Es existiert in der Schweiz nicht nur ein «Gender Pay Gap», also geschlechterspezifisch unterschiedliche Löhne, sondern auch ein «Private/Public Pay Gap». Das heisst: Bei gleicher Ausbildungsdauer, Studien- und Berufsrichtung, bei gleichem Alter, Pensum und Geschlecht und bei Übereinstimmung in weiteren Merkmalen besteht eine markante Lohndifferenz zwischen den Löhnen in der Privatwirtschaft und in der Verwaltung. Das belegt eine Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern.
Und zwar zugunsten des Verwaltungspersonals: Bundesangestellte verdienen 14'000 Franken mehr als ihre «statistischen Zwillinge» in der Privatwirtschaft. Die Studienautoren sprechen von einer «Verwaltungslohnprämie».
Auch das Bundesamt für Statistik kam in früheren Erhebungen zum Schluss, dass die Bundesverwaltung mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 117'176 Franken einsame Spitze ist. Auch in den Kantons- und Gemeindeverwaltungen und den übrigen Organisationen im staatlichen Sektor liegen die durchschnittlichen Gehälter über jenen in der Privatwirtschaft – selbst wenn das Lohnwachstum in den letzten Jahren dort geringer war.
KV-Angestellte auf der Gemeinde kassieren 3,4 Prozent mehr
«Derart grosse Differenzen zwischen Staat und privat sind erklärungsbedürftig», analysiert Christoph Schaltegger (50), Direktor des IPW und einer der Studienautoren. «Die Gefahr, dass der Arbeits- und Bildungsmarkt dadurch verzerrt werden, ist gross.»
Im Durchschnitt profitieren Angestellte in der Bundesverwaltung gegenüber der Privatwirtschaft von einer Verwaltungslohnprämie von 11,6 Prozent, in den Kantonsverwaltungen von 4,3 Prozent und in den Gemeindeverwaltungen von 3,4 Prozent.
Wer nach dem KV in einen Bürojob bei einer Gemeindeverwaltung eintritt, erhält im Durchschnitt 3,4 Prozent mehr Lohn als in einem vergleichbaren Bürojob bei einer Privatfirma.
Im Einzelfall kann die Differenz gar noch grösser sein. Je tiefer der Lohn, desto höher die Verwaltungslohnprämie. Beim Bund kann ein Job somit bis zu 17 Prozent mehr Einkommen bringen als ein gleichwertiger Job in der Privatwirtschaft. Die Lohnschere zwischen den Verwaltungen und dem privaten Sektor öffnet sich gegen unten. Die mit steigendem Lohn abnehmende Lohnprämie vermittle jedoch ein trügerisches Bild. Im Vergleich zu Geringverdienern gewinnt die Work-Life-Balance für Besserverdienende im Verhältnis zum Gehalt an Bedeutung.
Wettbewerb zwischen Gemeinden, Kantonen und Bund
Der Staat ist der grösste Arbeitgeber der Schweiz. Staatliche Löhne werden überwiegend aus Steuern finanziert. Private Arbeitgeber könnten aufgrund der Verwaltungslohnprämie gezwungen sein, bei der Suche nach Arbeitskräften die Löhne anzuheben. Private Unternehmen müssen aber grundsätzlich Gewinne erwirtschaften, haben also Restriktionen bei den Personalkosten. Nicht so der Staat: Ihm laufen die Kunden beziehungsweise Bürger nicht so schnell weg, wenn er mit zu teurem Personal produziert. Ihm fehlen die Budgetrestriktionen, die Effizienzanreize setzen.
Es ist aber nicht so, dass Jobs im öffentlichen Dienst einfach «überbezahlt» sind, betonen die Studienautoren. Die Löhne ergeben sich aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Regierung und Verwaltung. Zudem steht auf dem Arbeitsmarkt nicht nur der Staat mit der Privatwirtschaft in Konkurrenz: Die öffentlichen Verwaltungen stehen auch untereinander im Wettbewerb. «Die Löhne beim Bund können die Gemeinden und Kantone unter Druck setzen», warnt Marco Portmann (38), Co-Autor der Studie.
Die Verwaltungslohnprämie deckt auch altbekannte Muster auf: Die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Älterwerden werden belohnt. «Es stellt sich die Frage, ob ein Lohnsystem, das auf mehr Arbeitsmarktmobilität ausgerichtet ist, nicht allen Parteien – der Privatwirtschaft, dem Staat und den Arbeitnehmern – dienen würde, ihr ganzes Potenzial auszuschöpfen», sagt Marco Portmann. «Es muss sich für Verwaltungsmitarbeiter lohnen, auch mal den Absprung beim Staat zu wagen und sich dafür fit zu halten.»