Der Profifussball ist dem Status als Hobby längst entwachsen und ist mittlerweile Big Business. Das gilt auch für den Schweizer Klubfussball, wo auf Niveau Super League mit Budgets im zweistelligen Millionenbereich hantiert wird. Trotzdem ist der Ballsport auch auf höchster Stufe hierzulande weiterhin Freizeitvergnügen – etwa für die vielen Tausend Fans, die seit dem Saisonstart am vergangenen Wochenende wieder in die hiesigen Stadien strömen.
Und dann gibt es die Besitzer und Mehrheitsaktionäre der zwölf Profiteams in der Super League. Für einige von ihnen ist der Klub einfach ihr teures Hobby. Ohne finanziellen Zustupf würde ein Grossteil der Vereine insolvent gehen, wie Dominik Schwizer, Sportökonom und Dozent für Sportmanagement an der FH Graubünden, konstatiert. «Es ist die ganz grosse Ausnahme, dass ein Schweizer Fussballklub über mehrere Jahre hinweg rentabel ist. Die meisten Clubs weisen ein strukturelles Defizit auf. Ohne À-fonds-perdu-Zuschüsse könnten sie nicht überleben.»
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Jedes Jahr öffnen sie ihr Portemonnaie: Mäzene
Traditionellerweise wissen viele Fussballclubs einen Hauptgeldgeber hinter sich, der jedes Jahr das Defizit deckt. «Früher war es Usus, dass Vereine hauptsächlich von lokalen Unternehmen oder regional verankerten Mäzenen unterstützt wurden», so Schwizer.
Es gibt sie weiterhin, die zahlungskräftigen Eigentümer von Fussballvereinen. Beim Servette FC hat Didier Fischer das Sagen. Der Winzer ist generell der Monsieur Servette, der starke Mann hinter Rugby, Eishockey und Fussball in Genf. Als Präsident der Foundation 1890, der Dachorganisation der drei Sport-Aktiengesellschaften, ist er wohl der mächtigste Sportfunktionär der Schweiz. Die Lebensversicherung des Super-League-Neulings Stade-Lausanne-Ouchy ist Vartan Sirmakes. Der armenischstämmige Unternehmer, der sich als Besitzer und CEO der Luxusuhrenmarke Franck Muller ein Vermögen erwirtschaftet hat, präsidiert seit 2019 den Lausanner Klub. Und beim FC Winterthur sind es die Brüder Mike und Tobias Keller, die das Engagement vom Vater geerbt haben – vom mittlerweile verstorbenen Hannes W. Keller, dem früheren Patron der Keller Druckmesstechnik AG. Mike Keller ist Präsident des FCW.
Angetrieben werden die Mäzene von Emotionen. So sagt Christian Lang, Leiter Sportmanagement der Universität St. Gallen: «Es gibt wenig rationale Gründe, Besitzer eines Schweizer Fussballclubs zu werden.» Zu deren Motivation ergänzt Sportökonom-Kollege Schwizer: «Einige Mäzene erhoffen sich von ihrem Engagement Ruhm und Anerkennung. Oft sind die Besitzer aber auch selbst Fan von ihrem Club und leben so ihre Leidenschaft aus.»
Es ist aber auch ein Stück weit Philanthropie, die die Gilde der Clubbesitzer antreibt. So haben ihre Engagements auch einen sozialen Aspekt. «Vielleicht schätzen die Menschen, dass wir keine kühlen Investoren sind, sondern es uns wichtig ist, die Fussballkultur rund um den FCZ nachhaltig zu fördern», sagte Ancillo Canepa, Präsident des FC Zürich und früherer EY-Wirtschaftsprüfer, in einem Interview mit der «NZZ». Er und seine Frau Heliane Canepa sind seit 2013 Haupteigner des FCZ.
Auf wirtschaftlich soliden Beinen steht der Meister und Cup-Sieger BSC Young Boys. «YB hat so viel Reserven erwirtschaftet, dass wir drei miserable Saisons überleben würden», sagte Hans-Ueli «Jöggi» Rihs im Frühling. Das war aber nicht immer so. Er und sein mittlerweile verstorbener Bruder Andreas «Andy» Rihs, mit dem er auch den Hörgerätehersteller Phonak (heute: Sonova) aufbaute, sollen über «50 Chischte» in den aktuellen Meister aus Bern gesteckt haben.
Ungeklärt ist die Besitzstruktur beim FC Luzern. In der Innerschweiz tobt ein Machtkampf, der sich um die Frage dreht, ob Bernhard Alpstaeg Mehrheitseigentümer oder «nur» grösster Aktionär des FCL ist. Der Swisspor-Patron und die Clubführung haben sich gegenseitig mit Klagen eingedeckt. Unabhängig davon sind im Frühling neun zusätzliche Aktionäre dazugekommen, unter anderen der ägyptische Tourismusinvestor Samih Sawiris und Hans-Peter Strebel, Präsident des EV Zug.
Sonderweg in St. Gallen: viele Kleinaktionäre
Der FC Luzern will den Verein durch die Einbindung weiterer Aktionäre lokal stärker verankern. Als Vorbild dient der FC St. Gallen. Denn in der Ostschweiz geht man einen Sonderweg. Aktuell hat der FCSG rund 19’000 Kleinaktionäre – inklusive Staff, Trainerteam und Spieler. «Die Strategie des FC St. Gallen ist sehr spannend. Dass es aufgehen kann, sieht man an den Zuschauerzahlen im Stadion», urteilt Lang.
Mit der weiter zunehmenden Kommerzialisierung hat im Fussball ein Geschäftsmodell Einzug genommen, das dem US-Sport entspringt. Investorengruppen kaufen sich mehrere Clubs aus verschieden starken Ligen, um sich ein eigenes Konstrukt aufzubauen. Innerhalb dieses Gebildes können sich Spieler auf unterschiedlichen Leistungsniveaus entwickeln.
Die Schweiz hat gleich drei Super-League-Clubs, die in eine Struktur mit weiteren Clubs des gleichen Besitzers eingebettet sind. Der Grasshopper Club Zürich, der zu 90 Prozent der chinesischen Unternehmerin Jenny Wang gehört, ist – wenn auch nicht offiziell – dem Konzern Fosun zuzurechnen. Dessen Gründer Guo Guangchang, der Ehemann von Wang, besitzt unter anderem den englischen Premier-League-Club Wolverhampton Wanderers. Bei Lausanne-Sport agiert der britische Chemie-Riese Ineos des Milliardärs Jim Ratcliffe, der sich auch den französischen Erstligisten OGC Nizza und Racing Club Abidjan aus der grössten Stadt der Elfenbeinküste gekauft hat. Der Partnerklub des FC Lugano ist die US-Franchise Chicago Fire, bei der der Schweizer Nati-Star Xherdan Shaqiri unter Vertrag steht. Beide Vereine gehören dem US-Milliardär Joe Mansueto.
Solche Investitionsprojekte haben durchaus das Potenzial, dass sie sich finanziell auszahlen, wie Sportökonom Lang findet: «Nur in einen Schweizer Club zu investieren, halte ich für ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Wenn der Club aber in ein Konstrukt eingebunden ist, wo dieser als Farmteam für ein besseres Team fungiert, kann das Investment aufgehen.»
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Bei zwei Vereinen gehen die Besitzer dennoch das Wagnis ein, bloss aus einem Schweizer Club Kapital schlagen zu wollen. Einerseits erwarb vor kurzem eine Investorengruppe um den Amerikaner Jamie Welch den Aufsteiger Yverdon Sport. Der frühere CS-Manager, der mit seiner Gasfirma Kinetik zu Reichtum gekommen ist, agiert zusammen mit dem neuen Clubpräsidenten Jeffrey Saunders, der zuvor den portugiesischen Club GD Estoril Praia präsidierte.
Andererseits ist da der FC Basel, der ein etwas spezieller Fall ist. Hauptaktionär des Traditionsvereins vom Rheinknie ist David Degen. Der ehemalige FCB-Spieler ist seinem Verein emotional verbunden, weshalb dieser für ihn kein reines Renditeobjekt ist. Um als grosszügiger Mäzen auftreten zu können, fehlt ihm aber die nötige Kapitaldecke, auch wenn er das Sandoz-Ehepaar Ursula und Andreas Rey im Rücken weiss, das ebenfalls Aktien der FC Basel Holding AG hält. Sein Ziel: Den FCB auf solide finanzielle Beine zu stellen – möglichst ohne Geld aus dem Ausland, wie es beiden anderen Clubs in Investorenhand der Fall ist.
Der Trend mit Geldgebern aus Übersee und Fernost wird allgemein kein vorübergehendes Phänomen sein. So sagt Lang: «Wir sehen aktuell, dass immer mehr ausländische Investoren in der Schweiz einsteigen. Diese Tendenz könnte sich in Zukunft fortsetzen.» Diese grosse Anzahl solcher Investments ist für Kollege Schwizer eher überraschend, aber: «Es ist ein gutes Zeichen für die Liga.»