Die Suche nach einer Wohnung sorgt nicht nur in den grossen Schweizer Städten für Frust. Auch im Kanton Graubünden gibt es mehrere Gemeinden, in denen kaum eine freie Wohnung zu finden ist. Ein Fall ist Disentis/Mustér mit etwa 2200 Einwohnerinnen und Einwohnern. Auf dem Online-Vergleichsportal Comparis sind in der Gemeinde aktuell gerade mal drei Wohnungen ausgeschrieben. Familien haben Pech: Die verfügbaren Wohnungen zählen zwischen 1 und 2,5 Zimmern. Im Sommer 2022 standen im Ort gemäss Bundesamt für Statistik bloss 0,13 Prozent der Wohnungen leer.
Auch in Flims oder Laax sind freie Wohnungen Mangelware. In Flims standen von knapp 5200 Wohnungen im Jahr 2022 nur sieben leer. Die Problematik sei im Kanton Graubünden besonders ausgeprägt, sagt UBS-Ökonom Maciej Skoczek (36). «Die Bautätigkeit in den touristischen Zentren ist deutlicher tiefer als die Zahl der Umnutzungen von Erst- in Zweitwohnungen.» Gemäss Zweitwohnungsgesetz dürften Erstwohnungen, die vor dem 11. März 2012 erbaut oder bewilligt worden sind, ohne Einschränkung in Zweitwohnungen umgenutzt werden.
Das grosse Geschäft mit alten Wohnungen
Und das geschieht in Graubünden besonders häufig: Von 2020 bis 2023 stieg der Bestand an Zweitwohnungen im Kanton um 2,5 Prozent, obwohl nur 0,5 Prozent zugebaut wurden. Die restliche Zunahme entfällt auf Umnutzungen. In Samnaun oder Disentis habe die Zahl der Zweitwohnungen gar um mehr als 5 Prozent zugenommen, so Skoczek. Der Grund ist simpel. «Wir schätzen, dass mit einer altrechtlichen Wohnung bei einer Umnutzung ein Gewinn von 15 bis 20 Prozent erzielt werden kann», sagt Skoczek.
Viele Bündner Gemeinden sind mit dem Auto von den Zentren Zürich oder St. Gallen aus in deutlich unter zwei Stunden erreichbar. Das sorgt für eine hohe Nachfrage nach Zweitwohnungen, aber auch für Probleme. «Wenn Erstwohnungen umgewandelt werden, fehlt es an Wohnungen für Einheimische und Saisonniers», sagt der Ökonom. Dieses Problem kennt man auch in Parpan. Blick hat erst im März über eine Familie berichtet, die im Dorf nahe der Lenzerheide ein Haus mietet. Doch ihr Daheim soll mit grosser Wahrscheinlichkeit Ferienwohnungen weichen.
Auch für Zweitwohnungsbesitzer ein Problem?
Die Verdrängung der Einheimischen könnte langfristig aber auch für die Zweitwohnungsbesitzer negative Folgen haben, so Skoczek: «Fehlen Ortsansässige, gehen Steuereinnahmen verloren. Und das kann schliesslich zu Steuererhöhungen für Ferienwohnungsbesitzer führen.»
Der Kanton Graubünden hat das Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der Fachhochschule Graubünden damit beauftragt, die Entwicklung der Umnutzungen in mehreren Gemeinden zu beobachten. In der Gemeinde Flims stellte das ITF zwischen 2017 und 2021 jährlich 22 Umsetzungen fest. Das hört sich nicht nach sonderlich viel an. Doch in Kombination mit der tiefen Leerstandsquote stellt es die einheimische Bevölkerung vor Probleme.