Die jungen Schweizerinnen und Schweizer sind Impftrödler. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind bisher gemäss Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) rund 90 Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht worden. Bei den über 70-Jährigen sind es fast doppelt so viele.
Das soll sich nun ändern. Einerseits dank des neuen Testregimes per 1. Oktober. Ab dann sollen junge Leute, die sich vor dem Club oder dem Konzert testen lassen, die Kosten selber tragen. Dieser Vorschlag des Bundesrats ist aktuell in der Vernehmlassung. Andererseits gibt es immer mehr Impf-Initiativen, die sich direkt an Junge richten. Zum Teil von der öffentlichen Hand angestossen, zum Teil von Privaten.
Impfung vor dem Fussballmatch
Der Kanton St. Gallen etwa hat diese Woche die Kampagne «Entscheide dich jetzt!» lanciert. Offiziell richtet sie sich an alle Zögerlichen. Zwischen den Zeilen kann man aber lesen, wer wirklich gemeint ist: die Jungen. Mit an Bord sind etwa das Open Air St. Gallen sowie Nachtgallen, der Verein der St. Galler Bars, Clubs und Veranstalter. Auch der FCSG ist mit von der Partie: Beim Cupspiel am Samstag gegen den FC Münsingen gibt es zum ersten Mal Spontanimpfungen direkt beim Stadion.
In Zürich sollen die Jungen bald mit Gutscheinen zur Impfung gelockt werden. Lorenz Schmid (56), Präsident des Zürcher Apothekerverbandes und Inhaber einer Apotheke am Paradeplatz, kündigt an: «Ich bin mit einem Club und der Gesundheitsdirektion im Gespräch. Leute, die im Zusammenhang mit einem Corona-Test die zweite Impfdosis gespritzt kriegen, könnten doch einen Gratiseintritt für den Club erhalten.»
Um welchen Club genau es sich handelt, verrät Schmid nicht. In unmittelbarer Nachbarschaft von Schmids Testzentrum am Zürcher Pelikanplatz befinden sich das Kaufleuten und das Jade. Dort winkt man aber ab. Von Gratiseintritten für frisch Geimpfte wisse man nichts.
Spontanimpfung an der Zürcher Langstrasse?
Die Schweizer Bar- und Clubkommission ruft junge Leute derweil via Social Media zum Impfen auf. Mit farbigen Icons wird unter dem Titel «Du willst tanzen» über das Impfprozedere aufgeklärt. Ein QR-Code führt direkt zur Impfanmeldung.
Alexander Bücheli (46) von der Zürcher Bar- und Clubkommission hofft, dass sich das junge Partyvolk bald auch direkt im Ausgang impfen lassen kann: «Der Kanton schafft mobile Impfmöglichkeiten. Es wäre durchaus einen Versuch wert, die an neuralgischen Punkten des Nachtlebens aufzustellen.» Zum Beispiel an der Langstrasse. Vor dem Clubbesuch am Wochenende also einfach noch kurz die Impfung holen.
Solche Aktionen stehen aber noch nicht unmittelbar bevor, schränkt Bücheli ein: «Die mobilen Angebote entstehen gerade erst, und es ist wichtig, sie zielgerichtet einzusetzen. Zudem gibt es noch offene Fragen. Man will ja, dass die Impfung ein bewusster Entscheid ist. Wie geht man zum Beispiel mit Betrunkenen um? Trotzdem sollte man es zumindest mal versuchen. Wir kennen unsere Gäste. Sie sind lustig, nicht immer ganz nüchtern, aber ganz sicher nicht unzurechnungsfähig.»
Bücheli warnt aber davor, den Impfdruck wegen des schleppenden Impffortschritts nur auf die ausgehfreudigen Städter auszurichten: «Bei der jungen, mobilen, urbanen Bevölkerung mache ich mir keine Sorge um die Impfquote. Der Hebel müsste vielmehr im ländlichen Raum angesetzt werden.»
Zurückhaltung auf dem Land
Die Zahlen geben ihm recht. Im städtisch geprägten Kanton Zürich sind 49 Prozent der 20- bis 29-Jährigen doppelt geimpft. Im ländlich geprägten Kanton Glarus sind es mit 22 Prozent nicht einmal halb so viele. Glarus ist damit schweizweites Schlusslicht bei den jungen Erwachsenen.
Umso nötiger wären Impfkampagnen für die junge Bevölkerung gerade dort. Gibt es also Vereine, die ihre Mitglieder zum Impfen motivieren? Restaurants, die Gutscheine für Geimpfte verteilen? Fehlanzeige. Der Kanton zumindest weiss von keinen derartigen Aktionen. Selber motiviere man die junge Bevölkerung im Rahmen der Kampagne «Nüd lugg luu» zum Impfen, schreibt die Glarner Gesundheitsdirektion. Auf der Facebookseite des Kantons jedoch ist der letzte Beitrag zur Kampagne zwei Monate alt.