Vielleicht ist es ganz gut, dass wir dereinst länger arbeiten müssen. Denn so haben wir mehr Zeit, uns um die finanzielle Situation nach der Pensionierung zu kümmern. Eine Umfrage im Auftrag von Raiffeisen, die Blick exklusiv vorliegt, zeigt, dass es diesbezüglich viele Wissenslücken und entsprechenden Handlungsbedarf gibt. Eine gut geplante Pensionierung erlaubt ein finanziell sorgenfreies Leben im Alter.
Wenig erstaunlich: Je jünger die Menschen sind, desto grösser die Wissenslücken. Doch auch bei Älteren fehlt es kurz vor der Pensionierung oft an Detailkenntnissen. So ist gemäss der Studie nur jede fünfte nicht-pensionierte Person über 60 gut auf den Ruhestand vorbereitet.
Das sind die grössten Wissenslücken:
AHV
Gut ein Drittel der unter 30-Jährigen weiss nicht, dass nach dem 20. Geburtstag auch AHV-pflichtig ist, wer nicht arbeitet, wie zum Beispiel Personen in Ausbildung. Fehlende Beiträge können nur während fünf Jahren nachgezahlt werden. Wer das verpasst, riskiert Beitragslücken – und damit eine tiefere Rente.
Vorsorge und Pensionierung
Pensionskasse
Gross ist das Unwissen über die genaue Berechnung der PK-Rente – selbst bei Menschen, die nur noch wenige Jahre arbeiten müssen. Ebenfalls nicht allen bekannt: Das angesparte Geld in der 2. Säule gehört zum eigenen Vermögen.
Säule 3a
Hier ist das Detailwissen am geringsten, obwohl über drei Viertel der Menschen in der Schweiz im letzten Jahr über ein Säule-3a-Konto verfügten. Zwar kann man in der 3. Säule keine verpassten Einzahlungen nachholen, dafür aber bei einer Weiterbeschäftigung über das Rentenalter hinaus weiterhin steuerlich privilegiert Geld einzahlen.
Eine weitere Erkenntnis der Studie: Viele möchten vor 65 Jahren in Pension gehen, allerdings setzen die wenigsten diese Pläne auch wirklich um. «Keine Überraschung», sagt Jürg Portmann (43), Risiko- und Versicherungsexperte an der ZHAW in Winterthur ZH. «Viele Menschen träumen von der Frühpensionierung. Wenn sie sich aber damit beschäftigen, wird meist offensichtlich: Das wird finanziell sehr knapp.» Das Problem: Rund ein Drittel der PK-Gelder wird zwischen 58 und 65 Jahren angespart. Wer früher in Rente geht, muss auf diesen Zuwachs verzichten.
Rund um das Thema Vorsorge macht sich Skepsis breit: «Nicht-Pensionierte schätzen ihre künftige finanzielle Lage schlechter ein als die der heutigen Pensionierten», sagt Andrea Klein (53), Leiterin Fachzentrum Finanzplanung bei Raiffeisen Schweiz. Konkret: Gemäss Umfrage gehen die meisten davon aus, dass sie im Alter monatlich rund 4000 Franken aus der ersten und zweiten Säule erhalten werden. Tatsächlich erhalten die befragten Rentnerinnen und Rentner heute aber im Schnitt 4900 Franken pro Monat.
Deshalb ist es wichtig, dass die Pensionierung von langer Hand geplant wird. Dabei lassen sich drei Phasen unterscheiden und einige Leitfragen formulieren:
45 bis 49 Jahre: Träumen
Wie soll mein Leben nach der Rente aussehen? Wie will ich wohnen? Kann ich mir eine Frührente leisten? Habe ich Beitragslücken in der PK? Schöpfe ich den Maximalbetrag für die Säule 3a aus?
50 bis 59 Jahre: Konkretisieren
Wann genau will ich in Rente gehen. Wie kann ich allfällige Lücken in der PK schliessen? Will ich eine Rente oder lieber das Kapital beziehen?
60 bis 65 Jahre: Entscheiden
Jetzt müssen die Fragen beantwortet werden: Rente, Kapital oder eine Mischform? Wie hoch sind meine Einnahmen und Ausgaben. Welches Geld benötige ich gleich nach der Pensionierung, wie viel Vermögen kann ich noch länger anlegen?
Auch wenn viele das Thema Vorsorge verdrängen, spätestens ab Mitte 40 lohnt es sich, ab und zu intensiver darüber nachzudenken und sich das nötige Wissen zu beschaffen.