Auf einen Blick
- Swiss Steel baut 800 Stellen ab, davon 130 in der Schweiz
- Gewerkschaften kämpfen um die Rettung der Arbeitsplätze
- Emmenbrücke bleibt wichtiger Pfeiler des Konzerns
Der Schweizer Stahlbranche bläst ein scharfer Wind ins Gesicht. So stark, dass er auch noch die letzten Stahlöfen hierzulande ausblasen könnte. Es geht um viele Arbeitsplätze: Von den verbliebenen 500 Stellen bei Stahl Gerlafingen SO sind 120 akut bedroht, in Emmenbrücke LU will Swiss Steel 130 der aktuell 750 Stellen streichen.
Gerlafingen produziert Stahl für die Bauindustrie, Emmenbrücke vor allem für die Maschinen- und Auto-Industrie, die gerade in Europa – und vor allem in Deutschland – unter einer grossen Absatzschwäche leidet. Deshalb braucht es auch weniger Werkzeugmaschinen, um Autos oder andere Industriegüter zu produzieren. Das trifft vor allem die Firma aus Emmenbrücke hart.
Weltweit werden bei Swiss Steel 800 von konzernweit 7500 Stellen abgebaut. Neben der Schweiz trifft der Abbau vor allem die Werke in Deutschland und Frankreich hart. Bei weiteren 270 Stellen in Deutschland wird die Arbeitszeit reduziert. Ein unvermeidlicher Schritt, wie Konzernchef Frank Koch (52) im Gespräch mit Blick betont: «Die Aussichten auf eine Erholung des Stahl-Geschäfts in absehbarer Zeit sind nicht gut. Wir haben uns diesen Schritt lange überlegt, aber jetzt konnten wir nicht mehr länger warten.»
Kampf für die Arbeitsplätze
Die Gewerkschaften Unia und Syna sowie der Kaufmännische Verband Schweiz fordern in einer gemeinsamen Erklärung den Verzicht auf Entlassungen – und nehmen die Politik in die Verantwortung: «Zusammen mit Stahl Gerlafingen ist das Werk in Emmenbrücke das letzte Stahlwerk der Schweiz – und beide kämpfen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter anderem wegen der hohen Stromkosten.» Das Parlament hat den Ball aufgenommen, macht Druck auf den Bundesrat, um die Schweizer Stahlindustrie zu retten. Das Ziel: die Netzkosten für die Firmen zu senken.
Stahlbranche in der Krise
Immerhin: Auch für Koch setzt die Politik am richtigen Hebel an, denn gerade die Kosten für die Stromübertragung tun den Stahlfirmen richtig weh. «Die Netzkosten sind ein fixer Kostenblock. Den bezahlen sie, egal, ob sie produzieren oder nicht.» Mit den Elektroöfen in den Schweizer Stahlwerken lässt sich zwar die Produktion besser regulieren als mit den klassischen Hochöfen, die rund um die Uhr betrieben werden müssen.
Wenig Spielraum
Andererseits fallen die Stromkosten meist relativ zeitnah an. Bis der Kunde für das fertige Stahlprodukt bezahlt, kann es länger dauern. «Um dies zu überbrücken, fehlen uns die finanziellen Reserven. Wir sind kein Grosskonzern, der das eher stemmen könnte», erklärt Koch.
Wenig Hoffnung macht der Swiss-Steel-Chef den Gewerkschaften, dass das Konsultationsverfahren etwas bringen könnte: «Wir müssen eine ganze Schicht herausnehmen, da gibt es wenig Spielraum, um einige Arbeitsplätze zu retten.» Koch ist zuversichtlich, dass die entlassenen Stahlarbeiter schnell einen neuen Job finden: «Das sind ausgezeichnete und gesuchte Fachkräfte.»
Eine Zuversicht, die auch Swissmem teilt, da die Zahl der Industriearbeitsplätze in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern nicht zurückgegangen ist. Und dabei gleichzeitig die Wertschöpfung der Industrie gestiegen ist, wie der Branchenverband der Maschinenindustrie unterstreicht.
Emmenbrücke bleibt
Für die Schweizer Stahlindustrie erschweren der starke Franken und die Massnahmen in der EU und den USA zum Schutz der eigenen Stahlindustrie das Geschäft zusätzlich. «In der Schweiz produzieren wir Stahlspezialitäten. Das hat uns in der Vergangenheit getragen und wird es auch in Zukunft tun», so Koch. Deshalb sei Swiss Steel ohne Emmenbrücke nicht zu denken: «Wir haben in den Standort viel investiert, Emmenbrücke ist und bleibt ein Kerngeschäft unseres Unternehmens», versichert Koch.
Swissmem hält zwar auf Anfrage wenig von der Subventionierung einzelner Industriezweige, kann sich höchstens ein Entgegenkommen bei den Netzkosten vorstellen. Der Branchenverband der Maschinenindustrie gibt aber noch etwas anderes zu bedenken. «Die Schweizer Stahlwerke sind grosse Recyclingbetriebe der Schweiz. Sie transformieren Stahlschrott in neue Stahlerzeugnisse. Sie haben daher im Konzept einer Kreislaufwirtschaft einen hohen Stellenwert», so Swissmem.
Beim Stahl beträgt die Rückführungsquote fast 100 Prozent. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es um den Erhalt der Stahlindustrie in der Schweiz geht.