Es tönt nach einem veralteten Vorurteil. Beamte und Bürolisten schieben eine ruhige Kugel. Arbeiter, die bei Wind und Wetter Strassen teeren, Dächer reparieren oder am Fliessband schuften, arbeiten hingegen härter und nützen ihren Körper stärker ab. Eine neue Studie aus Deutschland zeigt: Es ist eben doch was dran am Klischee. Zumindest was die Lebenserwartung angeht.
Beamte beider Geschlechter leben im Schnitt mehr als vier Jahre länger als Büezer und Handwerkerinnen, wie der «Spiegel» schreibt. Bei den Männern ist der Vergleich noch krasser: Staatsdiener haben im Schnitt fünf Jahre mehr Lebenszeit!
Berufsangepasstes Rentenalter als Lösung?
Sie können nach ihrer Pensionierung mit 21,5 weiteren Lebensjahren rechnen. Selbstständige und Angestellte haben durchschnittlich 19 Jahre und Arbeiter «nur» 15,9 Jahre übrig. Bei den Frauen beträgt der Unterschied zwischen Beamtinnen und Arbeiterinnen durchschnittlich drei Jahre.
Diese Zahlen sind Fakt – und das stellt die Sozial- und Rentenpolitik vor ein fundamentales Problem: Beamte und Bürolisten verdienen durchschnittlich mehr, kriegen eine höhere Rente – und das erst noch über eine längere Zeit.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das die Studie durchgeführt hat, sucht in seiner Publikation nach Lösungen für diese Ungleichheit. Eine Möglichkeit: «Das Rentenalter für unterschiedliche Berufe zu definieren.» So würde der Staat Menschen in Berufen mit niedrigerer Lebenserwartung schon früher in Rente schicken – oder Beamte müssten länger arbeiten.
Das Ringen ums Rentenalter in der Schweiz
Ein Vorschlag in diese Richtung hat der ehemalige FDP-Ständerat Philipp Müller (69) schon vor zwei Jahren gemacht: Er forderte, das Rentenalter abzuschaffen. «Warum sollen ein Maurer und ein Bürolist im selben Alter aufhören müssen?», fragte Müller damals im Interview mit Blick.
Seither ist wenig gegangen. In der letzten Sommersession hat das Parlament das Frauenrentenalter von 64 auf 65 Jahre angehoben. Auch, weil Frauen im Schnitt eine höhere Lebenserwartung haben. Die Frage, mit der sich Stände- und Nationalrat jetzt noch beschäftigen muss: Was darf das höhere Frauenrentenalter im Gegenzug kosten? Im Raum stehen Ausgleichsmassnahmen von jährlich rund 400 bis 600 Millionen Franken. (gif)