Schock kurz vor den Sommerferien: Die Swiss lässt am Dienstagnachmittag wie von Blick angekündigt Tausende Ferienträume platzen. Rund 100 Flüge werden gestrichen, darunter Verbindungen nach San Francisco und London. Die betroffenen Fluggäste werden entweder umgebucht oder erhalten ihr Geld zurück. Weitere 15'000 bis 20'000 Passagiere, die zwischen Juli und September nach Wien fliegen wollen, müssen ihre Reisepläne ändern. Die Swiss kann sie nicht transportieren – die Austrian Airlines springen für sie ein.
Der Grund ist die Personalnot bei der Schweizer Lufthansa-Tochter. Diese ist dermassen akut, dass im Sommer sogar Flight Attendants aus dem Mutterhaus in der Swiss-Kabine arbeiten müssen. «Die Swiss ist nicht alleine mit diesem Problem», sagt Christian Laesser (58), Tourismus-Professor an der Universität St. Gallen. Andere Airlines und auch Flughäfen hätten ebenfalls mit Personalmangel zu kämpfen.
Chaos im Sommer
Die Aviatik-Branche hat während der Coronavirus-Pandemie weltweit Hunderttausende Stellen verloren. «Es waren nicht nur Entlassungen», sagt Laesser. «Mitarbeiter am Boden und in der Luft haben während der Pandemie teilweise auch selber gekündigt und die Branche gewechselt.»
Die Auswirkungen haben Passagiere am Pfingstwochenende gespürt. An den Flughäfen in London, Amsterdam oder Frankfurt kam es zu Flugausfällen und stundenlangen Wartezeiten, weil das Personal fehlte. Laesser glaubt, dass sich diese Szenen im Juli und August wiederholen werden. «Es wird auch im Sommer zu Chaos an europäischen Flughäfen kommen. Das ist angesichts der aktuellen Personalsituation unumgänglich.»
Es dauert noch Jahre
Der Tourismus-Professor erinnert an die Pandemie: «Die zivile Luftfahrt ist mit Corona zu einem abrupten Halt gekommen. Nun wird versucht, das System wieder hochzufahren. Dass es dabei zu Problemen kommt, ist logisch.» Laesser beobachtet momentan ein multiples Optimierungsproblem, insbesondere bei Netzwerk-Airlines wie Swiss und Lufthansa.
Das Flugnetzwerk sei sehr komplex und von Variablen wie Zubringerdiensten, Slots etc. abhängig. Laesser: «Es könnte noch mehrere Jahre dauern, bis die Airlines wieder ein mehr oder weniger nachhaltiges Gleichgewicht gefunden haben.»
Preise steigen weiter
Um die Situation in den Griff zu kriegen, dürften die Airlines die bereits gestiegenen Flugpreise weiter erhöhen. «Die Nachfrage ist enorm. Mit höheren Preisen werden die Airlines versuchen, ihre noch beschränkten Kapazitäten preismaximal auszulasten, auch in der Hoffnung, die Nachfrage zu drosseln, um somit das Chaos abzuwenden.»
Dem dürfte nur beschränkt Erfolg beschieden sein, glaubt Laesser. «Bei den Kunden hat sich die Lust nach Reisen in den vergangenen Jahren aufgestaut. Jetzt sitzt das Portemonnaie umso lockerer, um diese zu befriedigen.»