Wie ein Leuchtturm ragt das Hotel Marriott am Limmatufer in Zürich in die Höhe. Aufgrund seiner zentralen Lage ist die Anreise für Gäste für gewöhnlich ein Kinderspiel. Auf ein paar der Anwesenden trifft das aber so gar nicht zu. Im Hotel Marriott finden derzeit rund 30 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ein Obdach. Sie haben eine beschwerliche Flucht quer durch Europa hinter sich.
Das Marriott hat sich wie viele andere Schweizer Hotels bereit erklärt, Zimmer für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. «Das war für uns selbstverständlich. Es darf nicht sein, dass hilfsbedürftige Menschen am Bahnhof ankommen und kein Dach über dem Kopf haben», sagt Hoteldirektor Daniel Lehmann (56) zu Blick. In dieser absoluten Ausnahmesituation müsse jeder mithelfen.
Fast ohne Gepäck geflüchtet
Die Ankömmlinge haben Traumatisches hinter sich. Lehmann kümmert sich mit seinem Team nach Kräften um die Menschen aus der Ukraine. Sie sollen im Marriott zur Ruhe kommen können. Doch die Kriegsschrecken stecken den Menschen nach wie vor tief in den Knochen. «Es fliessen viele Tränen», erzählt Lehmann.
Das Hotelteam ist auf ganzer Linie gefordert: Weil die Familien ihr Land fluchtartig verlassen mussten, haben sie kaum Gepäck dabei. «Die Mitarbeiter haben viele Kleider gespendet», sagt Lehmann. Auch bei der Verständigung mit den Flüchtlingen kann der Hoteldirektor auf seine Mitarbeiter zählen: Einige von ihnen sprechen Russisch. «Die Russisch sprechenden Mitarbeiter waren auch wichtig, als am Mittwoch eines der ukrainischen Kinder krank ins Spital gebracht werden musste.»
Hotels bieten 27'000 Betten an
Neben dem Dach über dem Kopf erhalten die Flüchtlinge im Fünf-Sterne-Hotel auch drei Mahlzeiten pro Tag. Eine Entschädigung für die Unkosten will das Marriott nicht. «Für uns ist das eine Herzensangelegenheit. Wir haben während der Corona-Krise sehr viel Unterstützung erfahren und können auf diese Weise nun etwas zurückgeben», betont Lehmann. Auch Lieferanten, die man angefragt habe, würden sich solidarisch zeigen.
Das Marriott ist eines von über 400 Hotels, die gemäss der Kampagnenplattform Campax insgesamt gut 27'000 Betten für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Bis jetzt sind über 9000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz eingetroffen. Knapp die Hälfte davon sind derzeit privat untergebracht, wie das Staatssekretariat für Migration sagt.
Keine dauerhafte Lösung
Auch das Vier-Sterne-Waldhotel Doldenhorn in Kandersteg BE beherbergt gegenwärtig Menschen aus der Ukraine. «Bei uns ist die Wintersaison durch, deswegen sind die Zimmer verfügbar», sagt Hotelier René Maeder (67). Als Hotel könne man pragmatisch und schnell eine Unterkunft anbieten, und das sei in der aktuellen Situation gefordert.
Die Unterbringung in einem Hotel könne aber nur eine vorübergehende Lösung sein. «Die Menschen brauchen auf Dauer eine Wohnung, in der sie kochen können und mehr Privatsphäre haben», sagt Maeder. Als Gemeindepräsident von Kandersteg tauscht er sich hierfür eng mit dem Kanton aus.
Auch das Hotel Marriott wird vom Kanton informiert, sobald für eine Familie eine längerfristige Lösung gefunden werden konnte. So wurde eine Mutter mit ihren zwei Kindern zu einer Familie in Wädenswil ZH weitervermittelt. «Ich habe die Familie persönlich dorthin gefahren», sagt Hoteldirektor Lehmann.