass auch Wasser nur kostenpflichtig serviert werden kann.
In diesem Sommer baue die Schilthornbahn AG nun für drei Millionen Franken drei Kilometer Leitungen und Reservoirs, um die Betriebe direkt mit Trinkwasser zu versorgen. Das Projekt soll im Herbst 2023 abgeschlossen sein. «Dadurch entfallen die täglichen Transportfahrten und Überstunden für unsere Mitarbeitenden», schliesst Egger. Den Preis habe man schon «sicher seit 7 oder 8 Jahren so auf unseren Speisekarten».
Eine Frage der Kennzeichnung
In diesem Zusammenhang hält der Branchenverband Gastrosuisse fest, dass Gäste über den allfälligen Preis von Hahnenwasser «klar zu informieren» seien und dieses transparent auf der Speisekarte zu deklarieren sei. Weiter müsse Leitungswasser für den Gast deutlich von Mineral- und Quellwasser zu unterscheiden sein.
Mit dem Kunstbegriff «Mürrenwasser» scheint dies nicht gegeben zu sein. «Mürrenwasser ist keine Marke», gibt Egger zu. Das Wasser werde aber in mit «Schilthorn-Piz Gloria» gekennzeichnete Mehrwegflaschen abgefüllt. Auf der Getränkekarte steht das Mürrenwasser direkt neben dem Valserwasser. Für Beatrice T. war dies so nicht als Leitungswasser erkennbar.
Hier gibt's das Mürrenwasser gratis
Ausser im Tessin, wo laut kantonalem Gastgewerbegesetz Leitungswasser gratis zu einer Mahlzeit serviert werden muss, steht es Schweizer Gastrounternehmen frei, für Leitungswasser etwas zu verlangen. Der Preis für das Hahnenwasser wird vor allem durch die Kosten für die Dienstleistung bestimmt. Das rechtfertigt die höheren Preise in den Bergen – und im Fall der Schilthornbahn auch in ihren Gastrobetrieben in Mürren selber. Aber gleich 8 Franken pro Liter?
Dabei gibt es das «Mürrenwasser» im Ort auch gratis. Etwa im Hotel Regina. Dessen Verwaltungsratspräsident Peter Vollmer (77) sagt zu Blick: «Wasser ist im Lauterbrunnental, wie schon der Name des Tales zeigt, ein wesentliches Element.» Deshalb gebe es auf den Esstischen und in den Zimmern gratis «Mirrenwasser» (so heisst das dort), was insbesondere von Familien sehr geschätzt werde.
Allerdings hat das Regina auch andere Beschaffungskosten: Die Quelle des Mürrenwassers ist nur rund 100 Meter vom Hotel entfernt.
*Name der Redaktion bekannt