Die wichtigsten Punkte
- Die Nationalbank senkt den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1 Prozent. Der Entscheid wurde von Beobachtern erwartet.
- SNB-Chef Thomas Jordan stellt weitere Zinssenkungen in Aussicht: «In den nächsten Quartalen können weitere Zinssenkungen erforderlich werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten.»
- Die SNB sieht die Aussichten für die Schweiz in den kommenden Monaten aufgrund der Aufwertung des Franken etwas durchzogen und rechnet mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie einem BIP-Wachstum von rund 1 Prozent für das laufende Jahr.
- Für den Immobilienmarkt hat die Zinssenkung zwei Effekte, sagt Jordans Nachfolger Martin Schlegel. «Das Risiko einer Korrektur ist kurzfristig kleiner geworden, aber langfristig, wenn die Preise weiter steigen, könnte die Verwundbarkeit auf dem Immobilienmarkt weiter zunehmen.»
- Jordan spricht über seinen Abgang – nach zwölf Jahren an der Spitze der SNB: «Am Montag werde ich die Schlüssel zu meinem Büro übergeben.»
- Zum Schluss der Pressekonferenz wird er von Nachfolger Schlegel überrascht. «Thomas, deine Liste der Verdienste für die Nationalbank und für dieses Land sind sehr lang. Über all die Jahre hast du dich für eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes eingesetzt.» Jordan ist sichtlich gerührt, antwortet: «Ich weiss gar nicht recht, was ich sagen soll. Danke für diese netten Worte.»
Nachfolger Schlegel überrascht sichtlich gerührten Thomas Jordan
Thomas Jordan wollte die Pressekonferenz schon abmoderieren und beenden, da ergreift sein Nachfolger Martin Schlegel nochmals das Wort: «Heute ist etwas Besonderes, es ist fast eine Zäsur», sagt er direkt an Jordan gerichtet. «Thomas, das ist dein 42. Mediengespräch. Du hast zum 42. Mal heute die Frage nach dem nächsten Zinsschritt geduldig beantwortet.»
Weiter: «Thomas, deine Liste der Verdienste für die Nationalbank und dieses Land ist sehr lang. Über all die Jahre hast du dich für eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes eingesetzt. Wir schätzen dich als klugen Ökonomen, aber natürlich auch als sehr guten Kollegen.»
Jordan ist sichtlich gerührt: «Ich weiss gar nicht recht, wie ich darauf reagieren soll. Danke für diese netten Worte.» Er wünscht seinem Nachfolger Schlegel alles Gute. «Für mich war es ein grosses Privileg und eine grosse Ehre. Vielen Dank!» Und zum Schluss gibts sogar noch einen grossen Applaus im Saal – unter anderem auch von den versammelten Journalisten.
Jordan spricht über seinen Abgang
Nach zwölf Jahren an der Spitze der Nationalbank ist für Thomas Jordan nächste Woche Schluss. Er wird gefragt, wie die Übergabe ablaufen wird. «Am Montag werde ich die Schlüssel zu meinem Büro übergeben. Martin Schlegel wird dann die Verantwortung übernehmen», antwortet er. Sie hätten in den letzten Monaten «intensiv» miteinander gesprochen. «Die Übergabe wird gut über die Bühne gehen», ist sich Jordan sicher und lächelt.
Martin Schlegel ist ebenfalls zuversichtlich: «Ich bin seit über 20 Jahren bei der Nationalbank. Ich kenne die SNB recht gut», sagt er. «Sie sehen hier das Direktorium, aber wichtig sind die 1000 Mitarbeitenden, die jeden Tag in die Bank kommen und sich für unser Land einsetzen. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe.»
«Die Preise auf dem Immo-Markt sind nicht mehr erklärbar»
Jordan-Nachfolger Martin Schlegel wird zum Immobilienmarkt gefragt. «Die Zinssenkung hat zwei Effekte auf die Immobilienpreise», sagt Schlegel und führt aus: «Das Risiko einer Korrektur ist kurzfristig kleiner geworden, aber langfristig, wenn die Preise weiter steigen, könnte die Verwundbarkeit auf dem Immobilienmarkt weiter zunehmen.» Und dann sagt er einen Satz, der aufhorchen lässt: «Die Preise auf dem Immobilienmarkt sind nicht mehr erklärbar.»
War eine stärkere Zinssenkung ein Thema?
Thomas Jordan wird gefragt, ob er über einen Überraschungs-Coup nachgedacht hat. «Gab es Diskussionen, den Leitzins um 50 Basispunkte zu senken?» Jordan antwortet: «Wir diskutieren immer über alle Möglichkeiten. Gut, dieses Mal haben wir nicht über eine Zinserhöhung gesprochen.» Konkreter wird er nicht.
Jordan: «Unsere Entscheidung Anfang 2024 war richtig»
Die Fragerunde hat begonnen. Jordan wird zuerst gefragt, ob weitere Zinssenkungen folgen werden. «Weitere Zinssenkungen könnten notwendig sein, um die Inflation zu stabilisieren», antwortet Jordan. «Die heutige Zinssenkung bestätigt, dass unsere Entscheidung von Anfang 2024 richtig war.»
Jetzt beginnt gleich die Fragerunde
Thomas Jordan hat seine Ausführungen zur heutigen Zinssenkung abgeschlossen. Nun beginnt in Kürze die Fragerunde – wird der abtretende SNB-Präsident noch etwas zu seinen zwölf Jahren an der Spitze der Nationalbank sagen?
Jordan über das Börsen-Beben von Anfang August
Vor eineinhalb Monaten stürzten die globalen Aktienmärkte ab. Thomas Jordan sagt zum Börsen-Beben von Anfang August: «Es kam zu einem markanten Rückgang der Zinserwartungen in den grossen Währungsräumen. Auch die Zinserwartungen für die Schweiz gingen zurück, allerdings weniger stark als im Ausland. In der Folge gewann der Franken spürbar an Wert.»
Jordans Aussichten für die Schweiz – etwas durchzogen
Mit der Entwicklung in der Schweiz ist Jordan zufrieden: «Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs im zweiten Quartal 2024 solide. Besonders die chemisch-pharmazeutische Industrie entwickelte sich dynamisch, während das Wachstum in vielen anderen Branchen moderat war. Die Arbeitslosigkeit stieg weiter leicht an.»
Die Aussichten sind etwas durchzogen: «In den kommenden Quartalen dürfte das Wachstum in der Schweiz aufgrund der jüngsten Aufwertung des Frankens und der moderaten weltwirtschaftlichen Entwicklung eher verhalten ausfallen. Wir erwarten für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von rund 1 Prozent. In diesem Umfeld sollte die Arbeitslosigkeit weiter leicht ansteigen, während die Auslastung der Produktionskapazitäten leicht sinken dürfte.»
Jordan spricht von globalen Risiken
Der Noch-SNB-Präsident spricht nun über die ausländischen Zentralbanken, die in den letzten Monaten ihre Leitzinsen ebenfalls gesenkt haben. Dann kommt Jordan auf die internationalen Wirtschaftsaussichten zu sprechen: «Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt nach wie vor bedeutenden Risiken. So könnten die geopolitischen Spannungen zunehmen und eine schwächere Entwicklung der Weltwirtschaft zur Folge haben.» Gleichzeitig sei nicht auszuschliessen, dass die Inflation in einigen Ländern länger erhöht bleibe.
Jordan über die Inflation
Die Inflation sei seit der letzten Lagebeurteilung tiefer ausgefallen als erwartet, sagt Jordan. Sie lag im August bei 1,1 Prozent, gegenüber 1,4 Prozent im Mai. «Zum Rückgang haben insbesondere importierte Waren und Dienstleistungen beigetragen. Insgesamt wird die Inflation in der Schweiz gegenwärtig vor allem von der Teuerung der inländischen Dienstleistungen bestimmt», so Jordan.
«Unsere neue bedingte Inflationsprognose liegt deutlich unter jener von Juni. Zur Abwärtsrevision tragen der stärkere Franken, der tiefere Erdölpreis und die für kommenden Januar angekündigten Strompreissenkungen bei.»
Die kommende Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vom Donnerstag wird die letzte des scheidenden Präsidenten Thomas Jordan (61) sein. Dass er die Zinsen nochmals senken wird, gilt als ausgemachte Sache.
Offen ist dagegen die Frage, wie stark die Zinsen fallen werden. Eine Mehrheit erwartet aktuell eine Senkung um 25 Basispunkte auf 1,00 Prozent. Ein Überraschungscoup in Form einer Senkung um 50 Basispunkte gilt aber nicht als ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Schweizer Währungshüter die Märkte überraschen.
Von den 18 von der Nachrichtenagentur AWP befragten Prognostikern geht aktuell zwar nur einer konkret davon aus, dass die SNB den Leitzins in einem grossen Schnitt um 50 Basispunkte auf 0,75 Prozent senken wird. Es gibt aber zahlreiche Ökonomen, die der Möglichkeit einer so grossen Senkung eine wachsende Wahrscheinlichkeit beimessen.
Gründe für Zinssenkung
Dies liegt nicht zuletzt an der US-Notenbank, die die Märkte vergangene Woche überrascht hatte und die Zinswende mit einem grossen Schnitt um 50 Basispunkte eingeläutet hatte. Normalerweise greifen Notenbanken nur in Krisenzeiten zu solch grossen Schritten.
Daher erwarten denn auch 10 der von AWP befragten Marktexperten, dass die Schweizer Währungshüter am Donnerstag einen kleineren Schnitt machen werden, dann aber im Dezember einen weiteren folgen lassen.
Die Experten machen vor allem die wirtschaftlichen Probleme in wichtigen Exportmärkten wie Deutschland, der Eurozone und China als einen der Beweggründe für eine Zinssenkung aus. Sie stellen klare Abwärtsrisiken für die Schweizer Wachstumsaussichten dar.
Inflationszahlen
Daneben dürfte der Schweizer Franken den Direktoriumsmitgliedern zuletzt wieder Kopfschmerzen bereitet haben. Zur Erinnerung: Die SNB hat als eine der ersten grossen Notenbanken die Zinswende eingeläutet – knapp vor der EZB und weit vor dem Fed. Sie hatte dies auch getan, um dem Aufwärtsdruck beim Franken entgegenzuwirken.
Während der starke Franken in der Zeit der grassierenden Inflation eine Hilfe war, da er den Preisdruck aus dem Ausland abmilderte, war dies in Zeiten sinkender Inflationsraten nicht länger erwünscht – sondern vielmehr ein Hemmschuh für die hiesige Wirtschaft.
Im August war die Inflation in der Schweiz weiter gesunken. Mit noch 1,1 Prozent liegt sie in der Mitte es SNB-Zielbandes von 0 bis 2 Prozent.
Den zuletzt wieder gestiegenen Aufwertungsdruck beim Franken sehen nahezu alle Notenbank-Experten als grössten Treiber für ein Zinssenkung der SNB. «Durch eine Zinssenkung will die SNB die Zinsdifferenz gegenüber der Eurozone wieder vergrössern und den Franken somit abschwächen», sagt der Migrosbank-Ökonom Valentino Guggia. Davon könnten die exportorientierten Branchen profitieren, die sich allerdings mit einer nicht nur wechselkursbedingt tiefen Auslandsnachfrage auseinandersetzen müssten.
Starker Franken
Guggia gehört zu der Gruppe von Ökonomen, die das Ende des Zinssenkungszyklus mit der Senkung im September erwarten. Ein Leitzins von 1 Prozent liegt selbst gemäss der SNB bereits am unteren Rand des neutralen Bereiches. «Mit jeder Zinssenkung wird der Handlungsspielraum für allenfalls zusätzlich notwendige aufgrund schrumpfender Konjunktur kleiner», so der Experte weiter.
Denn anders als bei EZB und Fed ist das Zinssenkungspotenzial der SNB viel kleiner. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone markant abschwächen, könnten die Währungshüter dort auf einen aggressiveren Zinspfad einschwenken, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Das Gleiche gilt für die USA. Andere Ökonomen können sich gleichwohl hierzulande weitere Zinssenkungen bis auf ein Niveau von 0,50 Prozent vorstellen.
Immerhin bleibt der SNB nach wie vor ein weiteres Instrument, um einem zu starken Franken entgegenzuwirken: Devisenmarktinterventionen. Dieses hat sie in der Vergangenheit immer wieder eingesetzt, um den Franken in die eine oder andere Richtung zu schubsen.
Für den Ökonomen Adrian Prettejohn von CapitalEconomics ist am Donnerstag daher auch wichtig, ob sich die SNB generell zur Bewertung des Frankens äussern wird. «Jegliche Äusserung, der Franken sei stark oder überbewertet, würde die Erwartung erhöhen, dass die SNB bereits an den Devisenmärkten interveniert oder intervenieren wird, um den Franken zu schwächen», so seine Einschätzung.
Für die hiesigen Beobachter wird zudem spannend sein, ob Direktoriumspräsident Jordan selbst die Beweggründe der SNB erklären wird oder ob er dies bereits seinem designierten Nachfolger Martin Schlegel überlässt. Jordan leitet die Nationalbank seit April 2012. Schlegel gilt als der «Ziehsohn» von Jordan und war für viele Beobachter der logische Nachfolger.