KMU aus Wil SG setzt auf Heimarbeit
«Für die Angestellten hat das Modell einige Vorteile»

Die klassische Heimarbeit in handwerklichen Berufen ist praktisch ausgestorben. Einige Firmen setzen jedoch nach wie vor darauf. Eine davon: die Heimgartner Fahnen AG in Wil SG.
Publiziert: 07.05.2024 um 18:02 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2024 um 16:11 Uhr
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Bei der Heimgartner Fahnen AG setzt man praktisch seit der Gründung im Jahr 1948 auf Heimarbeit. Im Bild die 1.-August-Fahne am Säntis.
Foto: Zvg
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Homeoffice ist in Bürojobs mittlerweile gang und gäbe. In einigen Berufen kann gar vollständig von daheim aus gearbeitet werden, wie ein Blick auf Online-Jobportale zeigt. Sei es im Kundensupport oder als Sachbearbeiter beim Personaldienstleister Adecco. Bei handwerklichen Berufen hingegen existiert kaum Heimarbeit. Oder besser gesagt kaum mehr. 

Dabei würden Angestellte auch hier von ähnlichen Vorteilen profitieren: Vor allem von den flexiblen Arbeitszeiten, wie im Fall von Sandra Betschart-Müller (42), die für Victorinox in Heimarbeit «Swisscards», ein «Taschenmesser» in Kreditkartenformat, zusammenstellt. «Für mich ist das ein extremer Luxus», sagt sie zu Blick. Und meint damit die Vereinbarkeit von Arbeit und ihrer Familie mit zwei Kindern. 

KMU setzt auf Heimarbeit

Auch bei der Heimgartner Fahnen AG setzt man auf Heimarbeit. «Und das praktisch seit der Firmengründung im Jahr 1948», sagt Inhaber und Geschäftsführer Nicos Höhener (43). Zehn Mitarbeiter stellen für die Firma in Heimarbeit Ministrantenkleider, Autowimpel und Fahnen her. «Für die Angestellten hat das Modell einige Vorteile. So können auch Menschen, die nicht in kaufmännischen Berufen arbeiten, zu flexiblen Zeiten von daheim aus arbeiten. Etwa, wenn die Kinder im Bett sind», so der Geschäftsführer. Auch für Leute mit mehreren Teilzeitjobs sei die frei einteilbare Arbeitszeit ein Vorteil, führt er aus. 

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Die 50 Festangestellten in der Produktionsstätte in Wil SG stellen Halbfabrikate her, schneiden Stoffe zu und bereiten für die Heimarbeiterinnen alles vor. Diese holen die Chargen dann ab und produzieren die Ware daheim fertig. 

«Mitarbeiterinnen anständig entlöhnen»

Für die Arbeit brauchen sie nur eine Nähmaschine und Scheren. Bezahlt wird, wie es in der klassischen Heimarbeit auch früher oft der Fall war, meist nach Stückzahl. Hobbymässig eine Nähmaschine bedienen zu können, reicht für die Arbeit bei der Heimgartner AG aber nicht aus. «Gerade die komplexeren Arbeiten setzen eine hohe Fingerfertigkeit voraus. Die meisten Heimarbeiterinnen sind gelernte Damenschneiderinnen. Man darf in der Qualität keinen Unterschied merken, ob ein Produkt in Heimarbeit oder in unserer Produktionsstätte entstanden ist», betont Höhener. 

Auf die Stunde gerechnet erhalten die Heimarbeiterinnen knapp 30 Franken pro Stunde – inklusive Feriengeld und bezahltem Fahrtweg. «Uns ist es wichtig, dass die Mitarbeiterinnen anständig entlohnt werden», so der Geschäftsführer.

Die Blütezeit der Heimarbeit

Auch bei der Rolph AG in Kloten ZH setzt man auf Heimarbeit. Die Angestellten stellen Perücken und Haarteile her. Die Kunden: Menschen in einer Chemotherapie oder die unter Haarausfall leiden. Die Näher und Näherinnen haben nach einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit die Möglichkeit, die massgefertigten Perücken in Heimarbeit zu erstellen.

In der klassischen Heimarbeit gibt es heutzutage schweizweit nur noch wenige Arbeitsplätze. Das war früher ganz anders. Bevor in Fabriken mit grossen Maschinen viele Tätigkeiten automatisiert wurden, machte die Heimarbeit den Grossteil der industriellen Produktion aus. Gerade in der Textilbranche und in der Uhrenindustrie war sie weit verbreitet. Um 1900 entfiel dann bereits nur noch ein gutes Drittel der Produktion auf die Heimarbeit. Und Mitte des 20. Jahrhunderts spielte sie vor allem noch in der Textilindustrie eine Rolle. 

Das Ende der Zentralstelle

2004 haben gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung noch 56'500 Heimarbeitsverhältnisse bestanden. Der grösste Teil arbeitete in den Bereichen Druck und Papier, Maschinen, Textil und Uhren. 10'000 bis 15'000 im Bereich Telearbeit – also Bürojobs – so die damalige Schätzung der Schweizerische Arbeitszentrale für Heimarbeit (SZH).

Doch die SZH wurde 2012 aufgelöst und in die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) integriert. Die Vermittlung von Heimarbeit – sei es von Seiten von Arbeitgebern und auch Arbeitnehmern – war kaum mehr gefragt. Bei der SAB sah man in Heimarbeit eine Chance fürs Berggebiet. Insbesondere dank der technologischen Entwicklung und der Möglichkeit zu Homeoffice.

Die SAB löste die Zweigstelle dann aber 2014 auf, da schlicht das Interesse fehlte. Einige Jahre später erlebte Homeoffice auch dank der Corona-Pandemie einen regelrechten Boom – von dem auch die Berggebiete profitiert haben.


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