Spanien ächzt unter dem Massentourismus. Das iberische Land ist sowieso eine der weltweit beliebtesten Reisedestinationen. Letztes Jahr verzeichnete der 46-Millionen-Staat insgesamt 85 Millionen Touristen. Pro Einwohner kamen also im Schnitt über 1,8 Reisende. Und in diesem Jahr setzt sich der nach der Pandemie aufgekommene Boom laut Prognosen fort – mit einem Wachstum von rund 12 Prozent. Unter der Touristen-Flut leiden aber die Einheimischen in den Städten zunehmend. Die Lebensqualität nimmt ab, der Wohnungsmangel steigt.
Viele Spanierinnen und Spanier haben nun genug. Ihren Frust haben sie in diesem Sommer bei verschiedenen Protestaktionen im ganzen Land rausgelassen. «Tourists go home» – Touristen, geht nach Hause – skandierten die Menschen bereits auf den Strassen von Barcelona und im Süden Spaniens in Malaga, aber auch auf den Kanarischen Inseln und den Balearen, wo es seit vergangenem Mai immer wieder zu Demonstrationen gekommen ist.
Protestler jagten Barcelona-Touristen mit Wasserpistolen
Auf Mallorca steht an diesem Wochenende schon der nächste Grossprotest an. Am Sonntag, 21. Juli, treffen sich die Aktivisten in der Hauptstadt Palma um 19 Uhr beim Nationalpark Parc de les Estacions. Mit Bussen sollen Protestler auch aus den umliegenden Dörfern anreisen. Anschliessend folgt ein Protestmarsch durch die Stadt. Teilnehmende Gruppen haben angekündigt, auch durch Cafés und Bars in der Flaniermeile von El Molinar und im beliebten Badeort S'Arenal zu ziehen.
Wegen des geplanten Mega-Protests fühlen sich einige Touristen unwohl, wie verschiedene Medien berichten. Denn bei der jüngsten Demonstration in Barcelona haben sich die Vorkommnisse zugespitzt. Einige Protestler liessen die Gäste aus dem Ausland spüren, wie unerwünscht sie sind: Sie spritzten Touristen mit Wasserpistolen nass. Auf deutschen und britischen Reiseportalen wurde daraufhin vor Besuchen der Einkaufsmeile Ramblas gewarnt.
Auch das Eidgenössische Aussendepartement (EDA) erwähnt diesbezüglich in seinen Reisehinweisehinweisen zu Spanien einige Risiken, jedoch spezifisch für Barcelona: «Lassen Sie in der Umgebung von Demonstrationen grösste Vorsicht walten und befolgen Sie die Anweisungen der lokalen Behörden», heisst es dazu.
Beim Reiseanbieter Kuoni sieht man wenig Risiko für Touristen mit Anstand: «Mit einem respektvollen Verhalten vor Ort – so, wie es für die sehr grosse Mehrheit der Feriengäste selbstverständlich ist – ist die Gefahr, in Feriendestinationen auf Ablehnung zu stossen, ausgesprochen klein», teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Zudem empfiehlt er, ausserhalb der Sommersaison zu reisen: «Wer gut frequentierte Destinationen nicht in der Hauptreisezeit besucht, geniesst selbst mehr Entspannung, leistet einen Beitrag zur Verteilung von Reiseströmen und trägt dazu bei, dass Menschen, die vor Ort in der Touristik arbeiten, dies möglichst ganzjährig tun können.»
Bürgermeister greifen durch, aber ...
In den Tourismus-Hotspots Barcelona und Mallorca hat die Politik auf den wachsenden Unmut der Bevölkerung bereits reagiert. Jaume Collboni, Bürgermeister der katalanischen Metropole, will alle Ferienwohnungen verbieten. Und auf «Malle» setzt Palmas Bürgermeister Jaime Martínez auf ein Knallhart-Regime. Alkoholkonsum am Strand oder auch auf offener Strasse ist in mehreren Partyhochburgen verboten. Zudem möchte er die Zahl der Touristen, Mietwagen, Kreuzfahrtschiffe und Ferienwohnungen auf der Insel begrenzen.
In der spanischen Reisebranche ist man zunehmend besorgt, dass die Situation eskalieren könnte. Mit der Wasserpistolen-Aktion in Barcelona sei eine rote Linie überschritten, sagte José Luis Zoreda, der Präsident des Lobbyverbands Exceltur, laut der «NZZ» während eines Pressetermins. «Das Image von Spanien leidet, wenn Zeitungen wie die New York Times ihren Lesern empfehlen, nicht nach Barcelona oder auf die Balearen zu kommen», sagte Zoreda, der alle wichtigen Hotelgruppen, Fluglinien und Veranstalter des Landes vertritt.
Die Protestler dürften nicht vergessen, dass der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Spaniens sei, so Zoreda. Die gesamte Branche soll dieses Jahr 200 Milliarden Euro umsetzen, was rund 13 Prozent des spanischen BIP entspricht. Da kommen zu aufrührerische Aktivisten mit ihren Aktionen gegen die Touristen eher ungelegen.