Neue Trends in der Arbeitswelt
Leidest du unter einem «Shift Shock»?

Phänomene in der Arbeitswelt erhalten heute klingende englische Namen. Doch was bezeichnen sie? Folgende Begriffe sollten Arbeitnehmende kennen.
Publiziert: 06.01.2024 um 10:23 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2024 um 15:01 Uhr
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Wer die Motivation für den Job verliert, aber Angst hat, keinen neuen zu finden und deshalb im Beruf bleibt, leidet an Resenteeism.
Foto: Getty Images
Tina Fischer
Handelszeitung

Seit etwas über einem Jahr erreichen die Arbeitswelt regelmässig neue Trends. Sie finden ihren Ursprung oft in Social-Media-Kanälen wie Tiktok, wo Angestellte von ihrem Alltag erzählen, die Probleme erwähnen und dem Erlebten einen Namen geben – vorzugsweise einen englischen.

Der grösste Trend in dieser Reihe war «Quiet Quitting»: Ende 2022 posteten Junge auf der Plattform, dass sie jetzt nur noch die geforderten Stunden arbeiten und die Extrameile nicht mehr weitergehen – denn nur dafür würden sie bezahlt. Seither folgten viele weitere solcher Trends, darunter «Managing Up» – wie man den Chef führt –, der «Bare Minimum Monday» – im Homeoffice wird montags nur das Minimum geleistet – oder auch «Climate Quitting» – man kündet, weil die Firmenwerte gegenüber den eigenen Werten zu wenig nachhaltig sind.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Diese Phänomene sind an sich nichts Neues, nur deren Name und die Reichweite, die sie auf Social Media generieren. Eine Person, die alle diese Trends kennt, ist Gaby Wasensteiner. Sie ist Karriereexpertin bei Linkedin und berichtet regelmässig über das, was die Arbeitswelt bewegt. Nebst den bereits erwähnten Trends hat sie fünf Weitere zusammengestellt, die Sie zumindest einmal gehört haben sollten:

Career Cushioning

Was ist das? Inflation, Rezession oder Energie und Klimakrise – die heutigen Herausforderungen treffen viele Angestellte. Entsprechend unsicher sind sie in ihrer aktuellen Position. Die Reaktion: das Career-Cushioning-Phänomen. «Dabei geht es im Wesentlichen darum, sich durch einen Plan B abzusichern – entweder weil man befürchtet, gekündigt zu werden, oder weil man in Erwägung zieht, den eigenen Job kurzfristig zu kündigen», erklärt Wasensteiner. Man will also die eigene Karriere analog einer Skirennstrecke auspolstern, sodass, wenn ein Sturz folgt, man weich landet.

Das heisst nicht, dass man ständig in Bewerbungsgesprächen sitzt: «Career Cushioning kann beispielsweise so aussehen, dass man den eigenen Lebenslauf oder das Linkedin-Profil aktualisiert, das Netzwerk pflegt oder erweitert – dadurch können sich ohne viel Aufwand neue, spannende Optionen ergeben. Und diese in der Hinterhand zu haben, gibt ein gutes Gefühl.» Es besteht die Gefahr, dass Career Cushioners in ihrer aktuellen Rolle unzufrieden werden, da sie sich ständig nach neuen Rollen umsehen oder immer alle Türen offen halten. Grundsätzlich soll aber Career Cushioning helfen, im Ernstfall vorbereitet zu sein und die negativen Folgen einer Kündigung abzuschwächen.

Was hilft? Wer seine eigene Karriere absichern möchte, dem helfen laut der Expertin vier Schritte: das Netzwerk nutzen, indem man mit ihm in Kontakt steht und es regelmässig erweitert. Sich weiterbilden: sich fragen, welche Fähigkeiten man lernen möchte und damit starten. Und das eigene Linkedin-Profil aktualisieren, denn die Personalsuche verschiebt sich immer mehr auf die Businessplattform.

Resenteeism

Was ist das? Ein weiteres Phänomen, das mit den unsicheren Zeiten zusammenhängt, ist Resenteeism. Die davon betroffenen Menschen sind unzufrieden in ihrem Job – aber sie glauben, dass sie sich eine Kündigung nicht leisten können. Da die Zeiten unsicher sind, fürchten sie, weder intern noch extern bessere Jobaussichten zu haben. Entsprechend bleiben sie an Ort und Stelle, jedoch unmotiviert. Resenteeism ist ein Wortspiel aus dem englischen «Presenteeism», Präsentismus, und «to resent», etwas ungern tun. «Arbeitnehmende sind vorsichtig und entscheiden sich, in einem Job zu bleiben, der ihnen Sicherheit und Stabilität bietet, auch wenn sie nicht glücklich dabei sind», sagt Gaby Wasensteiner.

Was hilft? Gegen Resenteeism hilft eine offene Kommunikation gegenüber dem Arbeitgeber. Vor welchen Problemen und Herausforderungen steht man, und was wünscht man sich? Eine offene Kommunikation sowie klare Vorstellungen können dazu beitragen, eine bessere Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen des Jobs und wieder mehr Freude darin zu finden.

Resenteeism ist aber auch ein Zeichen von Unterforderung. Es ist demnach an der Zeit, neue Herausforderungen zu suchen. Sei das intern oder extern – denn wer etwas Neues ausprobiert, ist beschäftigt und oftmals motivierter. Und falls der Schritt zu einem Jobwechsel erfolgt, dann gilt es, den eigenen Wertekompass zu definieren. Denn wenn dieser auch bei der nächsten Arbeitsstelle nicht im Vordergrund steht, macht auch ein Jobwechsel keine Freude.

Shift Shock

Was ist das? Folgt ein Jobwechsel, kann dieser möglicherweise einen Shift Shock auslösen. Denn ein Jobwechsel mag einen Gehaltssprung mit sich bringen – er bringt jedoch auch neue Aufgaben, ein neues Umfeld und neue Kollegen und Kolleginnen. Klaffen Realität und Erwartungen an diese neue Umgebung auseinander, dann entsteht der Shift Shock. Dieser kann gar so weit gehen, dass die Person die Entscheidung, den Job gewechselt zu haben, bereut.

Was hilft? «Um sich bestmöglich auf einen Jobwechsel vorzubereiten und einen Shift Shock zu verhindern, ist Transparenz während des Vorstellungsgesprächs wichtig – das gilt sowohl für den potenziellen neuen Arbeitgeber als auch für die Bewerberinnen und Bewerber», sagt Wasensteiner. Zudem empfiehlt es sich, bereits im Bewerbungsverfahren Angestellte miteinzubeziehen. «Besuchstage» geben dabei den besten Einblick – für beide Seiten. Wer einen Berufswechsel in Betracht zieht, sollte so viele Fragen stellen wie möglich. So klären sich die Erwartungen beider Seiten. Ausserdem gilt: sich genügend Zeit lassen. Ein Jobwechsel bringt viele Veränderungen mit sich, entsprechend soll er wohlüberlegt sein. Man sollte sich aber auch beim Start an der neuen Arbeitsstelle Zeit lassen; drei bis sechs Monate sind laut Wasensteiner empfehlenswert, um einen richtigen Einblick zu erhalten.

Loud Laborer

Was ist das? Wir alle kennen sie, die Kolleginnen und Kollegen, die laut über ihre Arbeit reden, statt sie tatsächlich zu erledigen. Sie erzählen von ihren Leistungen und stellen zur Schau, was sie alles erreicht haben – in Wirklichkeit aber geht die Zusammenarbeit mit ihnen nur schleppend voran. Das nervt, vor allem wenn sie zu einem Arbeitsumfeld beitragen, in dem Sichtbarkeit und Eigenwerbung wichtiger sind als die eigentlichen Ergebnisse.

Laut Gaby Wasensteiner müssen Loud Laborers jedoch nicht zwangsläufig Nervensägen sein: «Eher zurückhaltende Mitarbeitende können sich zu einem Teil von ihnen inspirieren lassen: Oft konzentrieren wir uns auf unsere Fehler, dabei sollten wir vielmehr unsere Erfolge öfter feiern – egal, wie klein oder gross sie sind.»

Was hilft? Zur Zusammenarbeit mit Loud Laborers sagt sie: «Alle arbeiten anders.» Gerade als Führungskraft gilt es, die unterschiedlichen Arbeitsstile der Teammitglieder zu verstehen und die laut präsentierten Ergebnisse der Loud Laborers zu hinterfragen. Gleichzeitig sollen sich die anderen Mitarbeitenden von den Loud Laborers nicht einschüchtern lassen; Wasensteiner empfiehlt den eher ruhigen Angestellten, ihre Leistung auch selber einmal hervorzuheben und ihre Erfolge zu feiern.

Social Loafing

Was ist das? Nebst den Loud Laborers gibt es noch diejenigen, die bei Projekten nur halbherzig mitmachen, Fristen nicht einhalten oder stets unvorbereitet am Termin erscheinen. Der Anglizismus dafür ist «Social Loafing» – zu Deutsch «soziales Faulenzen». Das führt zu Konflikten in Teams: Man meckert über den anderen, der weniger mitmacht.

Doch warum? «Es gibt viele Gründe, die zu Social Loafing führen können – meistens ist der Hauptgrund dafür gar nicht, dass jemand schlichtweg weniger arbeiten möchte oder faul ist», erklärt die Karriereexpertin. Sondern ein entscheidender Grund kann sein, dass die Person den Eindruck hat, ihre Arbeit werde nicht wertgeschätzt oder anerkannt, oder dass sie sich unterqualifiziert oder nicht erfahren genug fühlt, um einen wertvollen Beitrag zu leisten. «Auch das Gefühl der Überforderung oder ein Burnout kann zu Social Loafing führen.»

Was hilft? Klar definierte Rollen sowie eine geklärte Erwartungshaltung verringern die Problematik. Im Team helfen regelmässige, offene Gespräche sowie das Setzen von Grenzen. Unterstützend wirken zudem ein Zeitmanagement sowie To-do-Listen, damit nachvollziehbar ist, wer für welche Aufgaben zuständig ist und in welchem zeitlichen Rahmen.

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