Jubelte Dieter Vranckx (49) zu früh? Der Swiss-Boss freute sich im Dezember über die Einigung mit der Gewerkschaft des Kabinenpersonals (Kapers). Deals mit dem Bodenpersonal und den Piloten hatte Vranckx da bereits eingetütet. Damit sollten alle Arbeitsstreitigkeiten für die nächsten Jahre vom Tisch sein.
Jetzt zeichnet sich eine Wende ab. Die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter können bis Mitte Februar über den neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) abstimmen. Eine Zweidrittelmehrheit wird für die Annahme benötigt – im Normalfall reine Formsache. Doch der Deal steht auf der Kippe! Grund ist ein Generationenkonflikt in der Swiss-Kabine, wie Recherchen zeigen.
Darum stemmen sich Ältere gegen neuen GAV
Die älteren Flugbegleiterinnen stören sich an den satten Lohnerhöhungen, die ihre Gewerkschaftschefin Sandrine Nikolic-Fuss (53) im Herbst ausgehandelt hatte. Die Saläre sollen demnach um vier bis 18 Prozent steigen. Konkret: Wer schon lange dabei ist, erhält vier Prozent. Neueinsteiger kriegen 18 Prozent mehr. Ihr Lohn steigt von 3400 auf 4000 Franken.
Dieser grosse Unterschied sorgt für Unverständnis. Langjährige Swiss-Flugbegleiter sagen zu Blick, dass sie sich von der Gewerkschaft Kapers im Stich gelassen fühlten.
Einige von ihnen sind bereits zu Swissair-Zeiten geflogen, haben seit 2006 den gleichen Lohn. Sie hätten sich mehr erhofft, vor allem nach der schwierigen Corona-Pandemie. Nun sind es die Neueinsteiger, die auf der Lohntabelle aufsteigen sollen –dank der satten Lohnerhöhung von 18 Prozent schliessen sie gar zu arrivierten Flugbegleiterinnen auf.
Auch in Sachen Flexibilität wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Der Arbeitsplan kommt zwar etwas früher, dafür wurden Spesen zusammengestrichen. In der Kabine machen die langjährigen Flugbegleiter ihren Standpunkt derzeit klar – viele von ihnen werden den GAV bis Mitte Februar ablehnen.
Viel Frust in den sozialen Medien
Gewerkschaftschefin Nikolic-Fuss ist sich bewusst, dass die Abstimmung nicht im Trockenen ist. «Animierte Diskussionen sind in einer Abstimmungsphase normal», sagt sie. «Wir bedauern aber den scharfen Ton in den sozialen Medien.»
Tatsächlich gehen die Wogen auf Instagram und Facebook hoch. Auf dem Kanal der Gewerkschaft Kapers haben sich mehrere Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter öffentlich gegen den neuen GAV positioniert.
«Tolle Mogelpackung, clever gemacht, um wenigstens die Ja-Stimmen der jungen Mitarbeiter zu erhalten», steht da. Oder: «Ja heisst auch ein Ja zu Altersdiskriminierung, mehr Blockstunden im Teilzeit-Modell, und das zu fast gleichem Lohn – nein danke!»
Die Swiss schreibt auf Blick-Anfrage: «Sollte es wider Erwarten zu einer Ablehnung des neuen Kabinen-GAV23 kommen, gilt weiterhin der GAV15, der aktuell ungekündigt ist und daher noch mindestens bis im Frühjahr 2024 Gültigkeit hat.» Mehr will die Airline nicht dazu sagen und verweist auf die laufende Abstimmungsphase.
Die Leiden des Kabinenpersonals
Klar ist: Der Frust bleibt gross. Dabei war die Einigung im Dezember lang ersehnt. Das Kabinenpersonal der Swiss hatte sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt und sich über die tiefen Löhne und die harten Arbeitsbedingungen beklagt.
Eine Swiss-Flugbegleiterin packte im Blick über das Innenleben in der Kabine aus und liess sich frühpensionieren. «Ich hatte keine Freude mehr an meinem Job. Die Arbeitsbedingungen während der Pandemie haben mir die Lust am Fliegen genommen», sagte sie.
Immer wieder kam es auch zu Protestaktionen. Einmal meldete sich das Kabinenpersonal kollektiv krank, ein anderes Mal verschickten Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter einen Protestbrief an Blick und berichteten von Burnouts. 300 Kabinenmitglieder wurden im Zuge der Pandemie entlassen – etwas mehr als die Hälfte kam Anfang 2022 zurück.
Ein Happy End zeichnete sich ab. Swiss-CEO Vranckx freute sich auf ruhige Jahre – ohne Arbeitskämpfe. Doch jetzt droht ein Nein – und somit eine Rückkehr an den Verhandlungstisch bereits Ende Februar.