Wenn sich der Winter und die Öltanks dem Ende zuneigen, herrscht bei den Heizöllieferanten normalerweise Hochbetrieb: Die Firmen geben Kaufempfehlungen ab, klingeln die Quartiere und Strassen durch und nehmen Sammelbestellungen auf. Doch in diesem Frühling ist alles anders.
Die Preise befinden sich seit Wochen auf einer Achterbahnfahrt. Roger Wirth (49), Chef von Oel-Hauser, wagt es derzeit nicht, Preisprognosen abzugeben. «Ich bin seit 31 Jahren im Geschäft, und solche Preissprünge, wie wir sie zuletzt hatten, habe ich noch nie erlebt», sagt er. An einzelnen Tagen schoss der 100-Liter-Preis um 20 Franken in die Höhe. Seinen Höchststand erreichte er am 10. März. Damals kosteten 100 Liter Heizöl 170 Franken.
Kunden in Zahlungsnot
Die hohen Heizölpreise der letzten Wochen setzen Wirths Kundschaft zu. Immer mehr von ihnen seien mit der Bezahlung ihrer Rechnungen im Rückstand. «Meine Debitorenausstände sind fast doppelt so hoch wie in einem normalen Jahr», sagt er.
Die Zahlungsschwierigkeiten würden Kunden aus der ganzen Schweiz betreffen – neben Unternehmen aus der Immobilienbranche auch Einfamilienhausbesitzer. Besonders stark vertreten seien aber Baugeschäfte und Transporteure, die Wirth und sein Team mit Diesel versorgen.
Wirth hat reagiert: «Bei Neukunden wird das Betreibungsregister angeschaut. Hat die Zahlungsfähigkeit zuletzt gelitten, liefern wir nur gegen Bar- oder Vorauszahlung.»
Offerte innert Minuten ungültig
Sollten einige Kunden tatsächlich nicht mehr zahlen können, würde das auch bei Oel-Hauser einschenken. «Wir verdienen bei einem Ölpreis von 145 Franken für 3000 Liter 150 Franken. Damit wir einen Zahlungsausfall kompensieren können, müssen wir also so einige Öltanks füllen», hält Wirth fest.
Statt mit der traditionellen Verkaufsoffensive im Frühling sind die Angestellten von Oel-Hauser mit dem Versenden von Mahnungen beschäftigt. Am meisten Arbeit bescheren ihnen aber die schnellen Preissprünge. «In den letzten Wochen war es oft so, dass wir am Telefon einen Preis offeriert haben, der einige Minuten später schon nicht mehr gültig war», erzählt Wirth. Das Ergebnis sind gestresste Mitarbeiter und verärgerte Kunden.
Agrola erwartet erneuten Preisanstieg
Die Preisschwankungen halten weiterhin an. Doch immerhin zeigt die Tendenz aktuell nach unten: Vom 4. bis 6. April ist der Heizölpreis für eine Bestellmenge von 3000 Litern von 149.40 Franken pro 100 Liter auf 141.80 Franken gesunken. «Die Kunden bestellen aufgrund der grossen Unsicherheit aber nur Teilmengen», sagt Wirth.
Die Preisentspannung könnte aber schon bald wieder vorbei sein. «Ein weiterer Preisanstieg erscheint wahrscheinlicher als ein Rückgang des Heizölpreises», sagt Martina Wagner, Sprecherin bei Agrola. Die Energiedienstleisterin rät deswegen aktuell zum Kauf oder Teilkauf von Heizöl.
Leere Öltanks in den letzten Tagen
Agrola prüft deswegen auch, ob man bei den Bestandeskunden trotzdem eine Werbeaktion zum Auffüllen der Tanks durchführen will. Ob die hohen Heizölpreise auch bei Agrola zu Zahlungsausständen führen, kann das Fenaco-Unternehmen derzeit noch nicht sagen. «Das wird sich erst noch zeigen», sagt Wagner.
Zahlreiche Kunden haben zu lange mit dem Bestellen zugewartet: In der jüngsten Kältewelle mussten die Pikettdienste von Oel-Hauser und Agrola regelmässig wegen leerer Öltanks ausrücken.