Das Thema Einkaufstourismus ist ein heisses Eisen. Die Zoll- und Rückerstattungsformalitäten sowieso. Wenn es nach den Schweizer Detailhändlern geht, wird es Schweizerinnen und Schweizern viel zu leicht gemacht, Waren zu Tiefstpreisen ins Alpenland einzuführen. Jetzt macht auch noch Italien das Shoppen im Euroland attraktiver. Blick zeigt auf, warum die Wellen gerade wieder hochschlagen.
Was ist am Donnerstag passiert?
Am Donnerstag hat Italien die Schwelle für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer in Italien gesenkt. Die sogenannte Bagatellgrenze liegt neu bei 70 Euro. Zuvor waren es 155 Euro. Somit erhalten Schweizer Einkaufstouristen, in der Mehrheit wohl die Tessiner Bevölkerung, bei ihrer Rückkehr in die Schweiz bereits ab einem Gesamteinkauf von 70 Euro die italienische Mehrwertsteuer zurück.
Welche Mehrwertsteuersätze kommen zur Anwendung?
Italien kennt mehrere Mehrwertsteuersätze: Im Normalfall beträgt dieser 22 Prozent. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz liegt bei 10 Prozent (bestimmte Nahrungs- und Arzneimittel, Theaterkarten etc.). Für Grundnahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte gilt ein stark ermässigter Satz von 4 Prozent. Die Mehrwertsteuersätze für Damenhygieneprodukte und Kinderpflegeprodukte wie Babywindeln sind per Jahresbeginn von 5 auf 10 Prozent erhöht worden.
Warum sind Schweizer Detailhändler so wütend?
«Die Schweiz muss Kontra geben», fordert die Swiss Retail Federation. Dem Dachverband der Schweizer Ladenbetreiber (ohne die Grossverteiler) ist es ein Dorn im Auge, dass «Italien Einkaufstouristen mit einer erleichterten Mehrwertsteuer-Rückerstattung lockt». Was Einkaufstouristen in italienischen Kassen lassen, fehlt den hiesigen Gewerbetreibenden an Umsatz. Laut den Detailhändlern entgeht dem Bund «rund 10 Milliarden Franken jährlich an Mehrwertsteuer-Steuersubstrat». Der Tessiner Detailhändlerverband schlägt Alarm: Die «kontinuierliche Erosion der Umsatzzahlen» gefährde ernsthaft das Überleben zahlreicher Unternehmen und damit auch den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Was fordern die Schweizer Detailhändler?
Der Anreiz zum Shoppen in Italien wächst mit der Halbierung der Bagatellgrenze. Das ist unbestritten. Schluss mit der «doppelten Bevorteilung» von Auslandseinkäufern gegenüber den inländischen Konsumenten, fordert die Swiss Retail Federation. Sie sieht nur eine Lösung: eine Senkung der Wertfreigrenze von derzeit 300 auf 50 Franken.
Was bedeutet eine Senkung der Wertfreigrenze für die Shopper?
Wer in der Schweiz wohnt und jenseits der Grenze einkauft, kann derzeit Waren im Wert von 300 Franken zollfrei einführen. Einkaufstouristen sparen also massiv. Der Bund prüft derzeit Massnahmen, um den Einkaufstourismus zu dämpfen. Künftig sollen Schweizerinnen und Schweizer nur noch Waren im Wert von 150 Franken statt für 300 Franken zollfrei einführen können.
Welche Bagatellgrenzen gelten in anderen Nachbarländern?
Italien gleicht sich anderen Nachbarländern der Schweiz an, die bereits seit längerem tiefere Schwellen der Mehrwertsteuer-Rückerstattung kennen. Einkaufstouristen in Deutschland erhalten bei ihrer Rückkehr bereits ab 50 Euro Geld zurück. In Österreich liegt die Schwelle bei 75 Euro. In Frankreich liegt diese allerdings noch höher bei 175 Euro.