Sie arbeiten seit Mitte Jahr in der Schweiz. Welches Schweizerdeutsch-Wort lernten Sie als erstes?
Stephanie Schulze zur Wiesch: Zu meinem allerersten Schweizer Wort kam ich schon vor drei Jahren zu meiner Zeit beim deutschen Bahnreiseveranstalter Ameropa: «Hoi zäme». Finde ich immer noch total nett. Gelernt hatte ich es im E-Mail-Verkehr mit der Schweizer Railtour, die zu meinem heutigen Arbeitgeber DER Touristik Suisse gehört.
Ihr Vorgänger Dieter Zümpel schnappte bei seinem Start 2016 als erstes Schweizerdeutsch-Wort «Gärtlidänke» auf. Wird das immer noch so stark gepflegt?
Das ist zwar drin in meinem Sprachschatz, aber ich höre das Wort hier praktisch nie. Und ich spüre es auch nicht.
Die Deutschen seien am Arbeitsplatz sehr viel direkter und härter als die Schweizer, heisst es. War Ihr Start hierzulande diesbezüglich ein netter Kulturschock?
Tut mir leid, wenn ich da ein Klischee zerstöre. Aber ich spüre überhaupt keinen Unterschied.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Weil am Zürcher Sitz von DER Touristik Suisse so viele Deutsche arbeiten?
Es gibt zwar welche, aber die Schweizerinnen und Schweizer sind in der Überzahl. Im Geschäftsleben gibt es immer und überall die Leisen und die Lauten, die Introvertierten und die Extrovertierten. Grundsätzlich läuft es hier gleich wie in Deutschland. Man hält sich in der Schweiz nicht vornehm zurück, sondern nimmt Position ein, debattiert und diskutiert. Also da gibt es null Kulturschock.
Und wie unterschiedlich zeigen sich Kundinnen und Kunden in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland?
Hier ist der Unterschied tatsächlich gross – grösser noch, als ich zunächst dachte. Herr und Frau Schweiz haben sehr konkrete Reisepläne, sie machen sich im Vorfeld viele Gedanken und brauchen dann Expertise, um ein individuelles Reisepaket buchen zu können. In Deutschland ist die Mehrheit der Gäste oft schon mit einer klassischen Pauschalreise zufrieden.
In Deutschland eher ab der Stange, in der Schweiz mehr Sonderwünschli?
Absolut. Mir gefällt die Schweizer Art natürlich, denn so kommt uns als Reiseveranstalter die Rolle zu, sehr individuelle und ganz besondere Reisewünsche zu erfüllen.
Letztes Klischee: Der Preis ist in Deutschland ist wohl einiges wichtiger als in der Schweiz, korrekt?
Ist schon so. Der Preisvergleich ist in Deutschland sehr wichtig. In der Schweiz steht eher das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund.
Sie sind vor sechs Monaten angetreten und konnten DER Touristik Suisse im Nach-Corona-Boom übernehmen. Wie läuft das Geschäft?
Es läuft richtig gut. Wir sind jetzt knapp davor, das Niveau von 2019 wieder zu erreichen, was deutlich über unserem Budget liegt.
Im September 23 prognostizierten Sie den Umsatz per Ende Jahr auf 600 Millionen Franken. Wie sieht das nun kurz vor Jahresende aus?
Da kommen wir ziemlich genau hin.
Was läuft besonders gut?
Sehr stark läuft unser Nordeuropa-Veranstalter Kontiki, ebenso haben Safaris und Asien-Reisen aufgeholt. Letztere noch nicht überall. Japan wird sehr stark nachgefragt, in Ländern wie China und Myanmar hält der Ausnahmezustand aus unterschiedlichen Gründen an.
Was läuft weniger gut?
Vor der Pandemie haben wir in Kooperation mit Ochsner Sport die Marke Kuoni Sports aufgebaut. Corona traf unser «Startup» natürlich besonders hart. Das ist noch ein zartes Pflänzchen, aber es wächst.
Wie läuft es mit den Vorbuchungen für 2024?
Das Reisejahr 2024 ist sehr stark angelaufen. Im klassischen Badeferiengeschäft sind wir 2024 doppelt so stark unterwegs wie noch vor einem Jahr.
Ihr Unternehmen beschäftigte einst über 1300 Angestellte. Heute sind es noch 900. Wo geht die Zahl mittelfristig hin?
Das wird in etwa so bleiben.
Viele Touristikunternehmen haben Mühe, Personal zu finden. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Wir tun uns trotz mancher Rückkehrerinnen und Rückkehrer nach der Corona-Krise für bestimmte Funktionen auch nicht leicht, unseren Bedarf zu decken. Neben den klassischen Recruiting-Programmen setzen wir auch auf spezielle Programme für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Hier bieten wir Einführungsprogramme, was ganz gut läuft. Wenn wir es schaffen, Menschen aus anderen Branchen zu rekrutieren, dann bringt das auch neue Berufs- und Lebenserfahrungen in unser Unternehmen, was für uns einen hohen Wert hat. Auch wenn wir bei solchen Quereinstiegen mit einer längeren Einarbeitungszeit rechnen.
Wie hoch ist das maximale Alter für Quereinsteigerinnen und -einsteiger bei Ihnen?
Es gibt kein Maximalalter.
In der Regel beginnt die berufliche Todeszone so ab 55. Könnte man als 60-jähriger Quereinsteiger noch anheuern bei Ihnen?
Sechzigjährige mit Haltung und Drive nehmen wir sehr gerne. Wir haben im Vertrieb auch Persönlichkeiten um die siebzig, die immer noch tätig sind, als freie Mitarbeitende mit reduziertem Pensum.
Wie lange dauert die Quereinsteigerausbildung?
In der Regel ein Jahr.
Wenn sich eine sechzigjährige Bankerin oder ein sechzigjähriger Immobilienprofi bei Ihnen ausbilden lässt und sich dann im Fulltime-Job an einen Kuoni-Reisebüroschalter setzt: Welches Gehalt darf sie oder er dann erwarten?
Das hängt auch ein Stück weit vom Verkaufstalent des oder der Mitarbeitenden ab, da wir im Vertrieb eine Umsatzbeteiligung kennen. Darüber hinaus spricht für uns, dass wir Mitarbeitenden ermöglichen, die Schönheit der Welt zu Vorzugskonditionen zu entdecken.
Sie selbst haben ihre Touristikkarriere quasi per hyperlokale Blindbewerbung begonnen. Wie lief das genau ab?
Mit 22 bin ich einfach zum Flughafen Paderborn rausgefahren und habe die Reiseschalter abgeklappert. Das Studium allein war mir zu einseitig, ich wollte selber aktiv werden. Zunächst ging ich links rum, zum Neckermann-Counter, aber die hatten keinen Bedarf. Dann ging ich halt rechts rum und kam zum TUI-Schalter. Die wollten meine Telefonnummer – und riefen mich ein paar Tage später an. Und schon hatte ich den Job als studentische Aushilfe. Was bedeutete: Schalterdienst am Flughafen, manchmal schon ab drei Uhr morgens. Ticketdrucker anwerfen, kurzfristige Buchungen abwickeln, Passagiere zählen und die Zahl telefonisch dem Operation Center melden. Hat Spass gemacht.
Sagt uns das eher etwas über Ihr Selbstbewusstsein oder über Ihre Lust auf die Welt der Touristik?
Es sagt etwas über mein Wesen, das anpackende Machen. Ich lege gerne einfach mal los.
Würden Sie eine solche jugendliche Blindbewerbung heute als Chefin entgegennehmen und prüfen?
Aber klar doch, immer. Meine Bürotüre steht offen. Mein Tipp: Einfach machen.
Welche Leute suchen Sie?
Weiterhin die klassischen Reiseverkäufer, auf der anderen Seite aber natürlich auch Talente, die sich in Sachen Datenanalyse- und Online-Touristik auskennen.
Bei Google verdienen die Youngster mehr – kann Kuoni mal so cool werden wie Google?
Ich denke, dass wir das schon sind. Für Leute, die neben der Arbeit günstig die Welt entdecken wollen, sind wir ein guter Ort. Kommt dazu: Unsere Leute können jedes Jahr eine achtwöchige Workation einlegen – also von irgendwo auf der Welt arbeiten, sofern die rechtlichen Bedingungen erfüllt sind.
Zu DER Touristik Suisse gehören neben den Marken Kuoni und Helvetic Tours zwölf Spezialisten. Sind Sie offen für weitere Akquisitionen?
Wir sind stark interessiert daran, die Zahl unser Spezialistenanbieter immer dort zu erweitern, wo wir Lücken haben. Bei Destinationen wie Australien und Ozeanien oder bei Themen wie Wandern oder Biken – da wären Zukäufe möglich und erwünscht.
Sind das eher kleine Arrondierungen – oder ist auch eine grössere Übernahme möglich?
Wir schauen uns am ehesten mittelgrosse Spezialisten an.
Sie sind als Kind viel gesegelt mit den Eltern. Haben Sie selber einen Segelschein?
Ja, den hab ich.
Würde ein Segeltörnanbieter ins Portfolio von DER Touristik Suisse passen?
Für ein Unternehmen wie das unsrige muss ein Thema skalierbar sein. Das Volumen ist schon wichtig. Beim Segeln wäre das eher schwierig. Aber bevor ich mir etwas nicht selber angeschaut habe, sage ich nicht schon im Vorhinein Nein.
Sie haben sich vor Ihrem Antritt in der Schweiz sicher genau eingelesen in die Historie der damaligen Kuoni Group. Warum musste das Unternehmen 2015 von der deutschen DER Touristik übernommen werden?
Es gibt die sachlich-nüchterne Sicht: Der grosse Teil des Kuoni-Group-Ergebnisses kam zum Schluss, längst nicht mehr aus dem Reise-Teil, sondern von Services wie den Visa-Diensten zu leben. Das ist das eine. Wofür ich kein Verständnis habe: dass Angestellte und Kunden das aus den Medien erfahren mussten. Die Kommunikation, intern wie extern, war schlecht. Das Topmanagement hatte sich von der Basis entkoppelt. Das ist noch immer in den Köpfen und den Knochen der Leute hier drin.
Was tun Sie, damit Sie nicht abheben?
Mich interessiert das operative Geschäft, da bin ich nahe dran. Kommunikation und persönliche Treffen sind mir extrem wichtig. Zuhören, Fragen stellen, den Teams Raum geben. Ich würde behaupten, mir könnte ein solches Abheben nicht passieren.
Kuoni: Vom Üetliberg in die Welt
1906 eröffnete der Unternehmer Alfred Kuoni am heutigen Bellevueplatz in Zürich das erste Kuoni-Reisebüro. Erstes Angebot: eine Zahnradfahrt auf den Üetliberg und eine Gesellschaftsreise in den Dolderpark. Preis: 1 Franken pro Person.
2015 verkaufte die Schweizer Kuoni Group ihr europäisches Reiseveranstaltergeschäft an die deutsche DER Touristik, die ihrerseits eine Tochter der Rewe-Handelsgruppe ist.
Ins Portfolio von DER Touristik Suisse gehören die bekannten Reisemarken Kuoni und Helvetic Tours plus zwölf Reisespezialisten wie etwa Manta (Tauchen), Railtour (Bahnreisen) oder Kontiki (Nordeuropa). Im Kalenderjahr 2023 kommt DER Touristik Suisse auf einen Umsatz von rund 600 Millionen Franken. Die eine Hälfte davon stammt von den Spezialisten, die andere aus dem Vertrieb von Badeferien unter den Marken Kuoni und Helvetic Tours.
Kuoni: Vom Üetliberg in die Welt
1906 eröffnete der Unternehmer Alfred Kuoni am heutigen Bellevueplatz in Zürich das erste Kuoni-Reisebüro. Erstes Angebot: eine Zahnradfahrt auf den Üetliberg und eine Gesellschaftsreise in den Dolderpark. Preis: 1 Franken pro Person.
2015 verkaufte die Schweizer Kuoni Group ihr europäisches Reiseveranstaltergeschäft an die deutsche DER Touristik, die ihrerseits eine Tochter der Rewe-Handelsgruppe ist.
Ins Portfolio von DER Touristik Suisse gehören die bekannten Reisemarken Kuoni und Helvetic Tours plus zwölf Reisespezialisten wie etwa Manta (Tauchen), Railtour (Bahnreisen) oder Kontiki (Nordeuropa). Im Kalenderjahr 2023 kommt DER Touristik Suisse auf einen Umsatz von rund 600 Millionen Franken. Die eine Hälfte davon stammt von den Spezialisten, die andere aus dem Vertrieb von Badeferien unter den Marken Kuoni und Helvetic Tours.
Bestimmt haben Sie im Archiv der Kuoni Group auch die teuerste Reise aller Zeiten gefunden: Wohin ging der Trip und wie üppig war er ausgestattet?
Ich habe nicht alle Jahre bis zur Firmengründung 1906 zurückverfolgt. Aber in der längeren Sicht zurück ist mir eine Reise besonders aufgefallen.
Was für eine Reise?
Aus Datenschutzgründen möchte ich nicht allzu viel dazu sagen. Was ich sagen kann: zwei Wochen Malediven, Anreise in der Business-Class, Reisegruppe mit zehn Personen, Dossierwert über 1 Million Franken.
Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen bezüglich aussergewöhnlicher Trips?
Die Buchung einer 180-tägigen Schiffsreise, vom Nordpol zum Südpol. Oder mal ein Kunde, der unterwegs war, um jedes Land der Erde für einen Tag zu besuchen. Und dann gibt es Reisen, die unsere Spezialisten aus vielen einzelnen Bausteinen individuell zusammensetzen. Rekordverdächtig war ein Trip mit 65 verschiedenen Elementen. Den Kern des Produktes hat man relativ schnell raus. Aber ich möchte auch die Extreme verstehen.
Wie hoch liegt ein durchschnittliches Dossier, also eine Reisebuchung für typischerweise zwei Personen?
Bei den Spezialistenmarken sind es im Schnitt über 10’000 Franken. Bei unseren Spezialisten für Afrika, Asien, Kreuzfahrten, den Indischen Ozean und Afrika liegen die Mittelwerte der Dossiers noch deutlich darüber.
Die Marke Kuoni wurde in Ihren eigenen Reisebüros lange Zeit als eine Art Gucci des Reisens dargestellt. Wo wollen Sie mit der Marke hin?
Ich sehe Kuoni in Zukunft als eine Marke für eine breitere obere Mittelschicht. Niemand soll Schwellenangst haben. Lange wurde das Angebot von Kuoni verkleinert; wir werden es behutsam vergrössern. Die Erwartungen an eine Kuoni-Reise dürfen aber auch weiterhin hoch sein.
Die meisten Markenartikler trachten nach einem Trading-up, sie wollen ihre Brands höher positionieren. Aber Sie gehen mit Kuoni quasi eine Treppenstufe runter?
Das sind Ihre Worte. Was mir wichtig ist: Die Marke soll verbreitert und demokratischer werden. Natürlich mit all der Strahlkraft und dem Glanz, den Kuoni hat. Und: Kuoni ist weiterhin erste Anlaufstelle für all jene, die etwas ganz Exklusives erleben wollen.
Wer ist ein typischer Kuoni-Kunde?
Oft sind es die Babyboomer und die Generation X. Die Kinder sind ausgeflogen, man hat mehr Zeit. Dazu aber in letzter Zeit auch wieder jüngeres Publikum, gut ausgebildete Paare, aktiv im Jobleben und mit grossen Reisewünschen.
Vollbluttouristikerin
Name: Stephanie «Steffi» Schulze zur Wiesch
Funktion: CEO von DER Touristik Suisse
Familie: verheiratet mit einem Wirtschaftsprüfer
Alter: 50
Karriere: Seit Juni 2023: Chefin von DER Touristik Suisse
2020 bis 2023: Chefin des deutschen Bahnreiseveranstalters Ameropa
2017 bis 2020: Chefin des Ferienwohnungsportals Atraveo und Wolters Reisen (beides TUI)
1999 bis 2017: In zehn verschiedenen Positionen beim deutschen Reiseveranstalter TUI
Ausbildung: BWL- und Tourismusstudium an der Universität Paderborn
Vollbluttouristikerin
Name: Stephanie «Steffi» Schulze zur Wiesch
Funktion: CEO von DER Touristik Suisse
Familie: verheiratet mit einem Wirtschaftsprüfer
Alter: 50
Karriere: Seit Juni 2023: Chefin von DER Touristik Suisse
2020 bis 2023: Chefin des deutschen Bahnreiseveranstalters Ameropa
2017 bis 2020: Chefin des Ferienwohnungsportals Atraveo und Wolters Reisen (beides TUI)
1999 bis 2017: In zehn verschiedenen Positionen beim deutschen Reiseveranstalter TUI
Ausbildung: BWL- und Tourismusstudium an der Universität Paderborn
Sie betreiben in der Schweiz aktuell 71 Reisebüros. Bauen Sie da eher aus oder eher ab?
An das grosse Reisebürosterben glaube ich überhaupt nicht. Dort, wo es Chancen gibt, neue passende Standorte zu akquirieren, prüfen wir das, dann legen wir dort zu. Dort, wo Verträge auslaufen oder eine verrückte Mietpreiserhöhung für ein Reisebüro reinkommt, wird es dann vielleicht eines weniger. In der Tendenz bleibt die Zahl stabil.
Warum glauben Sie nicht an den Niedergang des Reisebüros? Heute kann man sich ja online alles selber zusammenbauen.
Das mag sein. Aber wir haben Expertise für Angebote, die sich online so nicht oder nur sehr schwer finden lassen. Durch Corona sind viele Kundinnen und Kunden aus Sicherheitsüberlegungen ins Reisebüro zurückgekommen. Und dann gibt es eine aktuelle Entwicklung, die mich sehr freut: Es kommen sehr viel junge Leute, Neukundschaft, in unsere Büros.
Warum tun die Youngsters das?
Von unseren Kolleginnen und Kollegen höre ich: weil sie keine Zeit und Lust mehr hätten für ellenlange Recherchen im Netz.
Weil sie ihre Zeit lieber fürs Gaming und für Netflix einsetzen?
Mag sein. Aber es wird noch besser: Die Jungen bringen ihre Eltern zurück ins Reisebüro. Was wir dann hören: «Meine Tochter hat uns Ihr Reisebüro empfohlen.» Was uns freut. Aber es heisst auch, dass wir uns beweisen müssen. Nicht per Verkauf von 08/15-Angeboten, sondern mit passenden Reisen und Reisebausteinen.
Aufgrund der sehr heissen Sommer wird vermutet, dass Gäste in der Hochsaison vermehrt Richtung Norden ausweichen könnten. Wie sehen Sie das?
Dass unser Nordeuropa-Spezialist sehr gut läuft, habe ich Ihnen schon gesagt. Was wir zusätzlich sehen: Die Saisons glätten sich leicht. Statt im Hochsommer zu verreisen, macht man das lieber vorher oder ganz besonders nachher. Der Herbst ist der neue Sommer.
Wer früher sommers nach Sardinien und Rhodos reiste, weicht jetzt lieber nach Turku und Tromsø aus? Das ist schwer zu glauben.
So einfach ist es auch nicht, und die Wanderungsanalyse ist noch im Gange. Aber der Trend nach Norden zeigt sich. Wobei man da jetzt aufpassen muss, dass es in Skandinavien nicht zu Overtourism-Tendenzen kommt. In Südschweden und Nordisland unterstützen wir Destinationen bei einer nachhaltigen Entwicklung hin zu einem attraktiven Reiseziel.
Wie sehr kann der Klimawandel Ihr Geschäftsmodell beeinflussen und erschweren?
Angesichts der Brände und unüblich hohen Temperaturen im Reisesommer 2023 muss man sagen: Der Einfluss zeigt sich heute schon. Mit zwei hauptsächlichen Auswirkungen: Die Reiseströme werden sich geografisch und zeitlich verändern.
Wer ist Ihr grösster Konkurrent? Hotelplan, Airbnb oder Booking.com?
Innerhalb der Touristik besetzt jeder Player seinen Platz. Ich sehe einen Mitbewerber aus einem ganz anderen Gebiet: die grossen geopolitischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die schlechten Nachrichten, die auf die Stimmung drücken.
Kurz nach Corona stellten sich hohe Preisanstiege beim Reisen ein. Wie geht das 2024 weiter?
Der durchschnittliche Reisepreis ist jetzt schon ein Stück weit zurückgegangen. Meine Prognose: Die Preisanstiege haben ein Ende. Es wird mindestens nicht mehr teurer. Für unser Geschäft ergibt sich daraus eine neue Situation: 2023 war unser Umsatzwachstum von höheren Preisen getrieben. Das Wachstum, das wir aktuell für 2024 sehen, lebt nicht von Preiserhöhungen, sondern von höheren Gästezahlen.