Blick-Leserreporter Bruno C.* befand sich jüngst auf einer Kreuzfahrt mit MSC Cruises in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von dort berichtete er: «Wir sind sehr erstaunt, dass die Mehrheit der Passagiere aus Russland stammt.» Seine Diskussionen mit Schiffspersonal hätten ergeben, dass dies bereits seit längerer Zeit so sei.
Was ihn daran stört, sind nicht die russischen Passagiere an sich. Aber dass eine Reederei mit Hauptsitz in der Schweiz – MSC Cruises hat ihren Sitz in Genf – trotz des Krieges in der Ukraine weiterhin Geschäfte mit russischen Passagieren mache.
Juristisch sauber
MSC Cruises hält auf Anfrage von Blick fest: «Wir respektieren die Gesetze der Länder, in denen unsere Schiffe verkehren.» Zusätzlich muss sich MSC Cruises aber auch an die Gesetze und Vorschriften des Heimatlandes, also der Schweiz, halten. Die Schweiz hat die EU-Sanktionen gegen Russland weitestgehend übernommen. Diese umfassen vor allem Import- und Exportverbote im Güterbereich sowie Finanztransaktionen. Dazu wurden Reiserestriktionen ausgesprochen. Als Folge davon fliegen aktuell keine Fluggesellschaften mehr aus Russland in den EU-/Schengen-Raum, also auch nicht in die Schweiz.
Solche Restriktionen existieren aber in anderen Ländern nicht. Per Januar 2023 können Bürger und Einwohner der Russischen Föderation visumsfrei in 83 Länder einreisen. Dazu zählen auch beliebte Feriendestinationen wie Ägypten, Thailand, die Emirate oder die Türkei. Selbst Ziele nahe der USA, wie Mexiko oder Costa Rica, stehen ihnen offen. «Die Gäste können von einem Hafen ihrer Wahl aus an Bord gehen, solange es keine Beschränkungen für ihre Einreise oder ihren Aufenthalt in dem Land gibt, von dem aus das Schiff abfährt», hält MSC in diesem Zusammenhang fest.
Russen, die nicht in Russland wohnhaft sind
Da die Gesamtzahl der verfügbaren Ferienziele für Russen abgenommen hat, sind nun mehr Touristen in den weiterhin «erlaubten» Ferienzielen anzutreffen. Das könnte erklären, weshalb der Anteil der russischen Passagiere auf Schiffen im Nahen Osten zugenommen hat.
Doch MSC Cruises verneint, dass dies überhaupt der Fall ist. Konkrete Zahlen zu russischen Gästen werden nicht abgegeben, aber in Genf spricht MSC von «wenigen Passagieren» aus Russland: «Es sei darauf hingewiesen, dass die meisten der wenigen Russisch sprechenden Personen, die in letzter Zeit auf einem unserer Schiffe gereist sind, entweder Bürger anderer Länder sind oder russische Staatsbürger, die in anderen Ländern wohnen.»
Schliesslich kann ein in der Schweiz ansässiger russischer Staatsbürger genauso wie jeder andere hier ansässige Nicht-Schweizer beispielsweise ein Kreuzfahrtticket oder einen Hotelaufenthalt in Dubai und Abu Dhabi buchen und dorthin reisen, ohne dass seine Anwesenheit oder sein Transit von der Schweiz oder den VAE eingeschränkt wird. Nicht zuletzt könnte es sein, dass vermeintlich Russisch sprechende Passagiere gar keine Russen sind – sondern vielleicht Ukrainer oder Personen, die eine andere, ähnlich klingende slawische Sprache sprechen.
Buchungen aus Russland möglich
Aber: Es ist durchaus möglich, dass eine in Russland wohnhafte Person auf einem MSC-Schiff mitreist. Denn MSC Cruises geht hier offenbar anders vor als andere Reedereien. Im Mai 2022 berichtete der Verband der russischen Reiseveranstalter, dass die Carnival Corporation ohne öffentliche Ankündigung keine Kreuzfahrten mehr an «Bürger, die auf dem Territorium der Russischen Föderation, der Republik Belarus sowie auf dem Territorium der ukrainischen Gebiete Donezk und Lugansk wohnen», mehr verkaufen würden. Reisen mit MSC Cruises seien indes über deren russischen Generalgenten PAC Group noch erhältlich.
Ein Blick auf die Website der PAC Group zeigt, dass Reisen mit MSC für Einwohner Russlands 2022 noch buchbar waren; für 2023 allerdings erst wieder Ende Jahr. Auf diesen Hinweis will MSC Cruises nicht näher eingehen. Mitbewerber TUI Cruises erklärt, dass keine Reisen im russischen Quellmarkt vertrieben werden. Bei Aida Cruises verhält es sich genauso.
Der Ukraine-Krieg trifft das Kreuzfahrtgeschäft
Schon früh nach Ausbruch des Krieges haben alle grösseren Kreuzfahrt-Reedereien ihre Routen von und nach Russland aufgegeben. Anstelle von St. Petersburg wurden vermehrt baltische Häfen angefahren. Laut Schätzungen der britischen Reederei Panache Cruises entgingen der russischen Wirtschaft so bislang umgerechnet über 110 Millionen Franken. Eingestellt wurden auch Flusskreuzfahren auf russischen Flüssen. Reedereien können dort stationierte Schiffe nicht einsetzen.
Nicht zuletzt hat der Krieg das Personalproblem auf Schiffen verstärkt. Viele Crew-Passagiere kommen üblicherweise aus der Ukraine. Doch aktuell können Ukrainer wegen des Kriegs keinen Jobs auf Schiffen nachgehen.
* Name von der Redaktion geändert