Wer in den Berggebieten nach einem Job sucht, hat hervorragende Aussichten: Viele Bergbahnen, Hotels und Restaurants leiden nach wie vor unter dem Fachkräftemangel. Können sie einen Bewerber finden, folgt aber gleich das nächste Problem. Für Hotelpersonal, Seilbahnmechaniker und Servicekräfte sind in den beliebten Tourismusdestinationen schlicht keine Wohnungen verfügbar. Und ist doch eine frei, sind die Mieten mit den Gehältern im Tourismus kaum bezahlbar. Besonders schwierig ist die Situation in Luxusorten wie Verbier VS. Die Destination ist gemäss einer UBS-Studie von dieser Woche neuerdings der teuerste Fleck der Alpen.
«Die Wohnungsnot hat sich in vielen Tourismusgemeinden innerhalb relativ kurzer Zeit völlig zugespitzt», sagt Thomas Egger (56), Direktor Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB). Die Corona-Pandemie liess viele Menschen im Land die Alpen wiederentdecken. Die Träume einer eigenen Ferienwohnung befeuerten die Nachfrage – die Preise gingen steil nach oben. Seither werden rege ältere Erstwohnungen in Ferienwohnungen umgenutzt, womit das Problem weiter zunimmt.
Doch was tun? Egger sieht vor allem die touristischen Unternehmen in der Verantwortung. «Grosse Hotels, Bergbahnen oder Kooperationen von Betrieben können selbst zur Lösung des Problems beitragen.» Positive Beispiele gibt es einige.
Mitarbeiterzufriedenheit ist gestiegen
In Goms VS sind freie Wohnungen ebenso Mangelware. Cagla (33) und Simon Weger (33) betreiben in der Gemeinde das Hotel Landhaus und haben erst im vergangenen Jahr eine Team Lodge für ihr Personal eröffnet. «Unser Hotel hat sich wirtschaftlich gut entwickelt. Mit dem Wachstum brauchten wir auch immer mehr Platz für unsere Mitarbeitenden. Da war für uns klar, dass wir ihnen schönen Wohnraum anbieten müssen. Schliesslich sind sie unsere wichtigste Ressource», sagt Simon Weger.
Das Paar kaufte einen ehemaligen Hotelbetrieb auf und baute diesen in 14 kleine Wohnungen samt Fitness, Gemeinschaftsraum und eigenem Garten um. Eigene Angestellte wohnen dort vergünstigt, externe zahlen ein wenig mehr. «Die Auslastung ist sehr gut. Das Angebot ist ein zentraler Grund, dass wir im Landhaus mit unseren 22 Angestellten den Betrieb sicherstellen können», so Weger. Der Hotelier sieht noch einen weiteren Vorteil: «Die Mitarbeiterzufriedenheit ist dank der Team Lodge gestiegen. Wir haben deutlich weniger gesundheitliche Ausfälle und hatten seither noch fast keine personellen Abgänge.»
Die Rentabilität sei dabei nie im Vordergrund gestanden. «Gewisse wirtschaftliche Bedenken hatten wir zu Beginn aber schon. Doch die Wohnungen sind bereits heute selbsttragend», so Weger.
Auch der Dorfmetzger freut sich
Mit Investitionen in Ferienwohnungen könnten Eigentümer und Landbesitzer finanziell deutlich mehr herausholen. Doch das wäre zu kurz gedacht, sagt Jan Andreas Stiller (46), Co-Direktor des Hotels Lenkerhof in Lenk. «Wenn uns Personal fehlt, würden wir im Hotelbetrieb viel Wertschöpfung verlieren.»
Im Tourismusort im Berner Oberland ist der Wohnungsmangel besonders akut. Der Lenkerhof realisierte deshalb 2016 eine Überbauung mit 56 kleinen Wohnungen, etwa sieben Minuten vom Hotelbetrieb entfernt. Eine riesige Investition inklusive Baulandkauf. «Am Anfang habe ich schlecht geschlafen. Doch die Wohnungen sind praktisch immer belegt und das Risiko hat sich ausgezahlt», so der Hotelier.
Zusammen mit dem alten, renovierten Personalhaus stehen über 100 Zimmer zur Verfügung. Also fast so viele, wie der Betrieb Angestellte beschäftigt. «Dank der Wohnungen haben wir kaum Probleme, Personal zu finden. Man muss den Angestellten etwas bieten», so Stiller. Das Zimmer gibt es für 350 Franken pro Monat. Die Wohnungen kosten zwischen 750 und 1300 Franken Miete.
Vom Personal des Lenkerhofs profitiert auch das lokale Gewerbe. «Der Metzger ist wohl einer der grössten Fans unseres neuen Personalhauses, liegt sein Laden doch direkt daneben», erzählt der Hotelier.
SAB sieht Gemeinden in der Pflicht
Auch die Zermatt Bergbahnen im Walliser Kurort bauen derzeit für rund 800'000 Franken ihr altes Verwaltungsgebäude in 15 Wohnungen für Personal um. Die Wohnungen werden künftig zu fairen Konditionen an das Personal der Zermatt Bergbahnen vermietet, schreibt das Unternehmen auf Anfrage.
In Gemeinden mit kleinen Hotels und Bergbahnen könnten die Betriebe solche Projekte kaum stemmen, sagt SAB-Direktor Thomas Egger. Zudem habe sich die Wohnungsnot in den Tourismusregionen so rasch verschärft, dass auch die Gemeinden gefordert seien. «Sie müssen das Thema ernst nehmen und aktiv Rahmenbedingungen für Lösungen schaffen.»
Ansätze sieht er einige: Gemeinden mit Landreserven könnten Bauzonen explizit für Personalwohnungen ausweisen oder die temporäre Vermietung von Erstwohnungen an Gäste einschränken. Auch die Umnutzung von leerstehenden Gebäuden wie Schulhäuser, Turnhallen oder Militäranlagen birgt Potenzial. «Wir erarbeiten derzeit einen umfassenden Leitfaden, der den Gemeinden ihre Handlungsmöglichkeiten aufzeigen soll», so Egger.