Nationalräte gegen Post
So soll Präsident Levrat den Staatsbetrieb neu ausrichten

Der Post-Präsident sucht einen neuen Chef, der den Expansionskurs weiterführt. Kritiker im Parlament fordern einen sofortigen Stopp. Was macht Post-Präsident Christian Levrat?
Publiziert: 02.02.2025 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2025 um 20:06 Uhr
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Nach dem Abgang von Post-Chef Roberto Cirillo: Hat Post-Präsident Christian Levrat (Bild) ab Frühling freie Hand für die viel kritisierte Strategie des gelben Riesen?
Foto: Keystone/Anthony Anex

Auf einen Blick

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Andreas Valda und Bernhard Fischer
Handelszeitung

4 Milliarden Franken in die «Post von morgen» investieren – das war das erklärte Ziel von Noch-Post-Chef Roberto Cirillo vor vier Jahren. Offiziell wollte er «vorwiegend in die Logistik und den Kommunikationsbereich» Geld stecken.

Was dann passiert ist: Ein Teil des Geldes, rund 2 Milliarden Franken, fliesst in neue Paketzentren und in die E-Mobilität. Der andere Teil, man weiss nicht genau wie viel, fliesst in den Kauf Dutzender Firmen mit zum Teil geschäftsfernen Zwecken. Der Sinn dahinter: schwindende Umsätze und Erträge aus dem postalischen Hauptgeschäft mit Erträgen aus der Privatwirtschaft zu kompensieren, darunter mit Bürosoftware, Einkaufsplattformen, Aussenwerbung oder Medizinalreinigung.

Die Jagd auf Firmen erinnert entfernt an die «Hunter»-Strategie der Swissair-Group, bevor sie 2001 Konkurs ging. Das Vorgehen beschleunigte sich unter Post-Konzernchef Cirillo, der vor sechs Jahren angetreten war, um die Post neu auszurichten. Jetzt tritt er per Ende März ab. Gerüchteweise deshalb, weil er das Heu nicht auf der gleichen Bühne hat wie Verwaltungsratspräsident Christian Levrat.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Ungleich lange Spiesse

Dabei hat Levrat all die Zukäufe grosszügig durchgewinkt. Bis dato konnte die Post die Akquisitionen auch problemlos stemmen. Nicht zuletzt deshalb, weil die bundeseigene Post das Kapital dafür einfach und günstig beschaffen kann. Dies zeigen laufende Anleihen, mittels derer sich die Post auf dem Markt Geld zu rekordtiefen Zinsen holen kann. Sie zahlt 0,7 bis 1,3 Prozent Zinsen pro Jahr – das sind Konditionen, von denen die allermeisten Privatinvestoren nur träumen können. Damit verzerrte die Post aber den Wettbewerb auf ungebührliche Weise, wie unternehmernahe Kreise im Parlament monieren.

Christian Levrat (rechts) hat die Zukäufe von Roberto Cirillo (links) grosszügig durchgewinkt.
Foto: keystone-sda.ch

Entsprechend heftig ist der Protest im Parlament gegen die Strategie der Post, wie ein Staubsauger Firmen zuzukaufen. In fünf Jahren sind mindestens 15 Vorstösse eingereicht worden, die den Bundesrat als Eignervertreter auffordern, die Post in die Schranken ihres Hauptgeschäfts zu weisen. Einige darunter sind bindend. Der Bundesrat muss sie umsetzen, ignoriert jedoch die Kritik: Am Mittwoch hat er die harsch kritisierte Post-Strategie für weitere vier Jahre durchgewinkt.

Das freut den Verwaltungsrat. Dem Vernehmen nach will Präsident Levrat auch den Nachfolger für Cirillo schon bald bestimmen. An der Strategie soll sich nichts ändern. Dies geht aus der Stellungnahme der Pressestelle hervor. «Grundlage für die Tätigkeiten der Post bilden die Postgesetzgebung und die strategischen Ziele des Bundesrats», sagt ein Sprecher. Die «Hunter»-Strategie rechtfertigt er so: Die Akquisitionen würden den Zielen des Bundesrates entsprechen. «Die Auswahl von Unternehmen erfolgt gezielt und entlang strategisch definierter Kriterien.» Was er nicht erwähnt: Das Parlament will die Weiter-wie-bisher-Strategie um jeden Preis verhindern.

Subventionen für die Grundversorgung

Eine Gruppe von Nationalräten will Levrat stoppen. Dazu zählen Thomas Rechsteiner (Mitte-Partei, Appenzell), Jürg Grossen (Präsident der Grünliberalen) und Lars Guggisberg (Berner Gewerbepolitiker und SVP-Nationalrat).

Sie waren bereits erfolgreich mit Vorstössen im Parlament, allen voran Rechsteiner. Seine Analyse lautet: «Das Kerngeschäft ist defizitär. Dafür sucht die Post händeringend nach Alternativen und dringt immer mehr in Bereiche vor, die nicht zu ihrem Leistungsauftrag gehören.» Mit einem Chefwechsel ohne Strategieänderung werde sich nichts ändern. «Jetzt muss der Verwaltungsrat über die Bücher», sagt Rechtsteiner.

Unternehmer und Parteipräsident Grossen unterstützt ihn zu 100 Prozent: «Vor der Neubesetzung des CEO-Postens soll der VR seine Strategie neu justieren und dann einen passenden CEO ernennen.» Lars Guggisberg, der Geschäftsführer der Berner KMU, sieht das genauso. Die drei Politiker fordern Christian Levrat jetzt dazu auf, die Strategie zu ändern, bevor er einen Konzernchef ernennt. Und sie haben einen Vorschlag für die Zukunft.

Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen will, dass die Post zuerst die Strategie anpasst, bevor sie einen neuen Chef beruft.
Foto: keystone-sda.ch

Die Alternative könnte laut Rechsteiner so aussehen: «Die Post erhält eine Abgeltung für die postalische Grundversorgung. Dafür entfällt der Druck, immer mehr Geschäfte in die Privatwirtschaft zu verlagern und die KMU zu konkurrenzieren sowie dort Firmen aufzukaufen.» Ähnlich formuliert es Grossen. Er fordert «das sofortige Ende des Zukaufs von Firmen der Privatwirtschaft, das Ende der Expansion in postfremde Märkte beziehungsweise Branchen, wo der freie Wettbewerb spielt».

Dafür sollen die Verluste aus der Grundversorgung entschädigt werden. Im Detail: «Die Post soll den postalischen Grundversorgungsauftrag abtrennen, den Auftrag gemäss den politischen Forderungen neu definieren und die Kosten der Abgeltung nennen.» Diese Kosten solle «der Staat finanzieren». Gewerbevertreter Guggisberg fordert Levrat dazu auf, die Vorschläge Rechsteiners und Grossens zu diskutieren.

Viele Firmen fern des Kerngeschäfts

Um den harschen Widerstand zu verstehen, muss man etwas ausholen. Cirillo war 2018 mit dem Ziel angetreten, den gelben Riesen auf wirtschaftlich gesunde Beine zu stellen. Mit Brief und Päckli alleine ist die Eigenwirtschaftlichkeit im schrumpfenden Hauptgeschäft nicht erreichbar.

Der McKinsey-Mann Cirillo tat das, worin er trainiert war: das Maximum fürs Unternehmen herauszuholen. Die Ausdehnung in weitere Geschäftsbereiche schien daher bestechend. Was bisher nicht zum Post-Geschäft gehörte, wurde durch jeden Erweiterungszukauf legitimiert, weil ein neuer Bereich dann zum Kerngeschäft der Post erklärt wird. So ein Fall ist das Unternehmen Klara, auf Lohn- und Buchhaltungssoftware spezialisiert, mit 130 Mitarbeitern zum Zeitpunkt der Übernahme. Insider sagen, die Post habe die Firma massiv über dem Marktpreis gekauft. Die Post hält sich hier bedeckt. Im Portfolio figuriert Klara mittlerweile unter «ePost».

Mit dem Päcklitransport verdient die Post nicht genug Geld, um wirtschaftlich zu sein.
Foto: Thomas Meier

Wie weit entfernt vom Grundversorgungsauftrag Levrat Firmen zukaufen lässt, zeigen folgende Beispiele. Die Plattform «Bring!» bietet eine Einkaufslisten-App und gehört zu den grössten Shopping-Plattformen Europas. Noch schwieriger als Post-Geschäft zu taxieren ist die Firma Steriplus. Sie sterilisiert Skalpelle, OP-Scheren und Wundklammern für Arztpraxen, Dentalkliniken und Operationszentren. Ähnlich verhält es sich mit der Firma Evercam. Sie installiert Kameras zur Überwachung von Baustellen, um beispielsweise einen effizienten Abtransport von Bauschutt durch Lastwagen zu organisieren. Zu den Kunden gehören der britische Erdölriese Shell und der französische Bauriese Bouygues. Cirillos Begründung: Man wolle neues Know-how zur Post bringen.

So geht es weiter: Das Unternehmen Beekeeper verkauft ein Tool für Dienst- und Schichtarbeitspläne. Die Firma Seenons erstellt Kreislauflösungen in der Abfallwirtschaft in den Niederlanden und Belgien. Die Post kaufte auch Roboter in den USA für die Logistik in Spitälern ein: Vier Roboter verteilen nachts medizinisches Verbrauchsmaterial auf 34 Stockwerke des Triemli-Spitals in Zürich zur Entlastung des medizinischen Personals. Diese und weitere Firmen kosteten seit 2021 geschätzt gegen 2 Milliarden Franken.

Ratlos wegen Bundesrat Rösti

Bürgerliche äussern Unverständnis, dass der verantwortliche Bundesrat Albert Rösti nicht eingreift. Vergangenen September gab es eine Aussprache zwischen den Konzernchefs der Staatsbetriebe und ihren Kritikern. Rösti moderierte, mehr aber nicht.

Bundesrat Albert Rösti erntet Kritik, weil er bei der Post nicht eingreift.
Foto: KEYSTONE/Alessandro della Valle

Weil der Bundesrat nichts tut, hat das Parlament das Heft in die Hand genommen. Eine Subkommission der Wirtschaftskommission des Nationalrats definiert bis im Spätsommer neue Regeln, die sie dann mit dem Mittel der parlamentarischen Initiative durchsetzen will. «Eine der Varianten wird sein, die Post auf die Grundversorgung zu beschränken und alle anderen Firmen zu privatisieren», sagt Grossen, der Urheber der Initiative. Cirillos Einkaufstour könnte damit bald ein Ende finden.

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