Auf einen Blick
Die Axpo-Konzernleitung um CEO Christoph Brand (55) erlebt gerade einen Shitstorm von politischer Seite.
Nachdem SonntagsBlick vor zwei Wochen berichtet hatte, dass das sechsköpfige Gremium im Geschäftsjahr 2023/24 rund 80 Prozent mehr verdiente als im Vorjahr, wurden in mehreren Kantonen politische Vorstösse eingereicht, um die Cheflöhne beim staatlich kontrollierten Stromunternehmen einzudämmen.
Der Aargauer Regierungsrat will an der Axpo-Generalversammlung gar eine Änderung der Statuten beantragen, damit die Vergütungen für die Konzernleitung in Zukunft nicht mehr durch den Verwaltungsrat festgelegt werden, sondern von der Generalversammlung. Sprich: direkt durch die Eignerkantone.
Die Empörung über den Lohnsprung von Brand und Co. ist nicht zuletzt deshalb so gross, weil umstritten ist, wie viel die Strommanager zu den jüngsten Geschäftserfolgen beigetragen haben. Der staatlich dominierten Energiebranche wird vorgeworfen, die Rekordgewinne aufgrund überhöhter Strompreise erreicht zu haben.
Monopolistin zahlt Millionen-Dividenden
Dass diese Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt das Beispiel Swissgrid. Die nationale Netzgesellschaft verantwortet den Betrieb, die Sicherheit und den Ausbau des 6700 Kilometer langen Hochspannungsnetzes in der Schweiz.
Die Aktiengesellschaft verfügt über ein staatlich garantiertes Monopol, das ihr erlaubt, für die Netznutzung Gebühren zu erheben. Doch trotz – oder gerade wegen – dieser Monopolstellung verbucht Swissgrid Jahr für Jahr Millionengewinne. Seit 2014 waren es insgesamt 788 Millionen Franken.
Davon wurde nur ein Teil wieder in das System investiert. 319 Millionen gingen in Form von Dividenden an die Aktionäre. Alleine Axpo und BKW, denen Swissgrid zu mehr als zwei Dritteln gehört, bekamen rund 200 Millionen Franken ausgeschüttet.
Sie konnten damit ihre Gewinnzahlen aufhübschen, wovon wiederum die (teilweise privaten) Aktionäre profitierten – und auch die Konzernleitungsmitglieder der beiden Unternehmen. Erstere in Form von Dividenden, Letztere in Form erfolgsabhängiger Lohnbestandteile.
«Gewinn wird vorgegeben»
Swissgrid rechtfertigt das Ganze damit, dass Axpo, BKW und Co. ab 2013 «das Eigentum und die Verantwortung» für das schweizerische Übertragungsnetz abgeben mussten. Dafür hätten die Stromkonzerne Swissgrid-Aktien im Wert der eingebrachten Assets erhalten. «Der regulierte Gewinn des Übertragungsnetzes fällt seither nicht mehr bei den Aktionären an, sondern bei Swissgrid», so ein Sprecher des Unternehmens.
Für die Höhe des Gewinns sieht sich die Netzgesellschaft nicht verantwortlich: «Unser Geschäftsmodell und damit auch unser Gewinn ist vollständig reguliert und somit vom Gesetzgeber vorgegeben.»
Für den Gewinn mag das stimmen. Für die Verwendung des Gewinns jedoch nicht. Das Gesetz sieht für die Höhe der Dividenden an die Aktionäre keine Einschränkungen vor. Darüber entscheidet die Swissgrid-Generalversammlung – letztlich also Axpo und BKW als Hauptaktionäre.
Niemand ist verantwortlich
Die beiden Unternehmen vollführen auf Anfrage von SonntagsBlick einen Eiertanz.
Axpo weist darauf hin, dass man «vollständig öffentlich» gehalten werde. «Kapitalgeber ist die öffentliche Hand, der letztendlich auch die Dividenden von Swissgrid zugutekommen», so ein Sprecher.
Auf die positiven Auswirkungen für die Boni der eigenen Konzernleitung geht das Unternehmen nicht ein.
Die BKW-Gruppe wiederum, die zu 48 Prozent in privaten Händen ist, schiebt die heisse Kartoffel an die Netzgesellschaft zurück: «Bezüglich der Dividendenpolitik verweisen wir direkt an Swissgrid, da die operative Verantwortung und finanzielle Strategie durch deren Gremien bestimmt werden», so eine Sprecherin.
Die Kantone Aargau, Bern und Zürich, denen Axpo und BKW grossmehrheitlich gehören, wollen mit den Swissgrid-Dividenden erst recht nichts zu tun haben. «Wir haben keine Beteiligung an Swissgrid und deshalb auch keinen Einfluss auf die Dividendenpolitik», so der Tenor.
Immerhin: Die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom, die Swissgrid beaufsichtigt, hat Handlungsbedarf erkannt. Die Behörde ist offenbar der Meinung, dass sich Axpo, BKW und Co. ihr Kapital zu grosszügig verzinsen lassen.
Konkret sei der sogenannte WACC (Weighted Average Cost of Capital), der bestimmt, zu welchem Satz das Kapital im Stromnetz verzinst wird, seit Jahren zu hoch.
Bundesrat wird aktiv
Im Juli 2024 hielt die Aufsichtsbehörde in einer Vernehmlassungsantwort unmissverständlich fest: «Gerade während der anhaltenden Tiefzinsphase der vergangenen Jahre führte die technische Untergrenze dazu, dass der WACC systematisch zu hoch ausfiel und für die Verbraucher mit einer nicht gerechtfertigten Mehrbelastung einherging bzw. den Netzbetreibern überhöhte Erträge bzw. Mitnahmeeffekte bescherte.»
Der Bundesrat sieht das ähnlich und schlägt deshalb eine Anpassung der Methodik vor, mit welcher der WACC berechnet wird. Damit sollen die Netznutzungskosten für Haushalte und Unternehmen ab 2026 um 127 Millionen Franken pro Jahr gesenkt werden. Die Landesregierung will damit «ungerechtfertigt hohe Renditen für die Kapitalgeber» unterbinden.
Wann der Bundesrat die WACC-Erhöhung endgültig beschliessen wird, ist unklar. Die Swissgrid-Gewinne und -Dividenden der Vorjahre stehen aber auf jeden Fall nicht zur Diskussion. Genauso wenig wie die bisherigen Vergütungen der Konzernleitungsmitglieder von Axpo und BKW.
Die Prognose sei jedoch gewagt: Zu Lohnsprüngen von 80 Prozent dürfte es bei den staatlich kontrollierten Stromkonzernen in absehbarer Zeit nicht mehr kommen.