Gipfeli-Geld für Kriegstreiber
Migros wegen Zusammenarbeit mit Socar in der Kritik

Eine Petition fordert die Migros dazu auf, ihre Zusammenarbeit mit Socar zu beenden. Das Geld aus den Migrolino-Shops an den Socar-Tankstellen finanziere direkt den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien, so der Vorwurf.
Publiziert: 14.11.2022 um 06:34 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2022 um 12:33 Uhr
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Die Migros steht wegen ihrer Zusammenarbeit mit Socar in der Kritik. Tankstelle in Zürich.
Foto: Keystone
Sarah Frattaroli

Wo Migros draufsteht, ist nicht zwangsläufig Migros drin. Oder besser gesagt: Migrolino. Die Zusammenarbeit zwischen Migrolino und der staatlichen Ölgesellschaft Aserbaidschans, Socar, sorgt einmal mehr für Kritik.

Mehr als 200 Socar-Tankstellen gibt es in der Schweiz. 60 davon mit Migrolino-Tankstellenshop. Nur: Migrolino betreibt diese Shops gar nicht. Sie werden zwar mit Migrolino-Produkten beliefert, an den Läden prangt das Migrolino-Logo. Die Angestellten aber arbeiten für Socar. Ein sogenannter Franchising-Vertrag. Der Gewinn aus dem Gipfeli-Verkauf an der Tankstelle wandert zu Socar. Will heissen: nach Aserbaidschan.

Die Partnerschaft zwischen Migros und Socar besteht seit zehn Jahren – und sorgt immer wieder für Kritik. Nun erreicht sie einen neuen Höhepunkt: Eine öffentliche Petition fordert die Migros dazu auf, die Partnerschaft mit Socar zu beenden.

«Konsumenten werden hinters Licht geführt»

Hauptkritikpunkt: Durch die Partnerschaft finanziere Migros den autoritären Machthaber Aserbaidschans, Ilham Alijew (60). Er gilt als Kriegstreiber in der Region Bergkarabach an der Grenze zu Armenien. Die Kämpfe flammten zuletzt im September wieder auf. Socar ist nicht nur vollständig in aserbaidschanischem Staatsbesitz – sondern betreibt mitunter auch massive Propaganda, etwa über seine Facebook-Seite.

Die Petition gegen die Zusammenarbeit zwischen Migros und Socar wurde am Montagmorgen lanciert. Dahinter stehen verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGO), die SP und die Grünen. Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (46) trägt das Patronat über die Petition. «Ich liege der Migros seit Jahren in den Ohren», sagt er zu Blick. «Ohne Erfolg. Man merkt: Die Migros nimmt die Sache nicht ernst.»

Seiner Meinung nach werden die Konsumenten hinters Licht geführt: «Sie glauben, dass sie bei der Migros einkaufen. Tatsächlich kaufen sie aber bei Socar ein.»

Rohstoffdrehscheibe Schweiz – auch für Aserbaidschan

Die Migros wehrt sich: Man verfüge über keine Kontakte nach Aserbaidschan. «In Bezug auf den mehr als hundert Jahre alten Konflikt zwischen Armenien und Aserbeidschan orientieren wir uns – wie immer in solchen Situationen – an der Haltung des Bundesrates», schreibt die Migros. Fakt ist: Die Schweiz hat keine Sanktionen gegen Aserbaidschan erlassen. Zudem sei man über langfristige Verträge an Socar gebunden, so die Migros weiter.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Socar und der Schweiz gehen aber weit über die Migrolino-Tankstellenshops hinaus: Eine Socar-Tochterfirma hat ihren Sitz im Rohstoff-Hub Genf – und handelt von dort den Grossteil des aserbaidschanischen Öls und Gases. Die Rohstoffe überqueren dabei niemals die Schweizer Grenze, werden aber über die Bildschirme hiesiger Trader gehandelt.

Die Einnahmen aus dem Rohstoffhandel fallen für das Regime in Aserbaidschan weit stärker ins Gewicht als die Gipfeli-Verkäufe in den Migrolino-Shops. Dennoch zielen Müller-Altermatt und seine Mitstreiter bewusst darauf ab. «Die Migros betont öffentlich immer ihre Werte. Das passt einfach nicht mit Socar zusammen», argumentiert er.

Die Petitionäre hoffen auf mehrere Tausend Unterschriften, um moralischen Druck auf die Migros auszuüben. Bis Montagmittag waren erst wenige Hundert zusammengekommen.

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