Eine Glacetruhe im Convenience-Shop am Bahnhof Kloten, Zürich. Der Einblick zeigt die Hackordnung der Konsumgüter-Giganten: Die rechte Seite besetzt Unilever mit allen Gattungen seines Kältekolbens Magnum, links unten und links oben siedelt Nestlé mit Frisco-Raketen, Pralinato, Mövenpick-Eis und Nuii.
Nur wenig des kostbaren Platzes in der Greifzone des Avec-Shops gehört weder Nestlé noch Unilever. In einer kleinen blockfreien Zone liegt die Glace von Enjoy Trill. Enjoy was?
Die gelb verpackte Schokoladenglace Typus Choca Choc, bedruckt in Lettern, wie sie einem Quentin-Tarantino-Filmplakat gut anstehen würden, ist der jüngste Newcomer im Schweizer Glace-Markt. Enjoy Trill ist eine Challenger-Marke aus Martigny VS, die den Kampf mit den Grossen aufnehmen will.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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Das On der Glace-Welt
Das Rezept der Walliser heisst: vegane Glace mit tiefem Zuckeranteil. Eine 80-Gramm-Glace enthält vier Gramm Zucker, vier- bis fünfmal weniger als die konventionelle Konkurrenz. Enjoy-Trill-Co-Gründer und Chef Sylvain Perret erklärt: «Ein klein wenig Zucker ist drin, um das Konsumentenhirn zu triggern. Der restliche Süssstoff stammt von den Zuckeralternativen Erythritol, Stevia und Xylitol.»
Angst vor den Nestlés und Unilevers dieser Welt habe man nicht, sagt Perret. Er gibt sich kampfeslustig: «Glace ist ein sehr kompetitiver Markt, aber mit unserem Vegan-Low-Sugar-Ansatz sind wir eine positive Alternative.»
Klar: Auch in der Glace-Welt sind, wie etwa in den Sparten Bier und Kaffee, längst kleinere Eismacher angetreten. Schweizer Produzenten wie Gelateria di Berna oder Kalte Lust sorgen mit ihren Craft-Produkten im Nischenbereich für eine Alternative. Enjoy Trill aber will mehr. Perret will gegen die kapitalstarken multinationalen Giganten antreten, die Grossen mit neuer Rezeptur austricksen und dabei mit Underdog-Charme punkten. Die Nische der anderen genügt ihm nicht.
Was Enjoy Trill anstrebt und anpackt, erinnert an die Anfänge der Schweizer Laufschuhmarke On, die sich auf ein Feld wagte, das von milliardenschweren Marketing-Gladiatoren wie Nike, Adidas, Asics und Puma bis auf den letzten Stadionplatz besetzt schien.
Perret gefällt der Vergleich mit On: «Das ist eine sehr gute Analogie. Es hat sich gezeigt, dass die richtige Initiative und ein echtes Alternativangebot der Weg zum Erfolg sind – zusammen mit einer cleveren Marketingstrategie.» Natürlich, der Unterschied ist augenfällig: On, mittlerweile an der New Yorker Börse kotiert, hat schon einen Halbmarathon geschafft. Enjoy Trill aber ist erst gerade aus den Startblöcken gekommen.
Promi-Investor an Bord
Der Brand ist noch jung. Perret hat Enjoy Trill zusammen mit seinem Geschäftspartner, dem US-amerikanischen Ernährungswissenschafter Chris Clark, Ende 2019 lanciert. In kurzer Zeit hat die Marke dabei bereits eine erstaunliche Distribution erreicht. Die Glace in den poppigen Blockfarben ist in der Schweiz, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Spanien und in Portugal erhältlich.
Hierzulande ging es gleich zu Beginn in den Supermärkten der Migros Wallis los. Mittlerweile, sagt Perret, sei man in 120 Westschweizer Migros-Läden gelistet, ebenso auf Migros Online.
Nach einem Testlauf bei Valora konnten die Walliser zu Jahresbeginn 2023 stark ausbauen: «Bereits im Jahr 2022 war Enjoy Trill in einigen unserer Verkaufsstellen erhältlich», heisst es beim mexikanisch-schweizerischen Convenience-Händler. «Aufgrund der positiven Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden haben wir das Angebot auf weitere Verkaufsstellen ausgeweitet.» Aktuell ist Enjoy Trill in rund 300 K-Kiosk- und Avec-Verkaufsstellen erhältlich.
Unterstützung erhält die Marke aus Martigny zudem von einem prominenten Schweizer Investor: Dominique Locher, Ex-Chef von Le Shop. Der heutige VR-Präsident von Farmy beschreibt seine Rolle bei Enjoy Trill als «Fan, Berater, Vernetzer und Angel-Investor.»
Wachsen, wo die Glacesaison zehn Monate dauert
Um mit den Weltmarken preislich mithalten zu können, sei ein komplettes «Made in Switzerland» aktuell nicht möglich, sagt Perret. «Enjoy Trill ist stark auf Exportmärkte ausgerichtet. Eine Schweizer Produktion liesse sich nicht zu konkurrenzfähigen Preisen machen.» Forschung und Entwicklung liegen in der Schweiz, die Produktion aber erfolge in Ländern der EU.
In nächster Zeit strebt Perret ein starkes geografisches Wachstum an: «Zunächst wollen wir in der Deutschschweiz präsenter werden, was uns auch als Tor für Deutschland dienen könnte.» Vom zweiten Stützpunkt Dubai aus, sagt der Eis-Entrepreneur, werde Saudi-Arabien der nächste Markt sein. Was auch einer Wetterkomponente geschuldet sei: «Der Mittlere Osten hat den Vorteil, dass die Glacesaison dort zehn Monate pro Jahr dauert – nicht nur vier Monate wie in der Schweiz.»
In einem übernächsten Schritt dann «könnten Absatzgebiete in Asien interessant werden».
Auch andere Produkte denkbar
Damit nicht genug der überaus ambitionierten Pläne. Als Vision sieht Perret seine Marke auch in andere Segmente expandieren: «Wir wollen mit Enjoy Trill als Food-Company wachsen, die über den Glace-Bereich hinaus mit dem Fokus vegan und zuckerarm aktiv wird. Klein und fein ist nicht unsere Sache, wir zielen auf die Massenmärkte.»
Denkbar seien weitere Kategorien wie Getränke, Saucen oder Süssigkeiten. Der Westschweizer Unternehmer weiss, dass sein Vorhaben kein Schleck ist. Mit seiner grossen Denke dürfte er auch bei Getränken, Saucen und Süssigkeiten wieder auf jene globalisierte Gegnerschaft treffen, wie sie heute schon neben Enjoy Trill in der Glacetruhe hockt. Kein Problem für den coolen Glace-Geck aus Martigny. Denn für gutes Neues, glaubt Perret, «ist immer Platz».
Woraus sich auch der Name Trill nährt, ein US-amerikanisches Slangwort aus der Hip-Hop-Szene, die Kombination aus «true» (wahr) und «real» (echt). Die Herausforderer-Rhetorik hat der Marketingmann, einstiger Co-Gründer der Westschweizer Airline Flybaboo, jedenfalls drauf: «Wer Angst hat, gewinnt nie.»
Der Vergleich mit der Schweizer Running-Marke On kommt nicht von ungefähr: Gleich wie im Sportartikelmarkt sind es auch im Glace-Bereich eine Handvoll Firmen und Marken, die einen Grossteil des Volumens für sich beanspruchen.
Gemäss den Zahlen des Marktforschungsunternehmens Euromonitor International kommt Unilever im Schweizer Detailhandel mit seinem Blockbuster Magnum sowie der Marke Cornetto auf einen Marktanteil von 17,9 Prozent; Nestlé steht bei 20,4 Prozent. Der grösste Teil des Kuchens entfällt auf die Sparte «Private Labels», grossmehrheitlich wohl die Eigenmarken von Coop und Migros, die mit einem Anteil von 36,3 Prozent über ein Drittel des Detailhandelsmarktes für Glace bestreiten.
Insgesamt stehen also Unilever, Nestlé und die Grossverteiler für drei Viertel des Marktes.
Der Vergleich mit der Schweizer Running-Marke On kommt nicht von ungefähr: Gleich wie im Sportartikelmarkt sind es auch im Glace-Bereich eine Handvoll Firmen und Marken, die einen Grossteil des Volumens für sich beanspruchen.
Gemäss den Zahlen des Marktforschungsunternehmens Euromonitor International kommt Unilever im Schweizer Detailhandel mit seinem Blockbuster Magnum sowie der Marke Cornetto auf einen Marktanteil von 17,9 Prozent; Nestlé steht bei 20,4 Prozent. Der grösste Teil des Kuchens entfällt auf die Sparte «Private Labels», grossmehrheitlich wohl die Eigenmarken von Coop und Migros, die mit einem Anteil von 36,3 Prozent über ein Drittel des Detailhandelsmarktes für Glace bestreiten.
Insgesamt stehen also Unilever, Nestlé und die Grossverteiler für drei Viertel des Marktes.