Auf einen Blick
- Mini-Skilift in St. Gallen eröffnet trotz fehlender Bewilligung und Schneemangels
- Künstlerkollektiv plant Haftungsausschlusserklärung für Nutzung auf eigene Verantwortung
- 45'000 Franken Spendenziel für das Projekt rechtzeitig erreicht
Der grosse Tag für das kleinste Skigebiet der Welt ist gekommen: Am Samstagnachmittag nimmt der Mini-Skilift mitten in einem St. Galler Wohngebiet erstmals seinen Betrieb auf. Und der Andrang ist gross. Zur Eröffnungsrede drängeln sich hunderte Menschen um die Piste und die Bergstation. Sie kommen aus der Nachbarschaft, aber auch aus der Umgebung wie Zürich oder Frauenfeld.
Das Ehepaar Tim und Solveigh Brennemann mit ihrem Wolfshund Finnley (4) steht am Nachmittag vor dem Skilift. «Wir haben in der Zeitung von der Eröffnung gelesen», erklären die beiden gegenüber Blick. «Das Projekt finden wir sehr cool. Wir wohnen im Quartier, der Zusammenhang ist hier gross – das sieht man ja.» Brennemanns bedauern es, dass es keinen Schnee hat. «Die Piste runter hätten wir uns aber sowieso nicht getraut», sagen sie schmunzelnd.
Sie schaufelten bereits an der Piste
Auch das Ehepaar Dorji und Angela Tsering lassen sich das Spektakel nicht entgehen. Sie sind praktisch Nachbarn und wohnen gleich oberhalb der Strasse. Dorji hat bereits bei der freiwilligen Schaufelaktion geholfen. «Ich wollte das Projekt unbedingt unterstützen», meint er. Jetzt kommt er passend im Skioutfit zur Eröffnung. «Wir sind Fan vom Skilift», sagt auch Angela. «So kann eine Abrissliegenschaft sinnvoll als Übergang genutzt werden.»
Das Projekt scheint in St. Gallen also sehr gut anzukommen. Mitinitiant Thomas Stüssi ist begeistert: «Dass der Andrang so gross ist, freut uns riesig.» Man sei am Anfang für so viel Aufmerksamkeit gar nicht bereit gewesen. «Es war aber immer geplant, dass die Eröffnung am 1. Februar stattfindet.»
Auch trotz allen Hindernissen. Zwei Tage vor Eröffnung erhielt das vierköpfige Initiativkomitee um Künstlerin Anita Zimmermann (68) nämlich die Hiobsbotschaft: Eine Bewilligung für den Lift wird ihnen die Behörde nicht geben. Der Grund: Die Abbügelstrecke ist zu kurz. Ein Blick auf die «Bergstation» an der Schneebergstrasse 50 beweist: Skifahrerinnen und Skifahrer hätten nicht genug Zeit und Raum, aus dem Lift auszusteigen, ohne direkt ins Haus zu krachen.
«Für mich war das keine grosse Überraschung», meint Stüssi an der Feier. Die Künstlerinnen und Künstler geben sich cool. Der Mini-Skilift läuft jetzt einfach, ohne dass jemand daran hochfährt. Das ist wohl eine Sache für die Zukunft. Eine Haftungsausschlusserklärung könnte dazu führen, dass Interessierte den Lift auf eigene Verantwortung nutzen dürfen.
Fehlender Schnee und die Frage nach der Haftung
Zu den Problemen eines legalisierten Betriebs kommt eine weitere Schwierigkeit: Auf rund 700 Höhenmetern präsentiert sich die Schneebergstrasse trotz ihrer Namensgebung am Samstag eher grün-braun statt weiss. Am Freitagmorgen transportierte ein Lastwägeli noch Schnee der nahe gelegenen Eishalle Lerchenfeld zur Bergstation. Mit einer extra besorgten Schneefräse wurde dieser auf der 20 Meter langen schwarzen Piste bei der Eröffnungsfeier verteilt.
Auch hier lässt sich Stüssi die Laune nicht verderben. Natürlich sei es Schade, dass die Schneedecke fehlt. «Ich hätte es aber fast schlimmer gefunden, wenn die Piste weiss gewesen wäre und wir die Besucher nicht auf den Lift hätten lassen dürfen.» Im Vorhinein hörte man noch, dass die Initianten Schnee vom Aletschgletscher per Helikopter einfliegen lassen wollen. Mehr als ein Werbe-Gag war das allerdings nicht – die Umwelt dankt.
Für eine erste Talfahrt auf der Piste hat es dann trotzdem gereicht. Influencer Fabian Egger (24) alias «Der Praktikant» düst auf den Skis die 20 Meter strecke hinunter. Für mehr als zwei wackelige Bögen reicht es allerdings nicht.
45'000 Franken Spenden erreicht
Eine gute Nachricht gab für die Organisatoren kurz vor der Inbetriebnahme. Noch anfangs Dezember hat der St. Galler Kantonsrat den finanziellen Beitrag von 45'000 Franken aus dem Lotteriefonds abgelehnt. Seither suchten die vier Kunstschaffenden nach Spenden und Sponsoren. Rechtzeitig heute Morgen ist eben dieser Betrag erreicht.
Und auch von der Stadt gab es trotzdem noch Unterstützung. Für die Stromzufuhr braucht der Lift nämlich ein Hochleistungskabel. Dieses stellte St. Gallen gratis zur Verfügung. Und obendrein zahlt die Stadt auch noch die Stromrechnung.