Viele Menschen im Mittelmeerraum konnten sich in den letzten Monaten über einen richtigen Wirtschaftsboom freuen – ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen in Europa. Der Badetourismus ist in Ländern wie Griechenland, Portugal und Italien der Wachstumsmotor.
Doch in Gebieten auf Rhodos, Korfu oder Sizilien brennen die Wälder lichterloh. Im Waldbrandgebiet auf Rhodos im Südwesten mussten am letzten Wochenende Dutzende Hotels evakuiert werden. Genauso auf Sizilien, wo 2000 Gäste in Sicherheit gebracht werden mussten.
Kurzfristig einige Stornierungen
Die Waldbrände schrecken einige Gäste davon ab, ihre Ferien in der Region überhaupt anzutreten. «Kurzfristig hat es einige Absagen gegeben. Ein grosser Teil der Kundschaft hält jedoch an den Ferien auf Rhodos fest, weil bei weitem nicht die ganze Insel betroffen ist», betont Markus Flick, Sprecher bei Kuoni. Bei dem Reiseveranstalter können die Kundinnen und Kunden ihre Rhodos-Ferien bis am 30. Juli gratis stornieren und noch bis am 13. August umbuchen.
Auch bei Hotelplan kann die Kundschaft bis am Freitag gratis stornieren oder umbuchen. «Die meisten unserer Kundinnen und Kunden, die diese Woche nach Rhodos gereist wären, haben dieses Angebot angenommen», schreibt Sprecherin Bianca Gähwiler.
Die unmittelbaren, wirtschaftlichen Auswirkungen von Waldbränden sind gewaltig: Wenig überraschend bleiben in den Gemeinden, auf deren Boden die Feuer toben, die Betten leer, wie eine Studie aus Portugal im Auftrag des portugiesischen Nationalfonds zeigt.
Gäste kehren meist rasch zurück
Auch in den umliegenden Dörfern bleiben Gäste fern, wenn auch in deutlich geringerem Ausmass. Je grösser der Waldbrand, umso mehr Gäste bleiben weg. Drei Monate nach den Bränden kommen hingegen etwas überraschend mehr Gäste als zuvor – ein Kompensationseffekt, heisst es.
«Wenn die Infrastruktur nicht beschädigt oder die touristisch wichtige Landschaft intakt geblieben ist, kehren die Gäste ziemlich schnell zurück», bestätigt Roland Schegg (60), Professor für Tourismus an der Hochschule HES-SO Valais-Wallis. Anders sehe es natürlich aus, wenn viele Gebäude und Hotels beschädigt worden sind.
Was jedoch beunruhigt: Die Zahl der Waldbrände in Portugal ist seit der Jahrtausendwende deutlich gestiegen. In den meisten Fällen sind zwar Menschen schuld daran. Doch steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit erhöhen das Risiko, dass menschliche Unachtsamkeit ganze Wälder in eine Feuerwand verwandelt.
Immer mehr, immer grössere Brände
Die leeren Hotels und Restaurants in den aktuellen Waldbrandgebieten am Mittelmeer sind ein beunruhigender Fingerzeig in die Zukunft. Die Ausfallrisiken im Badetourismus dürften deutlich ansteigen, wie eine andere Studie zu den Auswirkungen von Wildfeuern auf den Tourismus in Portugal zeigt. Die Autoren rechnen damit, dass der touristische Schaden von Waldbränden bis 2030 auf jährlich bis zu 60 Millionen Euro hochgeht – und bis 2050 gar das Vierfache davon betragen könnte.
Gleichzeitig führen die steigenden Temperaturen bis Mitte des Jahrhunderts dazu, dass sich grosse Teile des Mittelmeerraums klimatisch eher Saudi-Arabien angleichen. Badeferien im Hochsommer dürften damit deutlich an Attraktivität verlieren. Somit steht für die Regionen viel auf dem Spiel: Jährlich legen sich über dreihundert Millionen Menschen irgendwo an einen Mittelmeerstrand – und sorgen vor Ort für dreistellige Euro-Milliardenumsätze.