Bundesbern plant fragwürdige Privilegien für Schweizer Schifffahrtsgesellschaften
Steuergeschenk für superreiche Reeder

Schweizer Schifffahrtsgesellschaften sollen in Zukunft nicht mehr nach Gewinn besteuert werden, sondern nach Transportkapazitäten. Die Sonderreglung ist willkürlich, hat in Bundesbern aber gute Chancen auf Erfolg.
Publiziert: 11.12.2022 um 08:57 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2022 um 15:01 Uhr
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Die Mediterranean Shipping Company (MSC) ist die grösste Containerreederei der Welt – und hat ihren Sitz in der Schweiz.
Foto: imago/Hollandse Hoogte
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Reederfamilie Aponte, der die Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf gehört, erlebt herrliche Zeiten. Gemäss dem neusten Reichen-Ranking der «Bilanz» nahm das Vermögen von Firmengründer Gianluigi Aponte (82) und seinen Angehörigen in diesem Jahr um sagenhafte 11 Milliarden zu. Es soll sich nun auf 19 bis 20 Milliarden Franken belaufen.

Grund für den Zuwachs ist Corona. Die Pandemie liess die Gewinne im Seefrachtgeschäft geradezu explodieren. Probleme mit den globalen Lieferketten haben die Frachtpreise in ungeahnte Höhen getrieben. Aktuell werden für einen Container von Asien nach Europa mehr als 10'000 Dollar fällig, vor Corona waren es rund 2000. Die MSC, die mehr als 700 Schiffe betreibt, profitiert davon wie kaum ein anderes Unternehmen.

Doch es könnte bald noch besser kommen für Familie Aponte. Das Parlament in Bern liebäugelt nämlich mit einem satten Steuergeschenk für sämtliche Schiffseigner mit Sitz in der Schweiz. In Zukunft soll die Branche ihre Steuern nicht mehr auf Basis ihrer Gewinne bezahlen müssen, sondern auf Basis der Transportkapazitäten.

Mogelpackung Tonnagesteuer

Der Bundesrat bewirbt die sogenannte Tonnagesteuer als «Förderinstrument für die Seeschifffahrt». Im vergangenen Jahr hätte eine solche Regelung für die Reeder jedoch schlicht eine Steuerersparnis in Millionenhöhe bedeutet. Im Gegensatz zu den Gewinnen haben sich ihre Transportkapazitäten nämlich kaum verändert.

Die Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats sprach sich Mitte November trotzdem für die Einführung der Tonnagesteuer aus. Allerdings gab es nicht nur von linker Seite Widerstand, sondern auch von einzelnen Bürgerlichen – zum Beispiel von Jürg Grossen (53), dem Präsidenten der Grünliberalen.

Auf Anfrage von SonntagsBlick begründet Grossen seine Ablehnung damit, dass es «keinen nachvollziehbaren Grund» gebe, wieso Schifffahrtsgesellschaften nicht mehr nach ihrem Gewinn besteuert werden sollen, sondern nach ihren Ladekapazitäten. «Eine solche Ausnahmeregelung ist absolut willkürlich», so der Berner.

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«Eine solche Ausnahmeregelung ist absolut willkürlich.»
Jürg Grossen, Präsident GLP
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Das einzige Argument für die Tonnagesteuer ist laut Grossen, dass die EU ein solches Steuerregime bereits eingeführt hat. «Das ist aber kein gutes Argument – und ich befürchte, dass das Stimmvolk dieses Steuergeschenk für reiche Reeder an der Urne ablehnen wird.»

Der GLP-Präsident erinnert daran, dass die Linke bereits die Abschaffung der Verrechnungs- und Stempelsteuer mit einem Referendum verhindert habe, und prophezeit: «Bei dieser Steuervorlage, die ganz offensichtlich von der Wirtschaft bestellt wurde, wird es genauso sein.»

Der Grünliberale weist darauf hin, dass es ein Geschenk für SP und Grüne wäre, wenn das Parlament die Vorlage annimmt: «Und das mitten im Wahljahr!»
Ob es tatsächlich so weit kommt, entscheidet sich kommende Woche. Dann kommt die Tonnagesteuer in den Nationalrat.

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