Auf einen Blick
- Warnstreik an 13 deutschen Flughäfen gestartet
- Mehr als 3400 Flüge und 510'000 Passagiere betroffen
- Auch Verbindungen in die Schweiz gestrichen
Wo normalerweise ein grosses Gewusel an Reisenden herrscht, dominierte am Montag gähnende Leere: Ein Warnstreik der Gewerkschaft Verdi legte 13 deutsche Flughäfen lahm. Ab Mitternacht legten Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst der Flughafenbetreiber, den Bodenverkehrsdiensten und der Luftsicherheitsbereiche ihre Arbeit nieder, wie ein Sprecher der Gewerkschaft bestätigte. Der Warnstreik soll 24 Stunden dauern.
Nach Schätzungen des Flughafenverbands ADV fielen in ganz Deutschland rund 3500 Flüge aus. Und 550'000 Fluggäste mussten ihre Reise verschieben. Weil die meisten von ihnen im Vorfeld gewarnt werden konnten, kam es an den Flughäfen nicht zu einem Chaos, sondern zu leeren Abflughallen.
Deutsche Airline-CEOs üben harsche Kritik
Insbesondere bei den deutschen Airlines sorgte der Warnstreik für Ärger. «Wer soll denn bitte nachvollziehen, dass Reisende heute in ganz Deutschland auf gepackten Koffern sitzen bleiben, weil für Beschäftigte von Stadtverwaltungen oder Kindergärten eine grösstmögliche Gehaltserhöhung erstreikt werden soll?», schrieb Jens Bischof (59), CEO von Eurowings und Präsident des Branchenverbands BDL, auf LinkedIn.
Weiter fordert Bischof ein neues Streikgesetz: «Um der Malaise ein Ende zu setzen, gilt es insbesondere kritische Infrastruktur in Deutschland besser zu schützen.» In die gleiche Kerbe schlägt Jens Ritter (53), CEO von Lufthansa: «Reisen trägt zum Wohlstand unseres Landes bei. Aber Reisende meiden unser Land zunehmend wegen Streiks.»
Die Swiss ist ebenfalls genervt
Wegen des Warnstreiks sind auch am Flughafen Zürich am Montag 66 Flüge gestrichen worden. Mehrere Fluggesellschaften waren betroffen, wie eine Sprecherin des Flughafens mitteilte. Konkret handle es sich um 34 Ankünfte und 32 Abflüge. Betroffen seien die Swiss, Easyjet, Eurowings und Lufthansa. Die Flüge hätten von oder nach Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt oder Hannover stattfinden sollen.
Allein die Swiss hat wegen des Streiks 57 Deutschland-Flüge nicht durchführen können. «Bereits am Freitag mussten wir 38 für heute geplante Flüge annullieren», sagt ein Swiss-Sprecher zu Blick. Über das Wochenende seien dann «sehr kurzfristig» noch einmal 19 Flüge dazugekommen, da der Flughafen Hamburg anders als angekündigt bereits seit gestern Sonntag bestreikt wird. 5200 Passagiere der Swiss sind direkt von den Auswirkungen des Streiks betroffen.
Die Flughäfen Berlin, Frankfurt, Hannover und Bremen kann die Swiss heute gar nicht anfliegen. «Im Fall der Flughäfen München und Stuttgart können wir zwar auf beiden Wegen Passagiere befördern, müssen aber auf den Transport zusätzlicher Fracht verzichten», sagt der Sprecher. In Düsseldorf fällt ein Teil der Flüge aus. «Einzig den Flughafen Dresden können wir heute so bedienen wie geplant – dort rechnen wir zumindest Stand jetzt mit keinen Einschränkungen», heisst es bei der Swiss.
«Es ist enorm frustrierend»
«Wir verstehen den Unmut unserer Passagiere sehr gut – es ist enorm frustrierend, wenn Reisepläne so kurzfristig über den Haufen geworfen werden», sagt der Sprecher. Man buche Kunden automatisch auf die nächstmögliche Verbindung um. Zudem fliegt die Swiss mit grösseren Flugzeugen. «Wo immer dies machbar ist, setzen wir auf den vom Streik verschonten Verbindungen grössere Flugzeugtypen ein als ursprünglich geplant. So können wir zusätzliche Passagiere von und zu nahegelegenen Flughäfen mitnehmen.»
Man setze sich mit Hochdruck dafür ein, dass die Fluggäste ihr Ziel möglichst schnell erreichen. «Auch wenn infolge des Streiks über einen Umweg.» Kosten für notwendige Hotelübernachtungen, Verpflegung, Taxifahrten und allfällige weitere Betreuungsleistungen übernimmt die Swiss
Mehr Lohn, zusätzliche Freitage
Die Gewerkschaft fordert in den Tarifverhandlungen von Bund und Kommunen unter anderem acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber monatlich 350 Euro mehr, sowie drei zusätzliche freie Tage. Die Arbeitgeber legten bisher kein konkretes Angebot vor.
In der Luftsicherheit fordert Verdi unter anderem die Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, 30 Tage Urlaub und Zusatzurlaub für Schichtarbeit sowie die freie Arztwahl bei den regelmässigen verpflichtenden ärztlichen Eignungsuntersuchungen der Beschäftigten. Die im BDLS organisierten Arbeitgeber kritisierten die Warnstreikausweitung: «Die nun angesetzten Streikmassnahmen an 13 Flughäfen sind nicht zielführend und unterstreichen lediglich die Masslosigkeit seitens der Gewerkschaften, mit der wir auch in dieser Verhandlungsrunde wieder einmal konfrontiert werden», sagte BDLS-Verhandlungsführer Christian Huber.
An einzelnen Flughäfen beginnen die Aktionen erst mit Betriebsbeginn in den frühen Morgenstunden. Die Streikenden in Frankfurt sollen sich am Morgen zu einer Kundgebung treffen.
Kritik des Luftverkehrsverbands
In der laufenden Tarifrunde des öffentlichen Dienstes wurden bereits die Flughäfen in Köln, Düsseldorf, Hamburg und München bestreikt, wo es jeweils zu zahlreichen Flugausfällen gekommen war. Laut ADV waren davon bereits 800'000 Passagiere betroffen.
Die Streiks seien nicht verhältnismässig, sagte der Hauptgeschäftsführer des Luftverkehrsverbands BDL, Joachim Lang. «Hier wird ein kompletter Verkehrszweig flächendeckend stillgelegt und das, obwohl Flughäfen und Airlines, aber auch Gastronomie, Einzelhandel und Hotels keine Tarifpartner sind. Der Tarifkonflikt wird damit allein auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen, noch bevor die nächste Verhandlungsrunde ansteht.» Lang fordert neue Streikregeln im Bereich der kritischen Infrastruktur.