Auf einen Blick
- Das Resort Dixence kostet über 120 Millionen Franken und soll jährlich 80'000 Logiernächte generieren
- Philippe Lathion kritisiert den zu starken Fokus auf den Immobilienmarkt im Tourismus
- Bergbahnen, Skischulen, Geschäfte und Restaurants sind auf möglichst viele warme Betten angewiesen
- Lathion fordert bessere Rahmenbedingungen für Hotels und Resorts
- Auch bei der Gastfreundschaft sieht der Unternehmer Luft nach oben
Hérémence, ein Walliser Dorf mit rund 1500 Einwohnern, wird schon bald in touristisch völlig neue Sphären katapultiert. Im Dezember startet der Vollbetrieb im neuen Resort Dixence, das künftig 80‘000 Logiernächte pro Jahr generieren soll. Das Projekt kostet über 120 Millionen Franken und hat immense Dimensionen. Aktuell sind noch Bauarbeiter am Werk. Philippe Lathion (66) führt Blick über das riesige Gelände. Der Walliser Unternehmer war während 20 Jahren Präsident der Bergbahnen Télénendaz, kennt den Schweizer Bergtourismus in- und auswendig und hat jahrzehntelang gesehen, was in der Branche falsch läuft.
Blick: Herr Lathion, Sie hätten einfach alle Ferienwohnungen im Grossprojekt Hérémence mit einem schönen Gewinn verkaufen können. Warum diese Riesenbüez?
Philippe Lathion: Wir und die anderen Investoren hätten dann den gleichen Fehler gemacht, der in vielen Destinationen der Schweiz zu finden ist. Der Hérémence-Komplex ist ein Touristenziel. Wenn wir alle Wohnungen an Eigentümer verkaufen, die sie nicht vermieten, wäre unter der Woche und ausserhalb der Ferien niemand da, der das SPA, die Restaurants, Sportgeschäfte und Geschäfte, die sich im Komplex befinden, rentabel macht.
Die Schweizer Destinationen haben also zu viele kalte Betten?
Wir haben in den Destinationen in den letzten 20 Jahren viel zu viele Gästebetten verloren. Hotels und vermietete Wohnungen sind für das Überleben einer Destination entscheidend. Im Winter kommen jede Woche neue Gäste an, die eine Skiausrüstung ausleihen, Wintersportkleider kaufen, im Restaurant essen oder die Skischule besuchen. Eigentümer von Ferienwohnungen sind viel seltener vor Ort und nutzen all diese Angebote weniger. Besonders deutlich sieht man das Problem bei den Bergbahnen.
Die Bergbahnen kämpfen doch vor allem mit dem Klimawandel.
Der ist sicher eine grosse Herausforderung. Doch in Frankreich oder Österreich haben sich die Zahl der Tagesgäste in den Skigebieten in den letzten 20 Jahren viel besser entwickelt als in der Schweiz, obwohl die globale Erwärmung die gleiche ist. Zu oft wird gesagt, dass die Bergbahnen das Rückgrat der Destinationen sind.
Doch das stimmt nicht?
Volle Tourismusbetten sind wichtiger als die Bergbahnen. Das sieht man beispielsweise im Skigebiet Portes du Soleil. Die Bergbahnen auf der französischen Seite in Avoriaz machen rund 60 Millionen Franken Umsatz. Hier werden praktisch alle Ferienwohnungen vermietet. In Champéry auf der Schweizer Seite wurden viele Ferienwohnungen verkauft und die Bergbahnen haben mit einem Umsatz von rund 20 Millionen Franken viel mehr zu kämpfen.
Ein Beispiel für Schweizer Gebiete, die gut abschneiden?
Zermatt ist in der Schweiz ein perfektes Beispiel für eine starke Hotellerie. Die Bergbahnen erwirtschaften fast doppelt so viel Umsatz wie die Bergbahnen in Verbier, eine Destination, in der viele Betten gebaut, aber verkauft wurden.
Dann sind die Schweizer Destinationen selbst schuld, wenn sie all ihre Ferienwohnungen teuer verkauft haben?
So kann man das nicht sagen. Durch den Verkauf von Zweitwohnungen konnten die Schweizer Destinationen wachsen. Aber heute hat der Markt für Zweitwohnungen Vorrang vor dem Mietmarkt. In den meisten Destinationen der Schweiz gibt es nicht genügend Betten zu vermieten, und das ist nicht gut. Wir müssen also die Destinationen kritisieren, die nichts tun, um den Bau von Hotels oder Resorts zu erleichtern.
Philippe Lathion (66) ist in der Walliser Gemeinde Nendaz aufgewachsen. Der diplomierte Wirtschaftsprüfer ist der Gründer des Investmentfonds Mountain Resort Real Estate (SICAV), der hinter den Swisspeak Resorts steht. Davon gibt es inzwischen fünf in der Schweiz: Meiringen BE, Brigels GR, Zinal VS, Vercorin VS und ganz neu das in Hérémence VS. Letzteres besteht aus einem riesigen Spa mit mehreren Schwimmbädern, einem 4-Sterne-Hotel mit 70 Zimmern, 78 Ferienwohnungen mit 432 Betten und 53 luxuriöse Ferienwohnungen, die zur Finanzierung an Private verkauft wurden. Für Hotels, Apartments und Spa sind weitere Investoren mit an Bord. Die durchschnittliche Auslastung aller fünf Resorts übers ganze Jahr liegt bei mehr als 60 Prozent. Der SICAV hat grosse Wachstumspläne in der Schweiz, kündigt Lathion gegenüber Blick an. Innerhalb von drei Jahren wolle man die Zahl der Resorts auf über zehn verdoppeln. Derzeit laufen laut eigenen Angaben «intensive Gespräche» an sieben potenziellen Standorten. Zwei davon im Berner Oberland, vier im Graubünden und drei im Wallis. «Davon werden wir sicher fünf finalisieren können», sagt der mit seiner Familie in Genf lebende Lathion.
Philippe Lathion (66) ist in der Walliser Gemeinde Nendaz aufgewachsen. Der diplomierte Wirtschaftsprüfer ist der Gründer des Investmentfonds Mountain Resort Real Estate (SICAV), der hinter den Swisspeak Resorts steht. Davon gibt es inzwischen fünf in der Schweiz: Meiringen BE, Brigels GR, Zinal VS, Vercorin VS und ganz neu das in Hérémence VS. Letzteres besteht aus einem riesigen Spa mit mehreren Schwimmbädern, einem 4-Sterne-Hotel mit 70 Zimmern, 78 Ferienwohnungen mit 432 Betten und 53 luxuriöse Ferienwohnungen, die zur Finanzierung an Private verkauft wurden. Für Hotels, Apartments und Spa sind weitere Investoren mit an Bord. Die durchschnittliche Auslastung aller fünf Resorts übers ganze Jahr liegt bei mehr als 60 Prozent. Der SICAV hat grosse Wachstumspläne in der Schweiz, kündigt Lathion gegenüber Blick an. Innerhalb von drei Jahren wolle man die Zahl der Resorts auf über zehn verdoppeln. Derzeit laufen laut eigenen Angaben «intensive Gespräche» an sieben potenziellen Standorten. Zwei davon im Berner Oberland, vier im Graubünden und drei im Wallis. «Davon werden wir sicher fünf finalisieren können», sagt der mit seiner Familie in Genf lebende Lathion.
Und warum schaffen es die Destinationen nicht, mehr warme Betten zu schaffen?
Viele Akteure wollen immer noch nicht einsehen, dass eine zu starke Fokussierung auf den Immobiliensektor auf lange Sicht ein Problem darstellt. Die Renovierung von Wohnungen und der Wiederverkauf generieren kurzfristig viele Gewinne für Bauträger, Immobilienagenturen, die Provisionen erhalten, und Gemeinden, die ansehnliche Steuereinnahmen aus Transaktionen erhalten. Warum also das Modell ändern?
Das Zweitwohnungsgesetz hat diesen Bautourismus massiv eingeschränkt!
Das Gesetz hat aber auch den Ausverkauf beschleunigt. Das Angebot ist knapper und die Preise sind noch stärker gestiegen. Da ist ein Verkauf natürlich äusserst lukrativ. Und wer eine teure Ferienwohnung kauft, hat kein Interesse daran, diese zu vermieten. In Verbier kostet der Quadratmeter mehr als 25’000 Franken. Diese Immobilienspekulation zerstört den Tourismus.
Was kann eine Destination tun, wenn praktisch alle Wohnungen verkauft worden sind?
Bei den Ferienwohnungen kann man nichts mehr machen. Dann muss man versuchen, neue, warme Betten zu schaffen. Mit Hotels ist es in der Schweiz in vielen Regionen schwierig, genug Rendite zu erzielen. Die Kosten sind sehr hoch. In Frankreich hat man viele Resorts gebaut, weil die Betriebskosten tiefer sind. In der Schweiz haben wir nur wenige Resorts. Die Politik muss die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Das Bauland darf nicht zu teuer sein. Aktuell werden vor allem Bergbahnen finanziell unterstützt. Doch wenn die warmen Betten fehlen, ist das nicht nachhaltig.
Kann man nicht auch neue Anreize schaffen, damit mehr Ferienwohnungen vermietet werden?
Das ist immer mit Eingriffen ins Eigentumsrecht verbunden. Bei vermieteten Ferienwohnungen gibt es zudem noch ein anderes Problem. Den Gästen wird bei der Ankunft der Schlüssel in die Hand gedrückt und sie müssen sich selbst um alles kümmern, ihre Skipässe besorgen oder Ausrüstung mieten. Der Service fehlt. So ist rasch ein Tag verloren. Die Schweiz hat zwar die besten Hotelfachschulen der Welt, aber in der Hotellerie lässt die Gastfreundschaft zu wünschen übrig.
Wie bitte?
Ich mache Ihnen ein Beispiel. In Österreich fragt man die Gäste am Morgen, ob sie gut geschlafen haben. In der Schweiz, ob sie etwas aus der Minibar getrunken hat.
Sie wollen damit sagen, es braucht mehr Investoren wie Sie?
Wir brauchen mehr Hotels und Resorts, die dem Gast all diese Dienstleistungen und einen Top-Service anbieten. Tourismus bedeutet nicht, ein zweites Zuhause zu verkaufen, sondern ein einzigartiges Erlebnis.