Sandra Betschart-Müller (42) zeigt ihren Arbeitsplatz
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«Arbeite fünf Stunden pro Tag»:Sandra Betschart-Müller (42) zeigt ihren Arbeitsplatz

«Lege auch mal eine Nachtschicht ein»
Sie setzt zu Hause Messer für Victorinox zusammen

In Dienstleistungsberufen ist Homeoffice weit verbreitet – in der Produktion ist das ein Relikt aus der Industrialisierung und seither beinahe in Vergessenheit geraten. Sandra Betschart-Müller (42) arbeitet als klassische Heimarbeiterin. Uns hat sie ihre Arbeit gezeigt.
Publiziert: 06.05.2024 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2024 um 14:24 Uhr
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Sandra Betschart-Müller setzt zu Hause «Swisscards» für Victorinox zusammen.
Foto: Philippe Rossier
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Während es in den Victorinox-Fabrikhallen heiss, laut und stickig ist, geht es an Sandra Betschart-Müllers (42) Arbeitsplatz ruhig zu: Im Hintergrund läuft das Radio. Durchs Fenster scheint die Sonne. Betschart-Müller sitzt zu Hause an ihrem Arbeitstisch und baut für Victorinox «Swisscards» zusammen. Das «Taschenmesser» im Kreditkartenformat besteht aus acht Teilen. Bei Sandra Betschart-Müller sitzt jeder Handgriff: In Windeseile setzt sie Messerchen, Schere und Nagelfeile ein. 

Sandra Betschart-Müller ist eine von 32 Victorinox-Heimarbeiterinnen – allesamt Frauen aus der Region rund um die Fabrik in Ibach SZ. Alle zwei bis drei Wochen liefert Victorinox das Material für 5000 neue Swisscards zu ihr nach Hause. 50 Arbeitsstunden braucht sie, um die 5000 Stück zusammenzusetzen.

Wann genau sie die Arbeit erledigt, ist ihr überlassen. «Für mich ist das ein extremer Luxus», erzählt Betschart-Müller am heimischen Küchentisch. Sobald ihre beiden Kinder im Alter von neun und zwölf Jahren auf dem Weg zur Schule sind, beginnt ihr Arbeitstag. «Ich arbeite am Vormittag rund drei Stunden, bis ich mit dem Mittagessen anfange», rechnet sie vor. Sie isst gemeinsam mit den Kindern – und arbeitet weiter, wenn die beiden wieder in der Schule sind.

Der Hausaufgabentisch der Kinder steht im gleichen Zimmer wie Betschart-Müllers Arbeitsplatz. Die Kinder wissen, dass die Scherchen und anderen Einzelteile keine Spielzeuge sind, sondern der Job ihrer Mutter.

Gemütliches Arbeiten vor dem Fernseher? Mitnichten!

«Es kann auch mal sein, dass es pressiert, weil eine grössere Bestellung reinkam und es nicht mehr genug Produkte in der richtigen Farbe an Lager hat», erzählt die 42-jährige Schwyzerin. «Dann lege ich auch mal eine Nachtschicht ein.»

Im Normalfall hat sie mehr Zeit. «Da muss man konsequent sein, sich hinsetzen und die Arbeit erledigen», sagt Betschart-Müller. «Schleifen lassen kann man es nicht.» Nicht jeder bringt die nötige Selbstdisziplin mit. «Nebenher fernsehen geht nicht», hält sie fest. Denn beim Zusammensetzen macht Betschart-Müller auch eine Qualitätskontrolle, da ist höchste Konzentration gefordert. Sind die Metallstifte verbogen? Hat es Schleifspuren auf den Plastikgehäusen? Wenn etwas nicht stimmt, schickt Betschart-Müller die Charge zurück nach Ibach und erhält neue Teile.

Homeoffice vs. Heimarbeit

Sandra Betschart-Müller stieg vor 17 Jahren als Mitarbeiterin in der Fabrik ein. Fünf Jahre später wollte sie den Job an den Nagel hängen, weil das erste Kind unterwegs war – dann wurde bei den Heimarbeiterinnen eine Stelle frei. 22 Franken brutto verdienen die Heimarbeiterinnen durchschnittlich pro Stunde, je nach Alter und Ferienanspruch. Die Stellen sind heiss begehrt: Victorinox führt eine Warteliste.

In Dienstleistungsberufen ist Heimarbeit – modern: Homeoffice – spätestens seit der Pandemie Standard. In Produktionsbetrieben ist sie dagegen ein Relikt aus der Zeit der Industrialisierung, das seither beinahe in Vergessenheit geriet. Gesamtwirtschaftlich betrachtet spielt sie allerhöchstens noch eine Nebenrolle. Auch bei Victorinox: Im Vergleich zu den 1200 Victorinox-Angestellten in der Schweiz sind die 32 Heimarbeiterinnen eine verschwindend geringe Zahl.

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