Es ist eine Neuheit in der digitalen Welt: Apple gibt seinen Kunden als erster Smartphone-Anbieter eine simple Möglichkeit, das Nachverfolgen ihres Verhaltens quer über verschiedene Apps und Websites zu stoppen.
Anbieter von iPhone-Apps müssen mit dem neuen Betriebssystem iOS 14.5 die Nutzer für das Tracking ausdrücklich um Erlaubnis fragen. Apple feiert das neue Betriebssystem als Sieg für den Datenschutz. Online-Konzerne wie Facebook und Medienunternehmen, die von Online-Werbung abhängig sind, sehen dagegen das freie Internet in Gefahr.
Apple hat Anzeige am Hals
Anbieter von iPhone-Apps müssen Nutzer künftig ausdrücklich um Erlaubnis für das übergreifende Tracking fragen. Die Analysefirmen gehen davon aus, dass 90 Prozent der Nutzer ablehnen werden. Das hat weitreichende Folgen, denn nicht personalisierte Werbung ist deutlich weniger wirksam als Anzeigen, die auf die persönlichen Interessen der User zugeschnitten sind.
Facebook warnte schon seit Monaten, dies werde vor allem kleine und mittlere Unternehmen treffen, die insbesondere in der Corona-Pandemie auf personalisierte Werbung bei dem Online-Netzwerk angewiesen seien. Am Montag warfen mehrere deutsche Verbände aus der Werbe- und Medienbranche Apple unfairen Wettbewerb vor und reichten eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein.
Apple betont dagegen: «Wir glauben, dass Privatsphäre ein grundlegendes Menschenrecht ist.» Die Daten gehörten den Nutzern, «und sie sollten selbst entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden und von wem». Man habe Unterstützung von Behörden und Datenschützern für die Funktion bekommen. Die Daten der Nutzer auf den Geräten seien immer reichhaltiger und persönlicher geworden.
Apple sammelt weiter fleissig Daten
Verschiedene Verbände kritisieren, der Konzern schliesse «faktisch alle Wettbewerber von der Verarbeitung kommerziell relevanter Daten im Apple-Ökosystem aus». Gleichzeitig nehme Apple seine eigenen Dienste jedoch von den geplanten Änderungen aus und sammle selbst erhebliche Mengen Nutzerdaten.
Es gebe auch Wege, Werbung effizienter zu platzieren und ihren Effekt zu messen, ohne einzelnen Nutzern zu folgen. App-Entwickler können zugleich nach wie vor mit Einverständnis der Nutzer Daten aus der eigenen Anwendung verarbeiten.
In dem Streit mit der Werbe- und Medienbranche hat Apple kaum etwas zu verlieren. Der Konzern betreibt zwar auch für die Platzierung der Anwendungen im App-Store ein kleines Werbegeschäft. Doch der Grossteil seiner Einnahmen stammt aus dem Verkauf der Hardware und Dienstleistungen wie der iCloud oder den Provisionen aus dem App-Store.
iPhone-Händler hat Vorteile auf seiner Seite
Die werbetreibende Industrie wird durch die rigide Datenschutz-Politik von Apple unter Druck gesetzt. Zwar gibt es weltweit deutlich mehr Anwender des Google-Smartphonesystems Android. Die Besitzer eines iPhones gelten aber für die Werbetreibenden als deutlich lukrativer, da sie statistisch gesehen mehr Geld ausgeben und auch eher bereits sind, neue Produkte auszuprobieren.
Der Chefanalyst von Forrester, Thomas Husson, glaubt vor diesem Hintergrund, dass die Apple-Massnahmen die Werbebranche dazu zwingen werden, ihre Strategien neu zu bewerten. «Die Vorteile für den Verbraucher durch die Weitergabe persönlicher Daten müssen klar artikuliert werden.»
Somit könnten zum einen Verbraucher geschützt werden. Gleichzeitig könne sich Apple weiterhin in Sachen Datenschutz differenzieren und gleichzeitig eigene Geschäftsinteressen verfolgen.
Snapchat sieht die Chancen
Der Facebook-Konkurrent Snapchat begrüsste unterdessen Apples Vorstoss. «Wir waren schon immer der Ansicht, dass Werbung die Privatsphäre der Kunden berücksichtigen muss», sagte Top-Managerin Jeremi Gorman nach Vorlage aktueller Quartalszahlen. Man arbeite an Wegen, Anzeigen auch unter den neuen Bedingungen effizient zu gestalten.
Eine massgebliche Rolle in der Debatte dürften Regulierungsbehörden und die Politik spielen. In den USA beäugen unter anderem die einflussreichen demokratischen Senatorinnen Amy Klobuchar und Elizabeth Warren die Stärke der Tech-Schwergewichte sehr kritisch.