Kolumne von Stefan Meierhans
Motivieren statt zwingen

Ist es wirklich eine gute Idee, die motorisierten Mitmenschen zum Umsteigen in klimafreundlichere Alternativen via extrem hohe Parkkarten-Gebühren zu zwingen? Ein guter Teil von ihnen hat keine Wahl beziehungsweise gute Gründe, das Auto zu nutzen.
Publiziert: 28.11.2022 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2022 um 16:09 Uhr
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

In der letzten Zeit schiessen mancherorts die Preise für Parkkarten in den Himmel. In manchen Städten oder Gemeinden waren/sind sogar vierstellige Beträge für Jahresparkkarten geplant. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch in den meisten Fällen soll mit der Preiserhöhung auch eine Klima-Lenkungswirkung erreicht werden. Der Klima-Zweck soll quasi die Mittel heiligen.

Auch ich kann nachvollziehen, dass der ÖV aus Klimagründen so viel wie möglich genutzt werden soll. Deshalb mache ich mich immer wieder sehr stark, dass er preislich und angebotsmässig zeitgemäss weiterentwickelt wird. Ich möchte, dass er überzeugt – und ihn alle nutzen, die es können. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer: Es wird noch lange Menschen geben, für die der ÖV leider nicht funktioniert: Sei es, weil sie Schicht arbeiten. Sei es, weil sie abgelegen wohnen. Sei es, weil sie schlechte Anschlüsse haben oder weil sie viel transportieren müssen. Oder weil sie beruflich nicht anders können: Oder haben Sie schon mal einen Sanitär mit einem Lavabo im Tram gesehen?

Die Gründe sind vielfältig, aber auch diese Menschen haben ein Recht auf bezahlbare Mobilität. Deshalb setze ich mich unter anderem dafür ein, dass die Preise der Parkkarten bezahlbar bleiben und nicht eine oft hypothetische maximale Lenkungswirkung den Preis diktiert. Aufgrund der mir vorliegenden Daten bin ich der Auffassung, dass ein verhältnismässiger und äquivalenter Tarif für die Anwohner-Parkkarten den Betrag von 400 Franken pro Jahr nicht übersteigen sollte.

Das habe ich vielen Städten und Gemeinden bereits empfohlen. Allein in diesem Jahr konnte ich bei rund zehn Städten und Gemeinden der Deutschschweiz und des Kantons Waadt grosse beziehungsweise sehr grosse Preissprünge verhindern. Darunter waren unter anderen die Städte Baden und Bern.

In Bern ist noch Bewegung in der Sache: Denn obwohl die geplante Erhöhung, auch aufgrund meiner Empfehlung, nur noch rund halb so hoch ausfallen soll wie ursprünglich geplant, sind noch zahlreiche Bernerinnen und Berner der Meinung, dass auch das zu viel ist. Die Unterschriftensammlung für ein Referendum läuft.

In meinen Augen ist das auch ein Zeichen dafür, dass einige Menschen an ihren finanziellen Belastungsgrenzen angekommen sind. Deshalb frage ich besorgt: Ist es richtig, Schichtarbeiter, Tramchauffeure (jemand muss am Morgen ja das erste Tram aus dem Depot fahren!) oder abgelegen wohnende Detailhandelsangestellte über ihr ohnehin oft kleines Portemonnaie lenken zu wollen?

Meine Überzeugung ist, dass Motivation, also gute Alternativ-Angebote, der bessere Weg sind. Auf diese Art können all jene gelenkt werden, die lenkbar sind – und die, die es nicht oder noch nicht sind, können auch leben. Richtig ist, wir sitzen alle in einem Boot und müssen schneller vorwärtskommen. Die Lösung muss sein, den Antrieb zu verbessern, und nicht, die Hälfte der Mannschaft über Bord gehen zu lassen.

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