Kolumne von Stefan Meierhans
Fit für die Zukunft?

Der ÖV ist klimafreundlich und in unserem Land sehr gut ausgebaut. Grundsätzlich ist er eine Zierde fürs Land und ein Standortvorteil. Aber er wird zu wenig genutzt. Das ruft nach Korrekturen.
Publiziert: 31.10.2022 um 08:36 Uhr
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Stefan MeierhansPreisüberwacher

«Fit für die Zukunft», lautet also der Auftrag. Eine echte Herkulesaufgabe, wenn man schaut, wo wir stehen: Aktuell hat der ÖV ungefähr einen Anteil von 20 Prozent an den von Personen gefahren Kilometern. Den Löwenanteil, nämlich rund 80 Prozent, fahren wir individuell mit dem Auto oder Motorrad. Selbst die äusserst hohen Treibstoffpreise haben daran wenig geändert. Zwar wurde der ÖV dadurch im Vergleich etwas günstiger, aber er blieb im Preisvergleich zum Auto «zweiter Sieger».

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – auch im Hinblick auf die Mobilität. Unsere Mobilitätsgewohnheiten ändern wir vor allem in Schlüsselmomenten. Normalerweise sind das Umzüge oder Jobwechsel. In der jüngsten Vergangenheit war Corona ein kollektiver Schlüsselmoment: Die Zahl der ÖV-Reisenden ging stark zurück und hat sich noch immer nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau eingependelt.

Nun sind die Spritpreise hoch, und damit geht ein Zeitfenster für «Winds of Change» auf. Was also bringt uns zum Ein- bzw. Umsteigen? Praktisch (Reisezeit) und günstig (Preis/Leistung) – das sind die ausschlaggebenden Punkte bei der Entscheidung: «Nimmst du den ÖV oder das Auto?»

Heute haben wir von Preis/Leistung andere Vorstellungen als noch vor 20 Jahren: Wer hätte gedacht, dass das GPS besser weiss als ich selbst, wo ich gerade bin? Wer hätte sich vorstellen können, dass man die gefahrene Strecke punktgenau abrechnen kann? Wer hätte gedacht, dass man für ein Billett nur den Finger übers Display des Telefons schieben muss? Grosse Teile unseres Lebens wurden in den letzten Jahren neu gedacht, und die daraus resultierenden Möglichkeiten sind schier endlos. Das schafft Bedürfnisse – auch im ÖV: Abos für die Anzahl Tage, die man tatsächlich braucht (Teilzeit-/Homeoffice-Abo), automatisch generierte Billette mit dem günstigsten Preis für die gewählte/gefahrene Strecke, Rabatte, wenn man die kostengünstigen E-Kanäle nutzt, Sparbillette und vieles mehr.

Warum nur haben wir das nicht schon längst? Ein Grossteil der Antwort ist, dass die gewachsenen Strukturen unseres ÖV-Systems am Limit sind. So wie es keinen Sinn ergibt, einer Pferdekutsche einen Motor einzubauen, so wenig ergibt es Sinn, in den Strukturen der analogen Welt die Zukunft der digitalen Welt zu suchen. Nach reiflicher Prüfung scheint die Branche zu diesem Schluss gekommen zu sein und will die Weichen mit einem einheitlichen E-Tarif stellen. Ich begrüsse das sehr, denn so wird es möglich, individuell passende Produkte jederzeit auf bequeme Art und Weise zur Verfügung zu stellen.

Viele teure Schwierigkeiten der analogen Welt können so verschwinden. Niemand wird sich mehr fragen müssen: Habe ich das richtige Billett gelöst? Wieso wird mein Abo nicht angerechnet? Wieso hat man mir ein teures Billett verkauft, obwohl es günstiger gegangen wäre? Ich denke, das ist der richtige Weg – und wir alle sollten die Branche darin bestärken und unterstützen.

Ich verstehe, dass sich der eine oder andere schwertut mit Veränderungen. Doch den Lauf der Welt können wir nicht aufhalten. Ich möchte an den Henry Ford zugeschriebenen Ausruf erinnern: «Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.» Die Automobile kamen trotzdem, und sie sind seit weit über 100 Jahren ein fester Bestandteil unseres Lebens.

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