Sie stehen an der Zürcher Langstrasse, vor dem Kybunpark in St. Gallen und in den Hinterhöfen von Apotheken im ganzen Land: Eilig aufgestellte Corona-Testzentren. Untergebracht in Zelten, Containern oder Holzhäuschen. Im Herbst werden viele von ihnen wieder von der Bildfläche verschwinden. Der Bundesrat will die Corona-Tests ab 1. Oktober nur noch dann bezahlen, wenn jemand Symptome aufweist. Wer den Test braucht, um in den Club oder ins Fussballstadion zu kommen, soll ihn selber bezahlen.
Kostenpunkt? Unklar. Aktuell erhalten die Testzentren vom Bund 47 Franken pro Antigen-Abstrich. Künftig werden Anbieter wohl deutlich mehr verlangen. Oder aber deutlich weniger. Joel Meier (48) betreibt rund 20 Testzentren im ganzen Land. Sie richten sich an Fussballfans, Partygänger oder Reisende. Er hat nach dem Bundesratsentscheid bereits erste Kalkulationen aufgestellt.
«Bei grossen Standorten machen wir mehr als 500 Tests pro Abend. Wenn man hart kalkuliert, kann man den Test vielleicht für 25 Franken anbieten. Ein kleines Zentrum mit weniger als 150 Tests pro Tag würden wir wohl nicht mehr aufstellen. Da müssten derart hohe Preise verlangt werden, das würden die Leute nicht bezahlen.»
Hunderte Stellen auf dem Spiel
Joel Meier ist Grossveranstalter, unter anderem Präsident der Street Parade in Zürich. In der Pandemie hat er umgesattelt. Mittlerweile beschäftigt er in seinen Testzentren 400 Leute. Sie arbeiten im Stundensatz, meist in Kleinpensen. Diese Stellen stehen nun auf dem Spiel.
«Ich denke, wir müssen Leute entlassen. Wer bisher jede Woche in den Ausgang geht, reduziert das vielleicht auf dreimal im Monat. Oder eine Familie, die vier Tickets für den Fussballmatch oder eine Messe kauft bleibt dann eher zu Hause. Selbst wenn wir den Test für 25 Franken anbieten könnten.»
Meier wirft dem Bundesrat Kurzsichtigkeit vor. Er spare mit dem neuen Regime zwar die Testkosten. Dafür werde es andernorts teurer: «In unseren Teststationen arbeiten vor allem Tieflöhner, die zum Überleben einen Nebenerwerb brauchen. Viele haben Migrationshintergrund. Wenn diese Menschen ihre Jobs verlieren, muss der Staat einfach bei der Arbeitslosenkasse tiefer in die Tasche greifen.»
Auch andere Betreiber von Testzentren gehen davon aus, dass sie mit dem neuen Testregime Stellen abbauen werden. Darunter Lorenz Schmid (56), Präsident des Zürcher Apothekerverbandes und Inhaber der Toppharm Apotheke am Zürcher Paradeplatz. An den Wochenenden betreibt Schmid auf dem Pelikanplatz ausserdem ein mobiles Testzentrum. In unmittelbarer Nachbarschaft: die Clubs Kaufleuten und Jade.
Kommen nun die Simulanten?
Anders als Meier beschäftigt Schmid aber keine Tieflöhner, sondern primär Studenten. «Die hatten sowieso nur im Sommer Zeit.» Er verhehlt nicht, dass die Testerei für ihn ein Zusatzeinkommen war. Dennoch hat Schmid Verständnis dafür, dass der Bundesrat die Leute mit dem neuen Testregime zur Impfung bringen will.
Wer die Impfung nicht will, könnte es mit einem Buebetrickli probieren: Für Leute mit Corona-Symptomen bleiben die Tests nämlich gratis. Warum also nicht einfach ein Kratzen im Hals vortäuschen, vom Gratistest profitieren und danach feiern gehen?
Solche Simulanten zu erkennen, sei schwierig, gibt Schmid zu: «Es handelt sich um ein persönliches Empfinden. Bei ein- und denselben Symptomen hat eine Person vielleicht das Gefühl, sie liege halb tot im Bett. Eine andere Person springt noch topfit rum.»
«Wir können nicht die Polizeifunktion übernehmen»
Eine empfindsame Person könnte leicht als Simulant abgetan werden, warnt Schmid. «Wir können nicht die Polizeifunktion übernehmen.» Will heissen: Schmid wird den Gratistest durchführen. Selbst wenn er nicht weiss, ob das Kratzen im Hals echt ist. «Wir können an die Fairness der Leute appellieren. Aber schlussendlich liegt es in der Eigenverantwortung.»
Dass die Leute grossflächig simulieren werden, glaubt Schmid aber nicht. «Das Testen ist zum Glück ja kein Vergnügen.»
Die Simulanten-Problematik ist ausserdem nicht neu. Corona-Tests sind erst seit März für jedermann gratis. Wer davor in die Ferien fliegen oder ohne schlechtes Gewissen die Grossmutter besuchen wollte, musste den Test ebenfalls selber bezahlen.
Unklar ist ausserdem, ob symptomatische Personen nach einem negativen Test überhaupt ein Corona-Zertifikat erhalten. Gesundheitsminister Alain Berset (49) beantwortete diese Frage an der Medienkonferenz zum neuen Testregime mit «Ich bin ein bisschen überfordert». Beim Bundesamt für Gesundheit waren auch am Donnerstag keine näheren Informationen dazu einzuholen.