Die Helvetic fliegt wieder. Trotz Corona-Pandemie hat die Airline von Patron Martin Ebner (75) ihr Sommerprogramm erweitert, fliegt fleissig Feriendestinationen am Mittelmeer an. Es grenzt fast schon an ein Aviatik-Wunder, dass eine solch kleine Fluggesellschaft wie Helvetic die Krise derart stark zu meistern scheint. Beflügelt durch ihre Vereinbarung mit der grossen Swiss, für die sie auch während der Pandemie als Subunternehmen Flüge durchführen durfte.
Doch der Glanz der Helvetic verblasst schnell, wenn man sich im Umfeld der Airline umhört. Blick hat mit mehreren Flight-Attendants gesprochen. Zwei davon sind Balthasar C.* und Amira F.*. Beide sind noch in Kurzarbeit, arbeiten aber schon länger für die Airline.
Die Arbeitsbedingungen seien schon immer problematisch gewesen, sagen sie. Die Helvetic-Mitarbeitenden sind anders als ihre Kollegen bei der Swiss nicht durch einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geschützt. Die Folge sind vergleichsweise tiefe Löhne – ein Flugbegleiter erhält als Basislohn gerade einmal 3100 Franken – und extrem flexible Arbeitszeiten.
Kein Privatleben mehr
«Diese Flexibilität wird während der Corona-Krise sehr gestreckt», sagt C. Freiwünsche an den Wochenenden seien nicht mehr erlaubt, obwohl das in den letzten Jahren trotz sommerlicher Hochsaison nie ein Thema gewesen war. «Gerade für meine Kollegen mit Familie ist das mühsam», sagt C. «Die Helvetic verlangt von uns sehr viel, kommt uns aber überhaupt nicht entgegen», sagt F. «Mein Privatleben leidet enorm darunter. Ich kann mit meinen Freunden nichts planen, sitze ständig auf Abruf zu Hause rum. Das sind unerträgliche Umstände.»
Für die Frau hat dies auch finanzielle Auswirkungen. «Im letzten Herbst und Winter sind wir kaum geflogen. Ausschliesslich vom Kurzarbeitsgeld kann ich mich aber kaum über Wasser halten», sagt sie. Helvetic habe den Mitarbeitenden nahegelegt, einen Nebenjob zu suchen. «Das war aber gar nicht möglich», sagt F. «Wie soll ich eine Stelle finden, wenn ich für Helvetic immer auf Abruf bereit sein muss?», fragt sie sich.
Mehr zur Airline-Recherche
Helvetic zahlt vollen Lohn – trotz Kurzarbeit
Die Airline sagt auf Blick-Anfrage, dass der Flugbetrieb als Fluggesellschaft in der Hochsaison Priorität geniesse. «Dies erfordert natürlich eine gewisse Flexibilität unserer Crews, wie es auch bei anderen Airlines üblich ist.» Nach Möglichkeit werden aber die Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigt. Auch am Wochenende sei es möglich, freizunehmen.
Für die finanziellen Nöte einiger Mitarbeitenden zeigt Helvetic Verständnis. «Die mit der Kurzarbeit verbundenen Schwierigkeiten haben wir bereits vor einigen Monaten proaktiv identifiziert.» Seither gleicht die Ebner-Airline den Lohn teilweise um die fehlenden 20 Prozent aus der eigenen Tasche aus. «Das bedeutet, dass unser Kabinenpersonal derzeit sein volles Gehalt bezieht. Ausgenommen davon sind die ranghöchsten Flugbegleiter, die in einer höheren Lohnstufe sind.»
«Einschüchterungskultur» bei Helvetic?
C. kritisiert weiter die Kommunikation seines Arbeitgebers. Zu Beginn seien sie noch auf dem Laufenden gehalten worden. «Mittlerweile hören wir aber nichts mehr von der Zentrale. Es machten Gerüchte die Runde, dass unser Kabinenkorps bereits unterbesetzt sei», sagt er. Dieser «Einschüchterungskultur», wie C. es bezeichnet, könnte man entgegenwirken. «Wenn die Geschäftsleistung öfter berichten würde, wie es der Airline aktuell geht.»
Die Helvetic sieht das anders. Man würde die Mitarbeitenden in regelmässigen Abständen «offen» und «ausführlich» informieren. Aufgrund der Pandemie erfolge die Kommunikation aber virtuell. Im Rahmen von Newslettern oder Mitarbeiterveranstaltungen mit anschliessender Fragerunde.
«Stolz auf den Zusammenhalt»
Warum die beiden der Ebner-Airline noch die Treue halten, erklären sie mit der Liebe fürs Fliegen und dem «Helvetic Spirit». «Der Zusammenhalt in der Kabine ist sehr gross. Wir unternehmen auch Dinge privat», sagt F. «Es herrscht eine familiäre Atmosphäre», pflichtet ihr C. bei. «Auf unseren Zusammenhalt bin ich am meisten stolz.»
Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben: «Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Mitarbeitenden nicht nur für den Erfolg genutzt und danach entsorgt werden, sondern richtig behandelt, belohnt und anerkannt werden für ihren unermüdlichen Einsatz.»
*Namen von der Redaktion geändert