So verhindern wir die vierte Welle
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Christoph Berger zu Delta:So verhindern wir die vierte Welle

Moderna-Europachef Dan Staner
«Delta bereitet mir grosse Sorgen»

Brauchen wir bald alle einen dritten Piks? Wie effektiv schützt die Impfung gegen die Delta-Variante? Und wann geht diese Pandemie endlich zu Ende? Der Moderna-Europa-Chef Dan Staner liefert exklusive Antworten.
Publiziert: 19.08.2021 um 00:48 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2021 um 08:38 Uhr
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Der Europa-Chef von Moderna, Dan Staner, rechnet mit einer Zulassung der Booster-Impfung durch Swissmedic im vierten Quartal.
Foto: Thomas Meier
Sarah Frattaroli und Ulrich Rotzinger

Dan Staner (53) ist gegen Covid-19 geimpft. Die erste und zweite Dosis hat er längst vor Monaten erhalten. Kein Wunder: Der Waadtländer steht im Sold von Moderna. Beim Impfstoffhersteller – Partnerfirma von Lonza im Wallis – ist Staner Europa-Chef, aber auch verantwortlich für die Regionen Naher Osten und Afrika. Von der Europazentrale in Basel aus steuert er sein Unternehmen, dessen Name vor der Corona-Pandemie kaum einem Menschen etwas sagte. Aber nun eine weltweit bekannte Marke ist.

Im Gespräch mit Blick sagt Staner, dass ihm die vierte Welle Sorge bereite. Schnell steigende Neuansteckungen und vor allem die stockende Durchimpfung in der Schweiz beunruhigen ihn: «Ich denke, hier könnten wir viel besser sein.» Impfzögerern macht er Mut. «Nach der zweiten Impfdosis ging es mir nicht besonders gut. Ich hatte die üblichen Nebenwirkungen wie viele andere auch. Dafür weiss ich jetzt, dass ich zu fast 95 Prozent vor Covid geschützt bin», sagt Staner. Zu den üblichen Nebenwirkungen gehören etwa Schüttelfrost und Kopfschmerzen.

Wie lange der Schutz wirklich anhält, ist noch nicht restlos geklärt. Vor wenigen Tagen publizierte Moderna vielversprechende Zahlen dazu: Gemäss einer konzerneigenen Studie beträgt die Schutzwirkung der Impfung nach sechs Monaten immer noch 93 Prozent.

Wir steuern auf die vierte Welle zu
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Experten des Bundes besorgt:Wir steuern auf die vierte Welle zu

Booster-Zulassung im Herbst

Wie es ein Jahr nach der Vollimpfung um den Corona-Schutz steht, weiss derzeit noch keiner. Manche Staaten haben vorsichtshalber bereits mit Auffrischimpfungen begonnen, darunter Israel. Auch in der Schweiz verabreichen diverse Kantone bereits dritte Impfdosen. Etwa Zürich, Basel-Stadt und Bern. Allerdings: Die dritte Dosis erhalten hierzulande bisher nur Leute mit einer besonderen Immunschwäche.

Für die breite Bevölkerung ist eine dritte Dosis als Booster nicht zugelassen. Noch nicht. Doch die klinische Entwicklung der angepassten Impfstoffe für die Auffrischung schreitet schnell voran, so Staner.

«Wir entwickeln die Booster-Impfung nicht nur für ältere Menschen oder solche mit einem schwachen Immunsystem. Sondern für alle», betont er. Moderna arbeitet aktuell an drei unterschiedlichen Booster-Impfungen. «Die Booster werden wahrscheinlich besser gegen neue Virusvarianten schützen, auch gegen Delta. Wir sind hierzu im Gespräch mit den zuständigen Behörden. Wir erwarten eine Zulassung im vierten Quartal, also irgendwann zwischen Oktober und Dezember.» Danach dauert es noch einmal bis zu drei Monate, bis die Booster-Impfung auf den Markt kommt.

Das deckt sich mit der Einschätzung von Patrick Mathys (51) vom BAG und Taskforce-Chefin Tanja Stadler (40). «Ich denke, dass Booster-Impfungen mittelfristig auch uns zukommen werden», sagte Mathys am Dienstag an einer Experten-Pressekonferenz des Bundes. Stadler rechnet damit, dass diese im Herbst zum Thema werden.

Bis die breite Bevölkerung den Booster aber erhält, dürfte es 2022 werden. Ein offizielles Zulassungsgesuch hat Moderna noch nicht eingereicht, bisher laufen erst Vorgespräche. Der Bund hat sich für das neue Jahr jedenfalls bereits 7 Millionen Moderna-Impfdosen gesichert. Dan Staner selbst will sich den Booster holen, sobald er verfügbar ist: «Ich will nicht, dass meine Immunität nachlässt. Besonders jetzt mit der Delta-Variante. Die beunruhigt mich sehr.»

Natürlich, Staner und Moderna haben ein wirtschaftliches Interesse daran, ihre Auffrischimpfung unter die Leute zu bringen. Danach gefragt, was er von der schleppenden Impfkampagne in der Schweiz hält, wird Staner aber plötzlich zurückhaltend. «Jeder soll seine eigene Entscheidung treffen. Aber ich denke, wer die letzten anderthalb Jahre miterlebt hat, weiss, dass wir ohne die Impfung nicht aus dieser Pandemie rauskommen.»

Die Menschen zur Impfung drängen will er trotzdem nicht. Nicht einmal in seinem nächsten Umfeld. Seine beiden Kinder, Zwillinge im Teenager-Alter, hätten sich die Spritze kürzlich geholt. Selbstbestimmt, wie Staner betont. «Sie wollten sich schützen.»

Produktion wird im neuen Jahr verdoppelt

Im Frühling, direkt nach der Zulassung der ersten Covid-Impfstoffe, war der Wettbewerb um die knapp begrenzten Dosen hart. In der Schweiz hat der Run inzwischen nachgelassen. Der Bund hat jüngst gar eine Moderna-Auslieferung um Monate nach hinten verschoben. Weltweit steigt die Nachfrage aber weiterhin an, manche Länder beginnen gerade erst mit dem Impfen.

Moderna fährt daher auch seine Produktionskapazitäten weiter hoch. Beim neuen Impfschub ist auch das Wallis wieder dabei. Dieses Jahr gehen mehr als 900 Millionen Impfdosen vom Fliessband, ein Teil davon bei Lonza in Visp VS. Drei Produktionsstrassen gibt es dort. Nächstes Jahr werden es deren sechs sein. «Moderna möchte die Kapazität 2022 mindestens verdoppeln», bekräftigt Staner.

Die Frage, ob die Pandemie im nächsten Jahr endlich zu Ende geht, kann aber auch Moderna-Spitzenmann Staner nicht abschliessend beantworten. «Ich habe keine Kristallkugel. Ich bin auch kein Epidemiologe. Aber ich glaube nicht, dass wir das Virus in den nächsten Monaten schon loswerden. Das wird uns noch etwas länger beschäftigen.»

So funktioniert mRNA

Die Abkürzung mRNA bedeutet auf Deutsch Boten-Ribonukleinsäure. Sie trägt die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen mit sich und übermittelt den Körperzellen die Information, wie sie ein Virus-Protein herstellen sollen. Sobald dieses im Körper produziert wird, erkennt es das Immunsystem als körperfremd und produziert so Antikörper gegen das Virus. Die Immunantwort bereitet den Körper auf die Bekämpfung des Virus vor.

Nach einer Infektion oder Impfung bildet sich in den Lymphknoten eine spezialisierte Struktur, das Keimzentrum. Hier wird zum Angriff auf die Krankheitserreger geblasen. Keimzentren, die mit mRNA-Impfstoffen stimuliert werden, gingen auch Monate nach der Impfung kaum zurück.

Angst vor Erbgutveränderungen ist unbegründet. Der Zellkern, wo sich das Erbgut befindet, kommt mit dem Wirkstoff nicht in Kontakt. Und: Unser Erbgut besteht aus DNA. Ein Enzym, das RNA (ein Strang) in DNA (zwei Stränge von Erbinformation) umbauen könnte, gibt es in menschlichen Zellen nicht. Die DNA bleibt also unangetastet.

Die Abkürzung mRNA bedeutet auf Deutsch Boten-Ribonukleinsäure. Sie trägt die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen mit sich und übermittelt den Körperzellen die Information, wie sie ein Virus-Protein herstellen sollen. Sobald dieses im Körper produziert wird, erkennt es das Immunsystem als körperfremd und produziert so Antikörper gegen das Virus. Die Immunantwort bereitet den Körper auf die Bekämpfung des Virus vor.

Nach einer Infektion oder Impfung bildet sich in den Lymphknoten eine spezialisierte Struktur, das Keimzentrum. Hier wird zum Angriff auf die Krankheitserreger geblasen. Keimzentren, die mit mRNA-Impfstoffen stimuliert werden, gingen auch Monate nach der Impfung kaum zurück.

Angst vor Erbgutveränderungen ist unbegründet. Der Zellkern, wo sich das Erbgut befindet, kommt mit dem Wirkstoff nicht in Kontakt. Und: Unser Erbgut besteht aus DNA. Ein Enzym, das RNA (ein Strang) in DNA (zwei Stränge von Erbinformation) umbauen könnte, gibt es in menschlichen Zellen nicht. Die DNA bleibt also unangetastet.

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