Ländliches Idyll, umgeben von Wiesen und Wäldern und dazu noch bezahlbare Mieten: Nun aber ziehen über den Haushalten an der Sonneggstrasse 2 und 4 in Huttwil BE dunkle Wolken auf. Die Bewohnerinnen und Bewohner der zwei Mehrfamilienhäuser mit 36 Wohnungen sollen ihrer Verwaltung allein für die vergangenen drei Jahre zusätzliche 143'046 Franken für ihre Nebenkosten überweisen. «Das ist der Horror», sagt Dzevad Smajovic (46) zu Blick.
Er ist einer der betroffenen Mieter, die am meisten Nebenkosten nachzahlen müssen. Bei Smajovic sind es fast 18'000 Franken. Andere Mieter sollen für ihre Nebenkosten 5000, 6000 oder gar über 8000 Franken nachschiessen – und zwar rückwirkend für die vergangenen Jahre. Bei Léon Dossé (75) sind es über 7600 Franken für drei Jahre. «Ich dachte, die spinnen und dass bei der Rechnung ein Fehler passiert sein muss», erzählt der Rentner, der mit seiner Partnerin in einer 3,5-Zimmer-Wohnung lebt.
22 Haushalte gehen vor Schlichtungsbehörde
Wie gross der Ärger an der Sonneggstrasse ist, zeigt der gewaltige Aufmarsch beim Ortsbesuch. 27 Mieterinnen und Mieter und ein paar Kinder kommen zusammen. Einzig die Tiefgarage der Überbauungen bietet genügend Platz für den Auflauf. Sie wollen die Forderungen ihrer Verwaltung Crowdhouse mit Sitz in Zürich nicht widerstandslos hinnehmen. Mieter Christoph Buchmann (50) ist das Sprachrohr der verärgerten Bewohner, hat in deren Namen bei der Mietschlichtungsbehörde gegen die «völlig überrissenen Nebenkostenabrechnungen» eingesprochen. Bereits 22 Haushalte haben sich angeschlossen. Buchmann: «Wir sind überzeugt, dass Crowdhouse immer wieder falsche Abrechnungen verschickt, und wollen das von der Schlichtungsbehörde ein für alle Mal geklärt haben.»
Die Mieter erheben gegen Crowdhouse schwere Vorwürfe: Von undurchsichtigen und willkürlichen Abrechnungen ist die Rede, genauso wie von purer Abzocke und Lockvogelangeboten für leerstehende Wohnungen, bei denen die Rendite über die Nebenkosten optimiert werde.
Verwaltung wehrt sich gegen Vorwürfe
«Crowdhouse hat nichts zu verstecken, erstellt saubere Abrechnungen und gewährt allen Mieterinnen und Mietern vollumfängliche Einsicht, so wie es von Gesetzes wegen vorgesehen ist», sagt Crowdhouse-Sprecher Michael Meier zu den Vorwürfen. Die Behörden haben das Schlichtungsverfahren am Freitag eröffnet und Crowdhouse vorgeladen. Man werde der Schlichtungsbehörde die geforderten Unterlagen zukommen zu lassen, verspricht Meier.
Von Abzockerei will die Verwaltung nichts wissen: «Wir bedauern, dass wir die zum Teil signifikante Abweichung zwischen den angesetzten Akontozahlungen und den entsprechenden Nachzahlungen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt identifiziert und angepasst haben.» Meier ergänzt: «Es gab zu keiner Zeit eine Intention unsererseits, die Vermietbarkeit der entsprechenden Einheiten mit absichtlich tief angesetzten Akontozahlungen zu erleichtern.»
Die Schlichtungsstellen haben alle Hände voll zu tun. Das zeigen Zahlen vom Bundesamt für Statistik für das erste Halbjahr 2023. Die Anzahl an Schlichtungsverfahren im Miet- und Pachtwesen kletterten um 42,2 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum. Der Anstieg stehe wohl im Zusammenhang mit dem Anstieg des Referenzzinssatzes, heisst es beim Bundesamt für Wohnungswesen.
Im Kanton Zürich sind insgesamt 4601 neue Schlichtungsverfahren eingegangen – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Ebenfalls mehr als verdoppelt haben sich die Verfahren in den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 23'723 Schlichtungsverfahren behandelt. Davon konnten 13'395 abgeschlossen werden. Bei insgesamt 2024 Verfahren kam es dagegen nicht zu einer Einigung – damit kann jetzt Klage eingereicht werden. Weil der Referenzzinssatz am 1. Dezember weiter angestiegen ist, wird mit einer neuen Mietärger-Welle gerechnet. (smt)
Die Schlichtungsstellen haben alle Hände voll zu tun. Das zeigen Zahlen vom Bundesamt für Statistik für das erste Halbjahr 2023. Die Anzahl an Schlichtungsverfahren im Miet- und Pachtwesen kletterten um 42,2 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum. Der Anstieg stehe wohl im Zusammenhang mit dem Anstieg des Referenzzinssatzes, heisst es beim Bundesamt für Wohnungswesen.
Im Kanton Zürich sind insgesamt 4601 neue Schlichtungsverfahren eingegangen – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Ebenfalls mehr als verdoppelt haben sich die Verfahren in den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 23'723 Schlichtungsverfahren behandelt. Davon konnten 13'395 abgeschlossen werden. Bei insgesamt 2024 Verfahren kam es dagegen nicht zu einer Einigung – damit kann jetzt Klage eingereicht werden. Weil der Referenzzinssatz am 1. Dezember weiter angestiegen ist, wird mit einer neuen Mietärger-Welle gerechnet. (smt)
Hart trifft es auch Katja B.* (63). Die Frührentnerin wohnt in einer 3,5-Zimmer-Wohnung. Sie sieht sich in ihrer Existenz bedroht. «Die Lebensmittel und alles ist teurer geworden. Da kann ich mir die 2000 Franken Nebenkosten-Nachzahlung nicht leisten.»
Blick liegen mehrere Hundert Seiten Nebenkostenabrechnungen der betroffenen Mieter vor. Was auffällt: Allein die gut 36'000 Franken für den Hauswartsdienst einer Drittfirma fressen bei vielen Wohnungen mehr als die Hälfte der Akontozahlungen auf.
Der Grossteil der vereinbarten Akontozahlungen sei bei der Erstvermietung festgelegt worden, sagt Crowdhouse-Sprecher Meier: «Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Erfahrungswerte bezüglich der Betriebskosten der Liegenschaft und dementsprechend auch keine Grundlage für antizipierbare Mehrkosten.» Von Blick darauf angesprochen, will die Verwaltung nun die Zusammenarbeit mit der Hauswartfirma überprüfen.
Die Abrechnungen zeigen auch, dass bei den Mietern mit den höchsten Nachforderungen die Kosten fürs Warmwasser, Wasser und Abwasser extrem hoch ausfallen. Die Mieter werfen der Verwaltung vor, die Zähler nicht abzulesen. «Selbstverständlich werden die entsprechenden Zähler ordentlich abgelesen. In der Liegenschaft gibt es Funkzähler, die monatlich per Funk abgelesen werden», erwidert Meier.
Das sagt Crowdhouse zum massiven Kostenanstieg
Was in den Abrechnungen zudem auffällt: Vor vier Jahren mussten alle Mieter zusammen für Nebenkosten von 85'763 Franken noch 4883 Franken für ein Jahr nachzahlen. Für die vergangenen drei Jahre müssen plötzlich im Schnitt 48'000 Franken nachbezahlt werden. Wie kann das sein? Crowdhouse-Sprecher Michael Meier erklärt das so: «Bei den Abrechnungen vor vier Jahren wurden gewisse Grundkosten für Wasser und Energie nicht weiterverrechnet, obschon dies in den Mietverträgen vorgesehen ist. Diese Praxis wurde bei den neueren Abrechnungen angepasst.»
Den Betroffenen reichen die Erklärungen ihrer Verwaltung nicht. Die Behörden müssen schlichten. Klein beigeben wollen sie nicht. Mieter-Sprecher Buchmann: «Im schlimmsten Fall ziehen wir vor Gericht.»
* Name der Redaktion bekannt