Die Frau von Martin Schlegel ist Hotelleriesuisse-Präsidentin
Muss der SNB-Chef am Zmorgetisch über den Franken sprechen?

Die Frau des neuen SNB-Chefs leitet den Hotelier-Verband, der mit klaren Wünsche an die Geldpolitik auffiel. Das könnte für Probleme sorgen.
Publiziert: 13.07.2024 um 20:20 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2024 um 20:53 Uhr
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Der Schweizer Oekonom Martin Schlegel wird neuer Präsident der SNB.
Foto: Keystone
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Andreas Valda
Handelszeitung

Die Wahl von Martin Schlegel zum neuen Präsidenten der Nationalbank ging ohne viel Lärm über die Bühne – und überraschte kaum jemanden, stammt Schlegel doch aus dem engen Kreis des scheidenden Notenbankchefs Thomas Jordan. Dabei ist eine besondere Konstellation den wenigsten aufgefallen: Schlegels Ehefrau Nicole Brändle ist als Direktorin des Branchenverbandes Hotelleriesuisse gerade ebenfalls frisch gewählt worden.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Speziell ist die Liaison, weil Brändles Branchenverband den währungspolitischen Entscheiden des Direktoriums der SNB direkt ausgesetzt ist. Bei einem schwachen Franken füllen sich die Hotels. Ist der Franken dagegen stark, bleiben die ausländischen Gäste aus, weil die Schweiz für sie zu teuer wird. Der Branchenverband hat daher ein direktes Interesse an einem schwachen Franken, ähnlich wie die Exportindustrie. Und an einer Geldpolitik, die den Franken schwächt. Wäre Brändle die Direktorin des mächtigen Exportindustrieverbandes Swissmem, wäre die Verbindung wohl längst aufgefallen.

In der Vergangenheit stiegen die Hoteliers – zusammen mit der Exportindustrie – wiederholt auf die Barrikaden, wenn die Nationalbank zuliess, dass sich der Franken stark aufwertete. Das war zuletzt in den Jahren 2011 und 2015 der Fall. Diese Zeit führte zu vermehrten Hotelkonkursen und grossem Stellenabbau.

Als die SNB die Wechselkursuntergrenze zum Euro im Januar 2015 aufhob, verlor der Euro gegenüber dem Franken auf einen Schlag 20 Prozent an Wert. Die Folge waren Buchungsstopps und 13 Prozent weniger Gäste aus Deutschland im Vergleich zum Vorjahr. Auch aus Frankreich und Italien blieben sie aus. Die Kritik der Hoteliers an der Nationalbank war enorm.

Die härteste Kritik stammte von Guglielmo Brentel, dem damaligen Präsidenten von Hotelleriesuisse – just jenem Verband, bei dem nun auch Brändle wirkt. Brentel übte jahrelang medial Druck auf die Nationalbank aus. So sagte er, dass «rund tausend Hotels gefährdet» seien, sollte die SNB einen für die Hotels falschen Entscheid treffen. «Für den Tourismus wäre es verheerend, wenn man die Untergrenze aufgeben würde.» SNB-Präsident Thomas Jordan trotzte den Druckversuchen und setzte dem Euro-Mindestkurs ein Ende.

Schlegel war kurz danach am SNB-Aussenposten in Singapur tätig, seine Frau studierte an der dortigen Niederlassung der Kader-Uni Insead. Im Jahr 2019 stiess sie zum Hotelier-Verband. Zuerst in der Rolle als Politikchefin, seit März dieses Jahres ist sie Direktorin. Ihr Mann wurde vor drei Wochen zum künftigen SNB-Präsidenten ernannt.

Die nächste Währungskrise

Wie würde Direktorin Brändle in einer Situation wie 2011 oder 2015 handeln? Mit den politischen Verwerfungen Europas erscheint eine nächste Währungskrise nicht unwahrscheinlich. Würde sie in ihrer Funktion öffentlich Druck auf die Währungspolitik ausüben? Falls sie es nicht tut, dürften sich die Hoteliers darüber beklagen. Falls sie es tut, müsste sie finanzpolitische Entscheidungen kritisieren, die von ihrem Ehemann getroffen wurden. Für Schlagzeilen wäre gesorgt. Kaum auszudenken, wie das darauffolgende Frühstücksgespräch im Hause Brändle-Schlegel ausgehen würde.

Anders die Interessen der Nationalbank. Sie verteidigt die Geldwertstabilität und wacht über die Inflation. Dass der Franken sich weiter aufwerten wird, davon gehen Nationalbankexperten aus. «Martin Schlegel ist ein hundertprozentiger Verfechter dieser Nationalbankstrategie», sagt ein Kenner der Nationalbank, der nicht namentlich zitiert werden will. Der abtretende Thomas Jordan verfocht diesen Kurs eisern. Schlegel hat von Jordan gelernt und zeigte anlässlich seiner Antrittspressekonferenz vor drei Wochen, dass er es gleich wie Jordan machen würde.

Eine «Interessenberührung»

Kritikern der Nationalbank gefällt es, dass Brändle mit Martin Schlegel am Frühstückstisch sitzt. Die meisten wollen nicht namentlich zitiert sein, aber einer wagt es: Daniel Lampart, langjähriger Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und ehemaliges Mitglied des SNB-Bankrats. «Es schadet sicher nichts, dass Herr Schlegel zu Hause die Probleme der Realwirtschaft mitkriegt», sagt er und spielt damit auf notorische Kritik am Direktorium an, wonach dieses zu wenig realwirtschaftliches Know-how habe. Schlegel hatte nie einen Posten in der Privatwirtschaft.

Verhaltene Kritik kommt von Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern. Das Paar könne am Frühstückstisch problemlos über die Franken-Stärke diskutieren. Persönlich, sagt Kunz, habe er zwei Herzen in seiner Brust, die des Bürgers und die des Juristen. Als Bürger finde er, dass es «nicht so geschickt» sei, wenn der neue SNB-Präsident mit einer Person verheiratet ist, die einen wichtigen Branchenverband vertritt. Als Jurist habe er aber «nichts dagegen einzuwenden». «Die Eheleute Brändle Schlegel haben eine Interessenberührung, aber keinen Interessenkonflikt. Es fehlt an der Intensität einer allfälligen Interessenüberschneidung.»

... aber «kein Interessenkonflikt»

Auch die bekannte Expertin für Compliance-Fragen, die Basler Anwältin und emeritierte Rechtsprofessorin Monika Roth, sieht kein Frühstücksproblem. «Wenn Martin Schlegel seine Amtspflichten ernst nimmt, dann ist die Hotellerie für ihn eine Branche wie eine andere auch.»

Zwar sei seine Frau verpflichtet, die Interessen ihrer Verbandsmitglieder zu vertreten. Doch Roth geht nicht davon aus, dass sie aus dem Wechselkurs einen direkten Nutzen ziehen würde, «das wären die Mitglieder selber». Die Juristin sieht deshalb «in der Gesamtbetrachtung keinen Interessenkonflikt». Auch die Gefahr von Insider-Informationen, sei unwahrscheinlich. «Das wäre beruflicher Selbstmord – eigentlich undenkbar», sagt Roth. Das zeigt das Beispiel von Jordan-Vorgänger Philipp Hildebrand, der das Amt des SNB-Chefs abgeben musste, nachdem klar geworden war, dass seine Frau umstrittene Devisengeschäfte getätigt hatte. Ihm wurde der Frühstückstisch zum Verhängnis.

Brändle loyal, Schlegel abgeschirmt

Brändle ist sich der Konstellation bewusst. Angesprochen auf Frühstücksgespräche sagt sie: «Private und berufliche Angelegenheiten trenne ich strikt». Und fügt einen Satz an, der ihrem Mann gefallen dürfte: «Es entspricht meiner tiefsten Überzeugung, dass die unabhängige Geld- und Währungspolitik der Nationalbank im Gesamtinteresse des Landes erfolgen muss.» Die Preisstabilität sei «letztlich im Interesse aller Branchen». Sagt sie, die früher selber bei der Nationalbank gearbeitet hatte. Ob die Hoteliers daran Freunde haben?

Schlegel äussert sich auf Anfrage nicht zur Sache. Der SNB-Pressestelle war nur zu entlocken, dass man ihn anlässlich der Kandidatur zum Präsidium durchleuchtet habe. «Wie vom Reglement vorgesehen, überprüft die Schweizerische Nationalbank vor einer Nomination die personelle Integrität der Kandidierenden. Das ist auch im Falle von Martin Schlegel geschehen», sagt Sprecherin Claudia Aebersold. Im SNB-Verhaltenskodex steht, dass Schlegel am Frühstückstisch verschweigen muss, was er beruflich erfährt, was für Frau Brändle von Interesse wäre.

Auch kann Schlegel nicht alleine über die Wechselkurspolitik befinden, das Ganze ist offiziell Sache des Dreiergremiums im SNB-Direktorium. So steht es zumindest im Reglement. «Die beiden anderen Direktoriumsmitglieder können Schlegel also überstimmen», sagt der SNB-Experte. In der Vergangenheit sei dies allerdings pure Theorie gewesen. «In der Ära Jordan war das eine One-Man-Show.» Ob Schlegel von dieser Praxis abrückt, ist offen. Jedenfalls warten jetzt alle gespannt auf die Auswirkungen des «Brändle-Effekts» auf den Euro-Franken-Kurs.

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