Auf einen Blick
- Thomas Jordan verlässt die SNB nach 12 Jahren
- Bekannt für seine rigorose Kontrolle privater Finanzgeschäfte
- Notspritze von 50 Milliarden Franken für Credit Suisse
Eines kann man über die zwölfjährige Amtszeit von Thomas Jordan (61) der Spitze der einst so verstaubten Schweizerischen Nationalbank nicht sagen: Dass sie langweilig gewesen wäre. Bereits sein Amtsantritt war die Folge einer Affäre. Am Schluss stand der Untergang der Grossbank Credit Suisse.
Der Mann mit der Statur eines Bärs mit grossen Pranken war der Richtige für die turbulenten Ereignisse in seiner Amtszeit: Ein Grosser – im wahrsten Sinne des Wortes, der die grossen Probleme im Griff hatte. Sein Spitzname in Zentralbankenkreisen lautete «Big Thomas».
Seinen Weg an die Spitze der SNB ebnete eine Devisenaffäre: Jordans Vorgänger Philipp Hildebrand stolperte 2012 über die Dollarkäufe seiner damaligen Ehefrau.
Diese hatte nur wenige Wochen vor der überraschenden Einführung des Euro-Mindestkurses am 6. September 2011 durch die SNB Devisen in Höhe von rund einer halben Million US-Dollar gekauft, die sich nach der geldpolitischen Massnahme markant aufwerteten. Laut Philipp Hildebrand geschah dies ohne sein Wissen. Juristisch blieben die Vorkommnisse für ihn folgenlos, er musste aber gehen und so wurde der Weg frei für Jordan.
Der bodenständige Jordan
Der Kontrast war gross: Auf den Liebling der Klatschmagazine Hildebrand, der sich im Scheinwerferlicht sonnte, folgte der bodenständige Jordan, der nie überheblich und im Umgang mit allen freundlich ist.
Nicht nur in der Erscheinung, sondern auch im Handeln unterschied er sich diametral von Hildebrand: Die SNB zog ihre Lehren aus der Devisenaffäre, die Ende 2011 und Anfang 2012 in der Schweiz hohe Wellen schlug. Der neue SNB-Lenker Jordan verschärfte im Frühling 2012 die Kontrolle über private Finanzgeschäfte seiner Mitarbeiter rigoros. Es solle nicht einmal mehr im Ansatz zu solchen Problemen kommen können, erklärte Thomas Jordan damals.
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Seine Zeit an der Spitze der Nationalbank fiel in eine Periode mit aussergewöhnlich vielen Herausforderungen. Unter Jordan musste die SNB weitreichende geldpolitische Schritte ergreifen, um in den Zeiten wirtschaftlicher Verwerfungen die Preisstabilität und die Finanzstabilität zu erhalten.
Im Kampf um die Verteidigung des Euro-Mindestkurses von 1.20 Franken häufte die Nationalbank einen riesigen Devisenberg an. Diese Politik liess sich nach mehreren Jahren aber nicht mehr durchhalten.
Frankenschock war ein harter Schlag
So sorgte Jordan am 15. Januar 2015 für einen Paukenschlag, als die SNB völlig überraschend den Mindestkurs wieder aufhob. Dies liess den Franken augenblicklich in die Höhe schnellen und sorgte für massive Ausschläge im Devisenhandel.
Für die Schweizer Exportindustrie war der Frankenschock ein harter Schlag: Auf einmal waren die Schweizer Preise im Ausland um 20 Prozent teurer, die Produkte viel weniger konkurrenzfähig. Auch der hiesige Tourismus stöhnte: Die Schweiz wurde durch den starken Franken endgültig zur Hochpreisinsel, was für einen markanten Rückgang der Gäste aus dem Ausland sorgte.
Auf der anderen Seite freuten sich die Einkaufstouristen, die in Scharen im grenznahen Ausland auf Schnäppchenjagd gingen. Immerhin konnte die Nationalbank mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses die Kontrolle über ihre Geldpolitik behalten.
Erneut an vorderster Front stand Jordan in der Coronapandemie, welche die Wirtschaft weltweit zum Absturz brachte. Mit milliardenschweren Hilfspaketen griffen Bund und Nationalbank den in Not geratenen Schweizer Unternehmen unter die Arme.
Nach dem Ende der Pandemie schnellte die Nachfrage massiv in die Höhe. Der Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine heizte die Inflation an wie ein Brandbeschleuniger: Strom, Gas, Benzin, Rohstoffe, Lebensmittel – alles wurde knapp und massiv teurer.
Gegen politische Begehrlichkeiten verteidigt
Hier warf sich Jordan als Ritter für die Preisstabilität in die Schlacht: Die SNB setzte die Deviseninterventionen aus, was zur Aufwertung des Frankens führte und die Inflation der Importgüter bremste. Damit drehte sich die Preisspirale in der Schweiz viel langsamer als im Ausland, wo die Preise zweistellig in die Höhe schnellten.
Deshalb musste die SNB auch die Leitzinsen nicht so stark erhöhen wie ausländische Zentralbanken, was für Erleichterung bei Hypothekarbesitzern und der Immobilienbranche sorgte. Auch bei der Zinswende war Jordan wieder der Vorreiter. Im vergangenen März senkte die SNB ihren Leitzins vor allen anderen grossen Notenbanken um einen Viertelprozent und seither noch zweimal. Nach einhelliger Meinung von Experten hatte Jordan die Preisstabilität im Griff.
Beharrlich verteidigte der Bieler die SNB auch gegen politische Begehrlichkeiten: Politiker aller Couleur überboten sich immer wieder mit Forderungen, wozu der Devisenberg der SNB alles ausgegeben werden könnte. Und Aktivisten verlangten von der Nationalbank die Berücksichtigung von klimapolitischen Zielen bei ihrer Anlagepolitik. Doch Jordan blieb hart und verwies auf den gesetzlichen Auftrag der SNB zur Wahrung der Preisstabilität.
So zupackend der ehemalige Wasserballer bis dahin bei allen Krisen war, beim Untergang der Credit Suisse hinterliess er einen blassen Eindruck. Die Talfahrt der Grossbank, die seit Herbst 2022 von Kunden überrannt wurde, die ihre Gelder abzogen, konnten weder die Aufsichtsbehörden SNB und Finanzmarktaufsicht Finma noch das Finanzministerium stoppen.
Notspritze von 50 Milliarden Franken
Die letzte Notspritze von 50 Milliarden Franken Mitte März 2023 verpuffte wirkungslos: Drei Tage später, am 19. März, mussten Bundesrat, SNB und Finma die Übernahme der CS durch die UBS per Notrecht verkünden. Auf die Frage, warum die SNB der taumelnden CS nicht früher mit 50 Milliarden unter die Arme gegriffen habe, sagte Jordan, das hätte die Unruhe zusätzlich geschürt und das Vertrauen in die CS weiter beschädigt. Überzeugend ist das Argument nicht.
Jordan geht nun vor dem Erscheinen des Berichts der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Untergang der CS. Damit kann er verhindern, dass sein Abgang mit dem auf Ende Jahr erwarteten Bericht in Zusammenhang gebracht wird, falls im Bericht allenfalls belastendes Material in Bezug auf die Rolle der SNB beim Untergang der CS enthalten ist.
Zudem macht Jordan den Weg frei für seinen Zögling Martin Schlegel, der Mitte 2022 direkt auf Jordans Wunsch zu seinem Vize befördert wurde. Dabei wurde die Nummer 3 im Direktorium, Andréa Maechler, übergangen. Sie verliess in der Folge die SNB.
Schlegel wurde im Juni vom Bundesrat zum Nachfolger von Jordan ernannt. Auch wenn einige Experten Schlegel für zu jung halten: Mit 47 Jahren ist er nur wenig jünger als Jordan bei seiner Wahl mit 49.