Die Swiss hat in der Corona-Pandemie zu viel Personal entlassen – jetzt zahlen die Passagiere die Quittung. Im Frühling werden Hunderte Flüge für den Sommer gestrichen. Vor gut drei Wochen die nächste Stornierungs-Welle: Blick macht publik, dass die Lufthansa-Tochter weitere Verbindungen für den Juli, August und September zusammenkürzen und teilweise sogar ganz einstellen muss – 30'000 Passagiere sind betroffen. Für die Mehrheit springt Austrian Airlines ein, knapp die Hälfte steht ohne Flug da und muss umgebucht werden.
Doch damit nicht genug. Blick weiss: Den Swiss-Passagieren droht weiteres Ungemach – die dritte Stornierungs-Welle steht kurz bevor. Anfang Juli wird die Airline weitere Flugstreichungen bekannt geben müssen. Der Umfang ist noch unklar. Auch ob eine Partner-Airline teilweise wieder in die Bresche springen kann, ist ungewiss. Das Management berechnet derzeit noch, wie viele zusätzliche Flüge auf den Sommer hin gestrichen werden müssen und wie die Unannehmlichkeiten für die Kunden so gering als möglich gehalten werden können.
Swiss: «Leider sind Streichungen nicht zu vermeiden»
Die Swiss bestätigt die Blick-Recherchen auf Anfrage. «Leider sind weitere Streichungen in den kommenden Monaten aufgrund der verschärften Ressourcenknappheit in der gesamten Airline-Branche nicht zu vermeiden», sagt Sprecherin Karin Montani. «Sobald die Auswirkungen klar sind, werden wir unsere Fluggäste und Partner proaktiv informieren und automatische Umbuchungen vornehmen oder nach individuellen Lösungen suchen.» Die Flugstreichungen würden sich weiterhin im einstelligen Prozentbereich des geplanten Flugangebots bewegen.
Im Frühling wie auch Anfang Juni waren jeweils Verbindungen an die amerikanische Westküste von Kürzungen betroffen. Beispielsweise wurde die Flugfrequenz von Zürich nach San Francisco reduziert. Ob die USA als beliebtes Sommerferienziel ein drittes Mal betroffen sind, ist unklar. Beobachter rechnen damit, dass der Grossteil der Kürzungen die Kurzstrecke in Europa betreffen werden.
Aviatik-Branche kämpft mit Personalnot
Die Swiss ist in der Aviatik-Branche alles andere als ein Einzelfall. Die meisten Fluggesellschaften kämpfen diesen Sommer ebenfalls mit Personalnot. Erst diese Woche musste die Swiss-Muttergesellschaft Lufthansa insgesamt 2200 Flüge streichen. An zahlreichen europäischen Flughäfen kam es über das Pfingstwochenende zu langen Wartezeiten und Chaos. Diese Szenen dürften sich im Sommer wiederholen, sagte Christian Laesser (58), Tourismus-Professor an der Universität St. Gallen, Mitte Juni zu Blick.
Auch die Swiss weist gegenüber Blick daraufhin, dass man sich mit einem Branchenproblem konfrontiert sehe. «In der gesamten Airline-Industrie bestehen anhaltende Ressourcenengpässe bei der Flugsicherung in Europa, bei Boden- und Flughafendienstleistern weltweit sowie auch bei der Swiss.» Diese Engpässe würden sich aktuell zusehends verschärfen, «infolge der weiterhin ansteigenden Nachfrage, steigender Zahlen von Covid-Infektionen in einzelnen Ländern Europas sowie Streikaktivitäten an einzelnen europäischen Flughäfen und von einzelnen Flugsicherungen». Diese Rahmenbedingungen in der europäischen Airline-Industrie hätten «unmittelbare Auswirkungen» auf die Swiss.
Fast 2000 Stellen gestrichen
Infolge der Corona-Krise reduzierte die Fluggesellschaft ihre Flotte um 15 Prozent und baute bis Ende letzten Jahres rund 1700 Vollzeitstellen ab. Ausserdem stellte die Swiss Anfang des laufenden Jahres 150 Flugbegleiter auf die Strasse, weil sich diese nicht gegen das Coronavirus impfen liessen. Mittlerweile konnte man einen Teil der Entlassenen zurück in die Kabine lotsen, doch der Personalengpass für die Sommerferien bleibt aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage bestehen.
«Wir entschuldigen uns in aller Form bei den Fluggästen, die von einer Flugstreichung betroffen sind, und suchen für sie individuelle Lösungen», sagte Swiss-Betriebsleiter Oliver Buchhofer Anfang Juni zu Blick. Bereits in gut einer Woche dürfte also die nächste Entschuldigung folgen.