Kebab-Buden wehren sich
Türkische Ultranationale fordern EU-Siegel für den Döner

Die EU soll den Begriff Döner schützen, verlangt eine türkische Vereinigung. Gegründet hat diese ein Rechtsextremer aus dem Umfeld der nationalistischen Grauen Wölfe. In Deutschland und der Schweiz regt sich Widerstand gegen den Antrag aus Istanbul.
Publiziert: 08.07.2024 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.07.2024 um 07:46 Uhr
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Aktuell läuft gerade ein Kulturkampf um den Döner.
Foto: imago images/Arnulf Hettrich
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Michael HotzRedaktor Wirtschaft

An den Döner Kebab hab sich schon so viele kulinarische Kreative herangewagt: Es gibt ihn mit Kalbfleisch, in Luxus-Variante mit Trüffel oder Fleisch vom Wagyu-Rind – oder für Vegis nur mit Gemüse. Aber schon bald soll mit diesem Döner-Wildwuchs Schluss sein, geht es nach der internationalen Döner-Föderation aus Istanbul.

Die Vereinigung reichte im April einen Antrag bei der Europäischen Union ein, wonach der Döner als «garantiert traditionelle Spezialität» einzustufen sei und dafür ein entsprechendes Gütesiegel erhalten soll. Die EU-Kommission berät aktuell darüber, ob das Fast-Food-Gericht ein geschützter Begriff wird – wie es etwa beim italienischen Mozzarella oder dem spanischen Serrano-Schinken bereits der Fall ist.

Anders als bei den herkunftsgeschützten Produkten wie dem italienischen Parmaschinken oder dem französischen Champagner dürfen die «garantiert traditionelle Spezialitäten» zwar auch ausserhalb der Ursprungsregion hergestellt werden, jedoch nach einem genau festgelegten Verfahren hergestellt. 

Auch beim Döner Kebab schweben der türkischen Organisation penible Vorgaben vor: Der geschützte Döner darf dann nur noch Lamm- oder Rindfleisch beinhalten. Und für die Würzmischung soll es grammgenaue Vorschriften geben. 

Gründer der Döner-Föderation ist Grauer Wolf

Das Brisante am Ganzen: Der Antrag stammt aus dem Umfeld der Grauen Wölfe! Also aus Kreisen der türkischen Rechtsextremen, auf die der Skandaljubel des türkischen EM-Torschützen Merih Demiral (26) jüngst ein Schlaglicht geworfen hat. Denn der Gründer der Istanbuler Döner-Föderation war, wie der deutsche Soziologe und Publizist Eberhard Seidel in einer Kolumne der «Tageszeitung» schreibt, Istanbuler Vorsitzender der Partei BBP. Und die gilt mit ihrer islamistisch-nationalistischen Ideologie als Teil der Bewegung der Grauen Wölfe. 

«Dieser Antrag ist der Versuch, die Dönerwelt, die seit Jahrzehnten von deutsch-türkischen Dönerproduzenten entwickelt, gestaltet und vermessen wird, neu zu ordnen: autoritär, durch Normsetzungen aus der Türkei von oben, mit nationalistischen Reinheitsvorstellungen und Besitzanspruch», heisst es im Bericht Seidels, der Autor des Buches «Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte» ist. Den Vorstoss nennt er deshalb einen «Generalangriff auf die Lieblingsspeise der Deutschen».

«Gravierende Konsequenzen für Gastro-Betriebe»

Und genau in Deutschland regt sich auch Widerstand gegen das EU-Siegel für den Döner. Dort ist die «Lieblingsspeise» auch ein grosses Geschäft. Nach Angaben des «Vereins türkischer Dönerhersteller in Europa» macht die deutsche Döner-Brache jedes Jahr 2,4 Milliarden Euro Umsatz, für ganz Europa sind es rund 3,5 Milliarden Euro. Europaweit werden 400 Tonnen Döner produziert – jeden einzelnen Tag. Der Verein mit Sitz in Berlin hat sein Veto gegen den Antrag aus Istanbul eingereicht, wie SRF berichtet.

Auf die Barrikaden geht auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband. Die Annahme des Antrags hätte «gravierende Konsequenzen für gastronomische Betriebe wie Verbraucher», sagte deren Hauptgeschäftsführerin gegenüber «Bild». Und weiter: «Die Folgen wären notwendigerweise neue Bezeichnungen für Döner-Gerichte, damit verbundene Unklarheiten und Intransparenz, Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten.»

Auch Schweizer Kebab-Buden-Betreiber sind dagegen

Heisst Brüssel das Döner-Gütesiegel gut, hat dieses dann erst einmal nur für den EU-Raum seine Gültigkeit. Solche Regelungen übernimmt die Schweiz jedoch in den meisten Fällen. Entsprechend ist auch die hiesige Döner-Branche vom Antrag wenig begeistert. Gegenüber «20 Minuten» sagte Pascal Leuthold von der Zürcher Gourmet-Kebab-Kette Ayverdis: «Wenn es nur darum geht, zu zeigen, wer den Kebab erfunden hat, und der Gast der Leidtragende ist, müsste man einen Weg finden, das zu umgehen.» Für Comedian Zeki Bulgurcu (34), der im Mai ein eigenes Kebab-Restaurant in Zürich eröffnet hat, ist der Antrag laut dem Bericht «eine unnötige Idee».

Der grosse Showdown um den EU-Döner beginnt in gut zwei Wochen. Bis am 24. Juli nimmt die EU-Kommission noch Einsprachen entgegen. Danach startet ein Konsultationsverfahren, bei dem auch das Europäische Parlament angehört wird. Ob am Ende die Grauen Wölfe wieder heulen? Noch völlig offen. 

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