«Wir kaufen jedes Jahr neue Flugzeuge»
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Swiss-CEO Dieter Vranckx (49):«Wir kaufen jedes Jahr neue Flugzeuge»

Der CEO zu Kundenhotline, Flugausfällen und Preisen
Ist die Swiss noch eine Premium-Airline, Herr Vranckx?

Die vergangenen Wochen und Tage kosteten Dieter Vranckx Nerven. Nachdem der Swiss-Chef den Pilotenstreik abwenden konnte, kehrt nun langsam wieder Ruhe ein bei der Lufthansa-Tochter. Im Interview spricht Vranckx über seine Pläne fürs nächste Jahr.
Publiziert: 29.10.2022 um 19:32 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2022 um 21:52 Uhr
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Eine Krise reiht sich an die nächste: grosser Stellenabbau, aus Premium wurde Mittelmass.
Foto: Keystone
Interview: Nicola Imfeld und Ulrich Rotzinger

Mitten in der Pandemie hat Dieter Vranckx (49) Anfang 2021 das Ruder bei der Swiss übernommen. Unterirdische Buchungszahlen, gegroundete Flieger und gestrichene Flüge sorgten seit Amtsantritt für rote Zahlen und Ärger bei den Kunden. Eine Krise reiht sich an die nächste: grosser Stellenabbau, aus Premium wurde Mittelmass. Dann der GAV-Streit mit Boden- und Luftpersonal. Der Pilotenstreik konnte in dieser Woche in letzter Minute abgewendet werden. Doch nun will das Kabinenpersonal vom Belgier mehr Lohn in die Tüte.

SonntagsBlick: Herr Vranckx, sind Sie ein Masochist?
Dieter Vranckx: Nein. Krisen haben schon immer zur Aviatik-Branche gehört.

Ihr Posten als Swiss-CEO muss eine einzige Qual sein.
Ich habe meine Rückkehr in den vergangenen zwei Jahren keinen Moment bereut. Die Swiss war mir immer sehr wichtig. Ich habe zwei Drittel meiner ganzen Karriere bei der Swissair und der Swiss verbracht. Diese Airline nun wieder finanziell auf stabile Beine zu stellen und unseren Mitarbeitenden und Kunden eine Perspektive zu schaffen, ist für mich eine Herzensangelegenheit.

Die Swiss flog unter Ihnen bisher fast nur Verluste ein, baute 1700 Vollzeitstellen ab und reduzierte die Flotte um 15 Prozent. Machen Sie nichts richtig?
Die Verluste von 2020 und 2021 sind der globalen Pandemie geschuldet – da ging es jeder anderen Fluggesellschaft dieser Welt gleich wie uns. Aber lassen Sie mich das klar sagen: Das Ziel war kein Stellenabbau oder die Reduktion der Flotte. Das Ziel war, Swiss am Leben zu halten und konkurrenzfähig für die Zukunft aufzustellen, mit der Restrukturierung als Instrument.

Sie haben einen Management-Fehler gemacht, als Sie im Winter 2021 zu viel Personal in der Kabine entlassen haben. Das hat sich gerächt – im Sommer mussten Hunderte Flüge storniert werden.
Im Nachhinein, mit dem Wissen von heute, kann man sagen, dass wir das anders hätten entscheiden können. Aber: Damals hatten wir auch ein anderes Bild von unserer Zukunft. Man musste davon ausgehen, dass die schwierigen Corona-Zeiten noch länger anhalten würden.

Als Sie den Fehler bemerkt haben und die 300 entlassenen Flugbegleiterinnen zurückholen wollten, haben Ihnen viele abgesagt. Sie mussten stattdessen neues Personal suchen und einschulen – das hat Zeit und Geld gekostet.
Mit etwas mehr als 200 Kolleginnen und Kollegen ist rund die Hälfte des Kabinenpersonals zurückgekehrt. Und wir waren in diesem Sommer gar nicht so schlecht, wie Sie das darstellen. 99 Prozent unserer Flüge im Juli und sogar 99,4 Prozent unserer Flüge im August haben wir planmässig durchgeführt. Das sind bessere Zahlen als im Jahr 2019 – also wie noch vor der Pandemie! Im europäischen Vergleich mit unseren Konkurrenten schneiden wir – was Flugstreichungen betrifft – sehr gut ab.

Sie sind intern beim Personal beliebt, gerade Ihre Menschlichkeit wird positiv hervorgehoben – keine Selbstverständlichkeit bei einem Krisen-CEO. Geht es Ihnen nahe, wenn Sie Jobs streichen müssen?
Es schmerzt mich, wenn eine Mitarbeiterin ihren oder ein Mitarbeiter seinen Job verliert. Ich hätte viel lieber alle an Bord gehalten. Aber ich habe auch eine Verantwortung gegenüber allen anderen Mitarbeitenden, die noch an Bord sind. Meine oberste Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Firma eine stabile Zukunft hat. Was mir aber an dieser Stelle wichtig ist zu erwähnen: Wir werden noch dieses Jahr insgesamt einen hohen Millionenbetrag an die gesamte Swiss-Belegschaft auszahlen können.

Ist Ihre Airline denn wieder konkurrenzfähig?
Ja, die Swiss hat die Kurve gekriegt. Der Corona-Kredit ist vollständig zurückbezahlt. Die ersten neun Monate dieses Jahres waren profitabel. Auch für das gesamte Jahr erwarten wir einen grossen Gewinn. Personell sieht es genauso gut aus: In diesem Jahr werden wir für die Kabine bereits wieder 800 neue Mitarbeitende eingestellt haben. Und 2023 sollen 1000 weitere Flugbegleiter und 80 Piloten dazukommen.

Das Kabinenpersonal fordert statt 3400 Franken neu 4000 Franken Einstiegslohn und flexibleres Arbeiten. Einigen Sie sich noch in diesem Jahr?
Das ist mein grosses Ziel. Wir wollen für 2023 eine Stabilität erreichen – nicht nur operationell, sondern auch intern. Mit dem Boden- und Cockpitpersonal haben wir uns bereits geeinigt. Jetzt streben wir auch mit dem Kabinenpersonal einen Kompromiss bis Ende Jahr an. Mir ist bewusst: Solche Verhandlungen sind zäh, können lange dauern und sind schwierig – das hat sich jüngst bei den Piloten gezeigt, aber das Ziel muss sein, eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Personals und der Unternehmung zu finden.

Ein Pilot verdient ein Vielfaches im Vergleich zu einer Flugbegleiterin. Bis zu 211'000 Franken im Jahr – die Boni kommen noch obendrauf. Die Streikdrohung war doch völlig deplatziert.
Es ist nichts Neues, dass es in unseren Personalgruppen finanzielle Unterschiede gibt. Wir versuchen immer, einen Streik zu verhindern. Zum Glück ist man in der Schweiz kompromissbereit.

Da geben Sie sich jetzt sehr diplomatisch. Die Piloten haben in der Bevölkerung Sympathien verspielt, trotzdem haben Sie ihnen 4,3 Prozent mehr Geld gegeben. Schlecht verhandelt?
Lange verhandelt – das trifft es besser! Es ist eine Lösung, die für beide Seiten gut ist. Wir haben uns in der Mitte getroffen. Wissen Sie: Ich bin nicht vergesslich und unseren Pilotinnen und Piloten dankbar: Sie haben – wie alle anderen Mitarbeitenden auch – in der Corona-Krise eine enorm wichtige Rolle gespielt. Die Flüge nach China sind ein gutes Beispiel. Piloten wie auch Flugbegleiter durften das Hotel nicht verlassen, mussten Schutzanzüge tragen und so weiter. Der Pilotenjob hat während der Pandemie an Glamour eingebüsst.

Was hat Sie die Einigung mit den Piloten gekostet?
Die Pilotengewerkschaft Aeropers hatte 200 Millionen Franken gefordert, wir haben abgelehnt und 60 Millionen geboten. Am Schluss haben wir irgendwo in der Mitte eine Einigung erzielt. Zur genauen Höhe möchte ich nichts sagen.

Auch das Image der Swiss hat in den vergangenen zwei Jahren gelitten. Sowieso fliegen Sie unter falscher Flagge – eine deutsche Airline, die zum Lufthansa-Konzern gehört, getarnt mit dem Schweizerkreuz auf der Heckflosse.
Swiss ist am Flughafen Zürich-Kloten zu Hause. Wir bezahlen Steuern in der Schweiz. Über 80 Prozent unserer Mitarbeitenden haben den roten Pass. Unsere Aufgabe als Swiss ist es, die Schweiz mit der Welt zu verbinden. Auch in der Logistikkette spielen wir eine wichtige Rolle. Das alles hat mit der Schweiz zu tun – und nicht mit der Lufthansa in Deutschland. Wir sind stolz, Teil einer starken Aviatik-Gruppe wie der Lufthansa Group zu sein. Das bringt grosse Vorteile mit sich. Es gibt fast keine Airline mehr, die ganz allein erfolgreich unterwegs ist.

Wer bestimmt über die Swiss: Sie hier in Zürich – oder die Zentrale in Frankfurt?
Grundsätzlich entscheiden wir in der Schweiz, wo es langgeht. Wir haben einen Verwaltungsrat hier in Zürich, der diese Entscheidungen absegnet. Selbstverständlich informieren wir auch den Lufthansa-Konzern. Und klar hätte Frankfurt das letzte Wort, wenn ihnen etwas nicht passt. Aber seit ich Swiss-Chef bin, ist das nie vorgekommen.

Der Swissair-Veteran

Swiss-Chef Dieter Vranckx (49) kennt das Aviatikgeschäft von der Pike auf. Er hat seine Karriere als Netzwerkplaner bei Swissair begonnen, durchlief danach diverse Managementfunktionen bei der Nachfolgerin Swiss und bei der Muttergesellschaft Lufthansa. Bevor der belgisch-schweizerische Doppelbürger im Januar 2021 den Chefsessel bei der Swiss übernahm, stand er an der Konzernspitze der Brussels Airlines, ebenfalls eine Lufthansa-Tochter. Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Swiss-Chef Dieter Vranckx (49) kennt das Aviatikgeschäft von der Pike auf. Er hat seine Karriere als Netzwerkplaner bei Swissair begonnen, durchlief danach diverse Managementfunktionen bei der Nachfolgerin Swiss und bei der Muttergesellschaft Lufthansa. Bevor der belgisch-schweizerische Doppelbürger im Januar 2021 den Chefsessel bei der Swiss übernahm, stand er an der Konzernspitze der Brussels Airlines, ebenfalls eine Lufthansa-Tochter. Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Swiss will eine Premium-Airline sein. Diesem Anspruch ist sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht gerecht geworden, einverstanden?
Wir sind seit der Corona-Pandemie noch nicht zu 100 Prozent dort angekommen, wo wir hinwollen. Aber heute sind wir mehr «Premium» als noch vor einem Jahr. Da hatten wir Probleme mit unserem Kundendienst – die Wartezeiten waren schlicht zu lange. Nun haben wir riesige Fortschritte gemacht. Die Reaktionszeit beträgt heute durchschnittlich 90 Sekunden. Und für das kommende Jahr planen wir eine grosse Service- und Qualitätsoffensive.

Wie sieht diese aus?
Wir werden weiterhin Milliarden in unsere Flotte investieren. In den nächsten Jahren flotten wir 17 neue Airbus A320neo als Ersatz für ältere Generationen ein – das sind topmoderne Flugzeuge. Dann weiten wir unser Premium-Economy-Produkt, das in allen Boeing 777 bereits verfügbar ist, auch auf unsere anderen Langstreckenflugzeuge vom Typ Airbus A340 aus. In der Businessclass werden wir weiterhin alle drei Monate neue Menüs mit Schweizer Spitzenköchen herausbringen. Und in der Kabine soll der Service mit den 1800 neuen Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern weiter verbessert werden.

Apropos Langstrecke: Läuft das Geschäft wieder?
Grösstenteils. Amerika ist sehr gut nachgefragt – über den Atlantik zieht das Geschäft ausserordentlich gut an. Asien öffnet sich aber nur langsam. China bereitet mir etwas Bauchschmerzen. Es ist schwierig zu sagen, wann es da wieder so richtig losgeht. Die Erwartung geht in Richtung Sommer 2023. Aber wir müssen uns wohl überraschen lassen.

Fliegen wurde 2022 leicht teurer. Steigen die Flugpreise weiter an?
Der Markt ist sehr dynamisch. Aber ich rechne damit, dass die Flugtickets mittel- und langfristig teurer werden. Einerseits, weil wir als Swiss viel Geld in unsere neue Flotte investieren. Andererseits, weil wir immer nachhaltiger fliegen wollen. Wir nehmen bis 2030 dafür viel Geld in die Hand – beispielsweise für nachhaltigen Treibstoff. Das ist sehr teuer. Einen Teil der Mehrkosten tragen wir als Firma, den anderen Teil werden wir versuchen, an die Kunden zu übertragen. Aber schlussendlich werden die Preise im Markt gemacht.

Sie sind optimistisch für die kommenden Jahre. Als Krisen-CEO scheinen Sie sich wohlgefühlt zu haben. Jetzt, wenn es immer weiter aufwärtsgeht, machen Sie also demnächst den Abflug?
Nur weil ich schon viele Krisen miterlebt habe, heisst das nicht, dass ich ruhigere Zeiten nicht schätzen würde (lacht). Ich will nicht nur Teil vom Turnaround sein, ich will auch Teil der Erfolgsstory sein.

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