Wer sich in den letzten Jahren eine Ferienwohnung in den Schweizer Alpen gekauft hat, darf sich zu den Gutbetuchten zählen. Ganz anders die Einheimischen und saisonalen Arbeitskräften. Viele von ihnen arbeiten im Bau- oder Tourismusgewerbe und sind auf bezahlbare Wohnungen vor Ort angewiesen. Je besser eine Region touristisch läuft, umso rarer sind solche Wohnungen jedoch gesät.
Die Gemeinde Pontresina GR will nun reagieren und mit einer Steuer Zweitwohnungen weniger attraktiv machen. Zudem sollen die Einnahmen in die Förderung von Erstwohnungen fliessen.
Wohnungsnot in Tourismusgemeinden
Alternativen sind zu lukrativ
Investoren und Eigentümer können mit Ferienwohnungen und der Umnutzung von alten Erstwohnungen deutlich mehr Geld verdienen. Die günstige Vermietung an Saisonniers ist von allen Optionen am wenigsten lukrativ. Die Gemeinden sind entsprechend gefordert. «Die nötigen Instrumente dafür bestehen in der Nutzungsplanung bereits heute», sagt Damian Jerjen (50), Direktor des Schweizer Verbands für Raumplanung EspaceSuisse. «Umnutzungen sind bewilligungspflichtig. Die Gemeinden können so in Einzelfällen oder in einem ganzen Dorfperimeter Umnutzungen untersagen», so Jerjen.
Eine weitere Möglichkeit: Die Gemeinde legt in einer Zone einen Erstwohnungsanteil fest. Wird dieser unterschritten, dürfen keine Wohnungen mehr in Feriendomizile umgenutzt werden.
Kein Patentrezept
Darf im Dorfkern nicht mehr umgenutzt werden, sinken die Immobilienpreise. Damit können sich Einheimische wieder eher einen Kauf leisten. Oder aber, die Wohnungen kommen zu bezahlbaren Mieten auf den Markt. Ein schöner Nebeneffekt davon: «Die Dorfzentren werden mit Erstwohnungen das ganze Jahr über belebt. Aktuell trifft man hier vielerorts während neun Monaten im Jahr kalte Betten an», so Jerjen. Das kann zu einem Donut-Effekt führen: Leere Zentren und Bauten am Rand der Gemeinde. Einheimische, die es sich leisten können, bauen aktuell lieber am Dorfrand neu, als dass sie eine sehr teure, alte Wohnung kaufen.
Neben Einschränkungen können Gemeinden auch auf Anreize setzen, so Jerjen. «So können Bauherren mit einem Dichtebonus und damit mehr Wohnfläche belohnt werden, wenn sie preisgünstige Erstwohnungen bauen.»
Ein Patentrezept gebe es keins, betont der Raumplanungsexperte. «Man muss die Voraussetzungen in der Gemeinde anschauen und schauen, welche Instrumente am besten passen.»
Zermatt hofft auf Genossenschaftswohnungen
Einige Gemeinden werden auch selbst aktiv: Die Gemeinde Zermatt VS und das Nachbardorf Täsch setzen auf eine Genossenschaft, um mehr bezahlbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen. Im Sommer 2022 haben die Gemeinden zusammen mit Tourismusbetrieben und weitere Organisationen die Genossenschaft «Wohnraum Mattertal» gegründet. Diese suchen nun Immobilienbesitzer, die ihnen günstig Wohnungen für die Vermietung zur Verfügung stellen. Beispielsweise, weil sie sie selbst kaum mehr nutzen oder weil die Wohnung zuerst saniert werden muss.
Auch an Bauland ist die Genossenschaft interessiert. Dabei appelliert sie nicht nur ans soziale Gewissen der Eigentümer, sondern ködert sie auch mit der Aussicht auf weniger Aufwand für Vermietung und Unterhalt. Ob das funktioniert? Daran muss gezweifelt werden. Seit der Gründung ist es, nach angeblich erfolgversprechenden Kontakten, still um die Genossenschaft geworden. Bisher scheint auf diesem Weg keine günstige Wohnung auf den Mietmarkt gekommen zu sein. Die Verantwortlichen waren am Dienstag für Blick nicht erreichbar. Doch ohne finanzielle Anreize oder Einschränkungen, scheint die Förderung von Erstwohnungen auf wackligen Füssen zu stehen.
Direktzahlungen für Erstwohnungen
Direktzahlungen sind eine weitere Möglichkeit: Im Wallis fördert der Kanton den Bau oder die Renovation von Erstwohnungen in ländlichen Gemeinden mit bis zu 25'000 Franken – im Dorfkern gar mit bis zu 50'000 Franken. Auch einige Gemeinden unterstützen Sanierungsprojekte alter Wohnungen, die als Erstwohnsitz vorgesehen sind, mit grosszügigen Beträgen.
Ist der Erstwohnungsmarkt besonders angespannt, können Gemeinden zudem über bestimmte Gebiete eine Planungszone erlassen. In dieser sind Umnutzungen blockiert, bis die entsprechenden Massnahmen umgesetzt werden.